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„Wir wollen mehr Freiheit für französische Künstler!“

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jetzt.de: Eure Songs klingen so schön unaufgeräumt und experimentell, dass man glauben möchte, ihr hättet im Studio einfach drauf los gespielt und alles aufgenommen. Steckt trotzdem ein Plan hinter eurem Songwriting? Olivia: Es war nicht nur ein Wochenende. Dan und ich haben vor viereinhalb Jahren angefangen, miteinander zu arbeiten. Um Soundtracks für Filme zu machen. Wir waren so oft im Studio, dass wir von der Außenwelt manchmal gar nichts mehr mitbekommen haben. Wir haben da drin uns selbst und den anderen entdeckt, aber erst, als wir dann eigene Songs aufnahmen. Dabei brauchten wir nicht viel denken, wir mussten ja nicht wie bei den Soundtracks die Regeln anderer befolgen. Probt ihr oft? Dan: Wir dachten am Anfang ja nicht, das die Sonne für unsere Musik sofort aufgehen würde. Bei uns ist ganz viel Disziplin mit im Spiel, wir müssen jeden Tag hart arbeiten. Wir ruhen uns nie aus, wollen ständig Neues ausprobieren. Und wenn’s am Ende nicht gut klingt – egal. Es ist doch so: Wenn du ein tolles Auto in deiner Garage stehen hast, musst du damit auch regelmäßig raus auf die Straße, damit der Motor nicht einrostet. Olivia: Für uns ging alles sehr, sehr schnell. Unser Album war noch nicht mal fertig, als wir anfingen, live zu spielen. Normalerweise treten Bands ja erstmal eine Zeitlang auf und machen danach Aufnahmen. Bei uns war es umgedreht – wir haben den zweiten vor den ersten Schritt gesetzt. Dan: Auf einmal waren wir in den Charts, spielten riesige Festivals und ausverkaufte Konzerte. Obwohl wir uns auf der Bühne noch wie Kinder fühlten, und wir da oben wirklich nicht gut waren. Das ist er, der Hit: "On My Shoulders":

Ihr singt auf Englisch und habt sogar mal gesagt, ihr würdet nicht mal darüber nachdenken, französische Texte zu schreiben. Olivia: Ich habe meine Songs schon immer auf Englisch geschrieben. Das ist die Sprache, die ich für die Musik benutze. Wir hören beide auch kaum französische Musik. Ich kenne nicht mal eine französische Indieszene, so was existiert ja gar nicht. In Frankreich verdient man hauptsächlich Geld mit französischen Texten, deswegen waren wir auch so überrascht, als unser Album direkt nach der Veröffentlichung in Frankreich auf Platz Eins in den Charts stand. Dan: Das erste Mal überhaupt landete ein englischsprachiges Album so hoch oben in den französischen Charts. Und auf einmal versuchten das auch andere Bands, weil sie gesehen haben: Es kann funktionieren. Olivia: Ich sehe das als großen Erfolg. Jetzt können französische Sänger hoffen, auch mit englischsprachigen Songs voranzukommen. Auf gewisse Weise müsstet ihr euch doch freuen, dass es momentan noch keine große französische Indieszene gibt. Dadurch steht ihr als einer von wenigen erfolgreichen Acts noch mehr im Rampenlicht. Olivia: Wir wünschen uns auf jeden Fall, dass es bald mehr Bands wie uns in Frankreich gibt. Lasst uns wachsen! Wir wollen mehr Freiheit für französische Künstler! Dan: Es ist traurig zu sehen, dass viele professionelle Musiker in Frankreich keinen Erfolg haben, nur weil sie nicht das machen, was ihnen Plattenfirmen erzählen. Wenn dann aber total verrückte Songs wie unser „Playground Hustle“ super ankommen, obwohl man uns davon abgeraten hat, ist das umso cooler. Wenn Plattenfirmen zugeben müssen: „Oh, wir haben uns geirrt.“ Großartig! Wir wollen uns nicht reinreden lassen. Deswegen haben wir auch alles am Album selbst gemacht. Wir haben sogar die Coverfotografen selbst bezahlt und uns fürs Video zur Single zwei Kameras ausgeliehen. Ihr habt durch superbunte Bühnenoutfits, schrille Performances und natürlich Olivias Stimme einen sehr eigenen Bandcharakter geschaffen. Und während Auftritten wirkt ihr wie Kids auf Abenteuersuche. Wie wichtig ist euch ein bestimmtes Bandimage? Olivia: Man muss sich selbst als Bühnenfigur erstmal kennen lernen, das dauert eine Weile. Ganz am Anfang waren wir so hilflos auf der Bühne und sind aus Nervosität in so einen Bewegungsdrang geflüchtet. Irgendwann haben wir einfach losgelassen und Spaß gehabt. Dan: Wir sind einfach gut drauf, weil wir das hier alles machen können. Wenn wir auf Konzerten vom Publikum mit einem lauten „wow!“ begrüßt werden, schreien wir doch auch „wow!“ zurück! Bei einem Festival habe ich mal Albert Hammond, Jr. von den Strokes beobachtet, wie er auf der Bühne irgendwann seine Gitarre weggelegt hat und gegangen ist. Er wollte einfach nicht mehr spielen. Armer Junge. Olivia: Wir wollen nicht alles so ernst nehmen. Klar, manchmal ist es nicht einfach. Es gibt Gigs, bei denen wir mit dem Publikum nicht zusammen kommen, das ist dann schon hart. Dan: Zum Beispiel, als wir mal vor Radiohead gespielt haben. Bei denen sieht das ja so aus, dass da ältere Leute in Publikum stehen, ganz ruhig und mit verschränkten Armen. Die wollen sich gar nicht bewegen. Das war ganz schön komisch für uns, wir waren schließlich schon nervös genug. Vielleicht tragen wir in drei Jahren ja auch dunkle Klamotten auf der Bühne und wollen schlau aussehen. Aber heute noch nicht. Wir können gerade gar nicht anders, als glücklich aussehen. Viele kennen euch durch den Single-Hit „On My Shoulders“. Ist euch das Stück wegen seines Erfolges auch am wichtigsten? Olivia: Es ist definitiv unser lucky song. Aber ganz ehrlich: Wir selbst waren nicht ganz zufrieden damit, dass „On My Shoulders“ die erste Single des Albums wurde. Weil es das Album als Ganzes nicht wirklich widerspiegeln kann. Es wurde die Single, weil es für einen Werbespot benutzt wurde, und die Leute es dadurch schon kannten. Es hätte auch „The Bridge Is Broken“ oder „Playground Hustle“ werden können. „Playground Hustle“ repräsentiert unsere Musik am besten. Dan: Es ist auch wirklich eine Freude, „Playground Hustle“ live zu spielen. „On My Shoulders“ spielen wir nicht mehr gerne live. Auf manchen Festivals kommen die Leute nur, um diesen Song zu sehen, der Rest ist ihnen egal. Olivia: Eigentlich sollte es für uns der einfachste Song zum Livespielen sein. Ist es aber nicht. Dan: Aber letzte Woche saß ich im Auto, und „On My Shoulders“ lief im Radio. Da habe ich mal ganz bewusst hingehört. Und: Es ist ein guter Song! Gute Autofahrermusik. Es ist ein Popsong ohne Popsongstrukturen. Die Drums sind bizarr, die Sounds drum herum und die Stimme auch. Ich saß im Auto und war glücklich.

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Text: erik-brandt-hoege - Fotos: André Gabb

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