- • Startseite
- • Islam
-
•
Noktara, der muslimische "Postillon"
„Wer nicht folgt, wird gesteinigt“, lautet der Slogan von Noktara auf Twitter. „Nachrichten aus dem Morgenland, schon heute!“ haben sich Soufian El Khayari und Derya Sami Saydjari als Claim für ihre neue Satireseite ausgedacht. Beide haben genug von Islamisten, die den Islam für sich beanspruchen, und von konservativen Muslimen, die bierernst durchs Leben gehen. Sie wollen nicht jammern über Stimmungsmache von rechts. Aber sie wollen sich auch nicht mit Klischees über Muslime zufriedengeben. „Gemeinsam lachen für eine bessere Welt“, lautet deshalb ihr Motto.
Die beiden 30-Jährigen sind Freunde und Arbeitskollegen. Beide arbeiten im Online-Marketing, ihr gemeinsames Hobby: Satire. Die neuen Artikel des Postillon bekommen sie als Eilmeldung aufs Handy. Auf einer gemeinsamen Autofahrt kam ihnen der Gedanke, eine eigene Satire-Webseite zu gründen.
Seit drei Monaten ist Noktara nun online und auf Facebook und Twitter vertreten. Der Name Noktara ist aus dem Arabischen zusammengesetzt. „Nokta“ bedeutet Punkt, aber auch Witz, das „ra“ haben die Macher für den besseren Klang angehängt. Beide sind gläubige Muslime und in Deutschland aufgewachsen.
jetzt: Euer neuester Artikel heißt „Kein Einlass ins Paradies ohne Ausweis“, eine Anspielung auf den mittlerweile verstorbenen Islamisten aus Berlin. Ihr schreibt dazu: „Kein Ausweis, keine Jungfrauen“. Wie geht ihr mit dem Spannungsfeld Islam und Humor um?
Soufian: Satire ist die beste Lösung, um mit ernsten Problemen umzugehen. Das gesellschaftliche Klima war mit ein Grund, warum wir uns für Noktara entschieden haben. Muslime in Deutschland betreiben nicht genügend eigene Medien, es wird eher „über“ Muslime statt „von“ Muslimen berichtet.
Sami: Wir wollen Mauern durchbrechen und Leute auch beim Thema Islam und Flüchtlinge zum Lachen bringen.
Was unterscheidet euch von anderen Satire-Webseiten?
Soufian: Wir haben einen anderen Blickwinkel. Dadurch, dass wir die muslimische Community in Deutschland gut kennen, wissen wir, was sie zum Lachen bringen könnte. Gleichzeitig bedienen wir Klischees, mit denen wir als Muslime konfrontiert sind. Als wir zum Beispiel die Amazon Prime Werbung gesehen haben, kamen uns gleich zwei Gedanken. Statt dem Knieschoner als Geschenk dachten wir, dass Imam und Priester sich gegenseitig Koran und Bibel schenken und nannten den Artikel „Missionierung 2.0“. Und zweitens, wo blieb der Rabbi in dem Clip?
In seinem diesjährigen Weihnachtsspot hat der Online-Versandhändler Amazon die Freundschaft eines Imams und eines Priesters erzählt. Sie treffen sich zu Tee und Plätzchen und erzählen sich gegenseitig von ihren gesundheitlichen Beschwerden. Nach dem Plausch fühlen sich beide zu einem Geschenk an den Kollegen inspiriert, welches natürlich von Amazon Prime geliefert wird. Beide haben dieselbe Idee: Knieschoner für die vom vielen Hinknien in Kirche und Moschee beanspruchten Gelenke.
Soufian: Je bunter der Satiremarkt, desto besser. Wir bedienen uns vor allem aus drei Bereichen: Religion, Politik und Lifestyle. Oft reagieren wir auch auf aktuelle Nachrichten. Kurz nach dem Berliner Attentat beschwerten sich bereits die ersten Menschen über Merkels Flüchtlingspolitik. Wir twitterten daraufhin: „Lieber Spekulatius essen, statt Spekulationen verbreiten.“ Außerdem stellten wir den ersten islamischen Adventskalender auf unserer Webseite. Jedes Mal, wenn jemand aufs Türchen klickt, springt ihm ein „Haram“ (aus dem Arabischen: "Sünde", "gilt als verboten") entgegen.
Was wollt ihr damit aussagen?
Soufian: Wir wollen konservative Muslime für mehr Humor sensibilisieren. Das Wort „Haram“ wird teilweise sehr inflationär verwendet und bei den kleinsten Alltagsthemen eingesetzt. Dagegen wollen wir etwas unternehmen.
Sami: Es gibt Muslime, die übertreiben einfach. Manche erkennen auf den ersten Blick gar nicht, dass wir reine Satire betreiben und werfen uns dann Unglauben vor. Aber bislang halten sich die negativen Nachrichten im Zaum. Manche von ihnen konnten wir tatsächlich zum Lachen bringen.
