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"Wir wollen zeigen, dass Schwarzsein und Deutschsein kein Widerspruch ist"

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Im Nürnberger Kunst-Kultur-Quartier eröffnet am 23. Januar die Ausstellung „Homestory Deutschland – Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart" über das Leben Afrodeutscher in den letzten 300 Jahren. Als Hauptorganisatorin hat Lydia Maria Taylor (32) die Wanderausstellung nach Franken geholt und ehrenamtlich neben ihrer Arbeit im Kulturbereich und ihrer Promotion in der anglistischen Literaturwissenschaft ein Jahr Arbeit in die Vorbereitungen gesteckt. Was die Ausstellung zeigt und warum sie mit nur wenigen Mitstreitern die Mühen auf sich genommen hat, erzählt sie im Interview.

jetzt.de: Lydia, du bist selbst eine junge Afrodeutsche. Welche „Homestory" kannst du denn erzählen? Welche Erfahrungen hast du mit dem Leben in Deutschland gemacht?
Lydia Maria Taylor: Ich bin eigentlich gar nicht in Deutschland geboren, aber von klein auf hier aufgewachsen. Die meiste Zeit meiner Kindheit und Jugend habe ich im mittelfränkischen Roßtal, etwa 15 Kilometer westlich von Nürnberg, verbracht. Deutsch ist meine Muttersprache, hier ist auch mein Zuhause. Trotzdem werde ich immer wieder gefragt, woher ich eigentlich komme, ob ich oft nach Amerika, also „nach Hause", fliege. Alles, weil ich einen afroamerikanischen Elternteil habe und mein Nachname amerikanisch klingt. Ich werde auch oft für mein gutes Deutsch gelobt, das sind aber dann meist ältere Menschen. Das sind aber ganz alltägliche Erfahrungen, die ich leider mit vielen Schwarzen Menschen in Deutschland teile.

Hast du auch schon direkte Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus erlebt?
Gott sei Dank nur sehr selten. Ich kenne aber einige Afrodeutsche, denen sowas schon passiert ist. Ich selber bin eigentlich sehr froh, dass ich mir im Laufe der Zeit einen Freundeskreis geschaffen habe, der sich aus verschiedenen Ethnien und Nationalitäten zusammensetzt. Ich habe gelernt, dass es nicht darauf ankommen sollte, woher ein Mensch kommt oder was von einem erwartet wird, sondern darauf, wie man seinen Mitmenschen begegnet.

Du bist die federführende Organisatorin der Ausstellung „Homestory Deutschland". Wie kam es eigentlich dazu, dass du die Wanderausstellung nach Nürnberg geholt hast?
Ursprünglich kam die Idee gar nicht von mir. Meine Bekannte Anne Chebu hatte sich zuerst dafür eingesetzt. Ich sollte mich anfänglich nur um einen geeigneten Raum für die Ausstellung kümmern. Als Anne dann aus beruflichen Gründen nach Hamburg ziehen musste, war natürlich die Frage, wie es weitergehen soll mit der „Homestory". Und da habe ich mich dann mit meinen Freunden Cedric Essi und Laila Hermann zusammengetan und wir haben beschlossen, das wirklich durchzuziehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Organisatoren der "Homestory" in Nürnberg: Lydia Taylor, Cedric Essi und Laila Hermann (v.l.n.r.).

Wart ihr wirklich nur zu dritt im Organisationsteam? Ist das nicht ein großer Aufwand so eine Ausstellung ehrenamtlich zu organisieren?
Anfänglich waren wir wirklich nur zu dritt, mittlerweile haben sich glücklicherweise noch vier Unterstützer gefunden. Wir haben auch viel Unterstützung aus der ISD (Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, Anm. der Red.), die ja die Ausstellung ursprünglich konzeptioniert hat, erhalten. Anstrengend war es aber wirklich im vergangenen Jahr, jeder von uns hat ja noch andere Jobs. Aber letztlich sind wir alle extrem stolz darauf, dass wir die Organisation der Ausstellung, der Räumlichkeiten und vor allem des abwechslungsreichen Rahmenprogramms erfolgreich geschultert haben!

