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"Wir wollen nicht nur Deutschland"
jetzt.de: Im ersten Song auf eurem Album heißt es: "We have to stick together – monsters forever!" Was steckt hinter diesem Ausruf?
Filou: Es geht hier um die Gedankenwelt von Abby. Genauer gesagt handelt der Song vom Krieg der Gedanken. Vom Schwanken zwischen negativen und positiven Gedanken, das jeder von uns kennt. Jeder von uns ufert gedanklich manchmal aus.
Kannst du dafür ein Beispiel nennen?
Man kennt ja diese Momente, wenn man sich abends ins Bett legt und nicht schlafen kann, weil einen bestimmte Gedanken nicht loslassen. Dabei gehören positive und negative Gefühle genauso sehr zusammen wie Freunde und Feinde. Und "We have to stick together – monsters forever" sagt nun aus, dass all unsere Gedanken eben für immer bleiben. Dass wir mit ihnen klarkommen müssen.
Ich dachte, die Textzeile wäre eine Art Hommage an die Band: Ihr seid die Monster und wollt für immer zusammen bleiben.
Wenn du das so sehen möchtest – sehr gerne! Wir wollen ja auch für immer zusammenbleiben. Wir sind sehr enge Freunde, wohnen teils auch zusammen, sind eine Familie. Wir werden einander nicht müde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Gute Songs müssen transparent sein, sagt Abby-Sänger Filou (2. v. l.)
Wann habt ihr gemerkt, dass das mit der Band vielleicht was für immer ist?
Jeder Band geht es am Anfang wohl so, dass sie glaubt, dass es für immer ist. Auch wir, von der ersten Sekunde an. Man lernt einander immer besser kennen, auch alle Macken der anderen, und wenn man merkt, dass man mit all dem leben kann und das sogar sehr gut, wenn man vor allem viel zusammen lachen kann, dann kommt der Moment, in dem man denkt: Warum sollte diese Band zeitlich limitiert sein? Während der Arbeit am Album ist das Gefühl sogar noch stärker geworden. Das Schreiben und Aufnehmen, teilweise unter erschwerten Bedingungen, haben gezeigt, dass es zwischen uns einfach passt.
Was meinst du mit erschwerten Bedingungen?
Zum Beispiel haben wir während der Aufnahmen sieben Wochen lang zusammen in einem Zimmer in London gehaust, in dem immer nur zwei von uns ein Bett hatten. Die anderen haben auf dem Boden geschlafen. Wenn man das zusammen schafft, ist vieles machbar. Ich meine, klar, es kann sein, dass in einigen Jahren mal einer von uns sagen wird: "Jungs, es war eine schöne Zeit, aber so eng wie bisher muss es für mich nicht mehr sein." Aber an so etwas denken wir gerade gar nicht.
Gibt es Bandregeln, die das enge Zusammensein erleichtern?
Es gibt unausgesprochene Regeln. Wir schießen uns zum Beispiel nicht gegenseitig an, lassen keinen Frust an den anderen ab.
Was passiert denn, wenn jemand mal frustriert ist?
Dann sagt ein anderer: Nimm dir die Zeit, geh' mal nach Hause, alles ist cool. Wir sind da sehr zuvorkommend.
Und wie sieht es mit gemeinsamen Zielen aus? Geld, Mädchen, Stadien – seid ihr euch da auch so einig?
(Lacht.) Unsere gemeinsamen Ziele waren anfänglich viel banaler. Unser erstes Ziel war schlichtweg, zusammen Musik zu machen. Es also hinzubekommen, etwas zu Papier zu bringen, zu spielen und aufzunehmen. Und natürlich unsere Freundschaft. Die stand immer über allem.
http://www.youtube.com/watch?v=91IHqo7kKrw Abby - Streets.
Nie irgendwas Größeres vorgehabt? Keine Rockstarträume?
Natürlich hatten und haben wir auch Träume, sollte man ja auch haben. Aber wir waren nie versteift darauf.
Was sind das denn für Träume?
Das soll jetzt nicht größenwahnsinnig klingen, aber wir haben zum Beispiel von Anfang an gesagt: Wir wollen nicht nur Deutschland. Nichts gegen Deutschland, Deutschland ist super, aber wir wollen eben auch nach Frankreich, nach England und auch mal in die USA.
Also doch hoch hinaus.
Naja, wir wollen ja nicht irgendwann wie die Kings Of Leon sein. Wir haben eher Etappenziele.
Was ist das aktuelle Etappenziel?