Darf Satire bei euch alles oder gibt es Tabus?
Soufian: Nur, weil man vielleicht alles darf, muss man nicht alles machen. Ich würde zum Beispiel nichts Blasphemisches sagen.
Sami: Ansonsten gibt es keine Tabus. Ich glaube, bei bestimmten Themen lachen Muslime einfach leichter, wenn die Satire aus der muslimischen Perspektive kommt.
"Als Thanksgiving war, sprach niemand über die armen, toten Truthähne."
Ein Beispiel?
Soufian: Es gibt Themen, die vor allem Muslime kennen, und die sie dementsprechend zum Lachen bringen. Gleichzeitig bekommen Nicht-Muslime einen Einblick in eine für sie eher fremde Welt. Jeder, der schon einmal in einer Moschee war, kennt diesen Moment, wenn mitten im Gebet ein peinlicher Klingelton losgeht. So heißt ein Artikel von uns: „Skandal: Gebet verlief ohne Klingelton – Ob alles sauber lief?“
Auszug aus dem Artikel: „Das heutige Freitagsgebet brachte einer kleinen muslimischen Gemeinde in Ober-Gummersbach einen Eintrag ins Guinness-Buch ein. 150 Besucher hörten einer 20-minütigen Predigt zu und verrichteten im Anschluss das Gemeinschaftsgebet. Während des ganzen Ablaufs kam es zu keiner akustischen Störung durch ein Mobiltelefon. Dies hat bis dahin noch keine Moscheegemeinde seit Erfindung des Smartphones geschafft. Kritiker bezweifeln, dass dabei alles sauber gelaufen ist. Böse Zungen behaupten, dass der Imam gegen Ende absichtlich etwas schneller vorgebetet hat und kürzere Koranverse rezitierte, um einem möglichen Handyklingeln zu entgehen. Verschwörungstheoretiker hingegen sehen die Ursache in einer Sonneneruption, die ebenfalls in diesem Zeitraum stattfand. Dadurch könnte der Handyempfang vorrübergehend eingeschränkt worden sein.“
Soufian: Manchmal machen wir uns auch über eine gewisse Doppelmoral lustig. Als Thanksgiving war, sprach niemand über die armen, toten Truthähne. Unser islamisches Opferfest wird allerdings oft kritisiert. Deshalb schrieben wir den Artikel: „Thanksgiving: Muslime protestieren gegen Truthahnmassenschlachtung“.
Was war der erfolgreichste Satire-Artikel?
Soufian: Der Text „Lindt bringt Dominosteine für Muslime raus“ lief sehr gut. Wir veränderten die Optik der Dominosteine ein wenig mit goldenem Rand und nannten sie „Kabaawürfelchen“.
Auszug aus dem Artikel: „Die traditionsreiche Schweizer Schokoladenfabrik Lindt hat für dieses Weihnachtsfest eine neue Kreation vorbereitet, um endlich auch gläubige Muslime als Käufer zu gewinnen, die sonst eher weniger Weihnachtsleckereien kaufen. So möchte man die Herzen der Kunden mit Dominosteinen aus dunkler Zartbitterschokolade mit einem feinen vergoldeten Zierrand erobern. Diese Nascherei ist angelehnt an die Optik des zentralen islamischen Heiligtums. Gemeint ist die Kaaba, ein würfelförmiges Gebäude im Zentrum der großen Moschee in Mekka, Saudi Arabien, in dessen Richtung Muslime weltweit täglich ihre Gebete richten. Es geht dabei aber nicht nur, um das Aussehen. Auch das Innere ist von Bedeutung. So wurden selbst bei den Inhaltsstoffen muslimische Bedürfnisse berücksichtigt. Diese schokoladigen Kabaawürfelchen sind völlig alkoholfrei und ohne jegliche Gelatine, damit auch jeder fromme Muslim zugreift. Auch findet sich im Kern eine Füllung aus Milchcreme und Honig. Beide Zutaten waren beim Propheten Muhammad äußerst beliebt.
Sami: Aber nicht nur Weihnachten ist ein gutes Fundbecken für satirische Themen. Wir freuen uns schon sehr auf den Fastenmonat Ramadan.
Verratet ihr uns schon etwas?
Sami: Jedes Jahr rätseln Muslime weltweit, wann der erste Tag im Ramadan ist. Da der islamische Kalender sich nach dem Mond richtet, gibt es keinen feststehenden Tag. Vor allem die Saudis wollen häufig eine Extrawurst. Deshalb haben wir einige Beiträge über die erfahrungsgemäß hitzige Mondsichtungsdebatte vorbereitet.
Was wünscht ihr Euch für Noktara?
Soufian: Mir ist wichtig, als Team Spaß und Freude am Projekt zu haben. Wir wollen Menschen zum Lachen bringen und Klischees niederreißen. Sami: Wir wollen über Themen schreiben, die alle Menschen zum Lachen bringen. Die Themen Flüchtlinge, Islam und Terror brauchen eindeutig mehr Satire.