Warum habt ihr diese ganzen Mühen auf euch genommen? Was erhofft ihr euch von der Ausstellung?
Als junge Afrodeutsche fällt mir immer wieder auf, dass wir in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Es gibt im öffentlichen Diskurs in Deutschland leider nur wenige Identifikationsfiguren für Schwarze Menschen, gerade auch im Hinblick auf die Geschichte. Und genau deshalb haben wir uns so dafür eingesetzt, die Ausstellung zu organisieren. Wir wollen zeigen, dass „Schwarzsein" und „Deutschsein" kein Widerspruch ist. Und dass wir als Afrodeutsche eine jahrhundertelange Geschichte haben, in der wir für uns selbst gesprochen haben und nicht nur Opfer von stereotypen Fremddarstellungen und negativen Zuschreibungen waren. Die „Homestory" als kollektives Selbstporträt bildet das wunderbar ab, finde ich. Daher waren wir auch bereit, soviel Zeit zu investieren.

Wie funktioniert denn die Ausstellung, wie zeigt sie dieses kollektive Selbstporträt über die Geschichte mehrerer Jahrhunderte hinweg?
Kernstück der „Homestory" ist die sogenannte „Wall of Fame". Sie zeigt die Porträts und Biographien von 27 schwarzen Deutschen, aber nicht in chronologischer Reihenfolge. Das erste Porträt ist das des späteren Philosophen und Juristen Anton Wilhelm Amo, der um 1710 als Sklave an den Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel verschenkt wurde. Die Wandmodule mit den Porträts sind drehbar und nur durch Interaktion kann sich der Besucher die biographischen Informationen erschließen. Auch eine Feedback-Box ist in die Wall integriert. So entsteht durch die Beteiligung der Betrachter ein sich stets wandelndes Kaleidoskop afrodeutscher Geschichte. Ergänzt wird das Kernstück durch ein Video- und ein Literaturmodul.

Bei einem Blick in den Programmflyer entdeckt man auch viele Vorträge, Filmscreenings, und künstlerische Performances. Inwiefern spielen die in euer Konzept mit hinein?
Das Begleitprogramm soll der Ausstellung zusätzlich Leben einhauchen. Wissenschaftliche Vorträge, Theater- und Spoken-Word-Performances und vieles mehr werfen noch einmal ganz unterschiedliche Blickwinkel auf die afrodeutsche Erfahrungswelt. Wenn beispielsweise Label Noir, die einzige komplett afrodeutsche Theatergruppe Deutschlands, in ihrem Stück „Heimat, bittersüße Heimat" mit viel Ironie, aber auch bitterem Ernst, alltägliche Erfahrungen schwarzer Menschen in Deutschland auf die Bühne bringt, dann ist das auch autobiographisch geformte Kommunikation mit dem Publikum. Sowas bereichert die Ausstellung unserer Meinung nach enorm, deshalb haben wir uns so viel Mühe mit dem Begleitprogramm gegeben.

Welche der 27 Biographien findest du denn persönlich am interessantesten, welche berührt dich am meisten und ist die größte Inspiration für dich?
Hm, das ist eine echt schwierige Frage. Ich finde alle 27 Biografien eindrucksvoll. Müsste ich aber eine wählen, wäre das wahrscheinlich die von May Ayim. Sie war Logopädin, Schriftstellerin, Wissenschaftlerin und eine unglaublich engagierte Kämpferin gegen rassistische Diskriminierung. Sie gehörte übrigens zu den Mitbegründerinnen der ISD. Nach ihr ist seit 2004 der erste afrodeutsche Literaturpreis benannt, seit 2010 heißt das Groebenufer in Berlin-Kreuzberg May-Ayim-Ufer. Ein später Sieg der 1996 verstorbenen bekennenden Antirassistin gegen eine Persönlichkeit der deutschen Kolonialgeschichte in Afrika.

Was wünschst du dir für ein zukünftiges Deutschland?
Ich wünsche mir vor allem, dass im Land sehr bald nicht mehr nur über ein multikulturelles Zusammenleben diskutiert wird, sondern es einfach irgendwann zur gelebten Realität wird. Wenn Ausstellungen wie die „Homestory Deutschland" dazu beitragen können, dann hat sich die Mühe aller Beteiligten auf jeden Fall gelohnt und wir können alle noch ein bisschen stolzer auf uns sein, als wir es jetzt schon sind.

Die Ausstellung „Homestory Deutschland – Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart" ist in Nürnberg vom 23. Januar bis 24. Februar im Künstlerhaus/KunstKulturQuartier zu sehen, jeweils Di. und Do.-So., 10-18 Uhr und Mi., 10-20 Uhr. Die Theateraufführung von Label Noir findet am 9. Februar um 19 Uhr statt. Weitere Infos zur Ausstellung und dem Begleitprogramm unter www.homestory-deutschland.de.



Text: johannes-barthel - Foto: Autor

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