Dass das Album gut läuft, und das nicht nur in der Industrie. Wenn es irgendwie geht, würden wir unsere Tour nach den Festivals gerne ausverkaufen. Es muss nicht alles ausverkauft sein, aber wenn wir merken, dass die Clubs voll werden, haben wir das Etappenziel erreicht.
Und danach?
Danach wollen wir das zweite Album aufnehmen, auch mal die größeren Festivals spielen und wenn möglich auf den Märkten der anderen Länder erste Schritte gehen.
Woher glaubst du kommt der internationale Ansatz der Band?
Wir haben Musik immer schon global und nicht länderspezifisch betrachtet. Und dann möchte man natürlich auch selbst mal in anderen Ländern spielen. Uns reizen auch die Reisen an sich. Ich wäre ohne Abby zum Beispiel noch nie in Island gewesen. Man kann mit einer Band viel erleben, wenn man will und zielstrebig bleibt.
http://www.youtube.com/watch?v=YRm-cUljsog Schon länger her, dafür mit sagenhaftem Cello-Solo zum Schluss: Abby live in Berlin.
Ein global relevanter Sound wird euch bereits von einigen Seiten attestiert. War die musikalische Stilfindung ein langer Prozess?
Wir sind noch mittendrin. Dieses Album und dieser Sound sind für uns kein Anlass, auf dem nächsten Album noch mal genauso klingen zu wollen. Wir streben auch nicht nach dem Hit, sondern eher nach der Überraschung. Bis zum nächsten Album wollen wir unsere Fähigkeiten noch erweitern. Das muss nicht heißen, dass es dann komplizierter klingt, sondern vielleicht nur, dass der emotionale Zugang noch deutlicher wird. Dass sich also der emotionale Grundcharakter der Band noch mehr herauskristallisiert.
Wie schafft man das?
Indem man versucht zu erkennen, was wichtig und was weniger wichtig ist. Was die Emotionen für Außenstehende vielleicht noch verschleiert, und was sie transparenter machen könnte. Es gilt grundsätzlich, Transparenz zu schaffen.
Gibt’s in Sachen Transparenz musikalische Vorbilder?
Zum Beispiel Radiohead. Wir sind anders als Radiohead, würden niemals solche Musik machen wollen, wie die. Aber deren Ansatz, Musik zu machen, finde ich extrem spannend. Genau wie den von Phoenix.
Findest du diesen Ansatz auch bei deutschen Bands?
Ja, unter anderem bei Sizarr. Ich bin gespannt, wie die auf ihrem zweiten Album klingen werden. Und natürlich bei Brandt Brauer Frick - in meinen Augen einer der derzeit kreativsten deutschen Acts. Allgemein ist es aber leider so, dass viele deutsche Bands, die etwas in sich tragen, viel zu schnell in der Versenkung verschwinden.
Was denkst du - warum ist das so?
Weil Langfristigkeit auf dem deutschen Musikmarkt leider immer noch zweitrangig ist. Das sieht man an der Art, wie Labels arbeiten, teils aber auch daran, wie Künstler ihre Alben aufnehmen. Auch daran, wie viele Künstler ihre Alben von anderen schreiben lassen und nur noch Interpreten sind. Das ist langweilig. Es gibt deutsche Platten, über die wir uns wirklich ärgern.
Als ihr in England wart, habt ihr dort eine andere Musiklandschaft kennen gelernt?
Man neigt ja dazu, alles, was von dort kommt, irgendwie zu glorifizieren. Aber wenn man in England mal Musik im Radio oder Fernsehen verfolgt, muss man leider sagen: Das ist fast noch schlimmer als in Deutschland. Die obere Popschicht ist kaum auszuhalten.
Was ist dort trotzdem besser als hier?
Was die Briten sich nie haben nehmen lassen, ist ihre Bandkultur. Das ist ein großer Unterschied. Bei uns ist die Bandkultur ja noch sehr jung.
Was macht dir musikalisch denn mehr Spaß: London oder Berlin?
Berlin, um ganz offen zu sein. Denn dort ist wiederum die Clubkultur unschlagbar. Allein das Preisleistungsverhältnis ist unvergleichbar.
Und wo klingen Abby am besten?
Draußen. Ich war bisher bei zwei Konzerten in der Berliner Waldbühne, tatsächlich bei Radiohead. Eine der schönsten Locations, die ich kenne. Es wäre riesig, dort mal auftreten zu dürfen.
"Friends & Enemies" von Abby erscheint diesen Freitag.