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"Wir werden uns bis zum Letzten wehren!"

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Feroz hat in Deutschland studiert und kehrte im Frühjahr zurück in seine Heimat. Er arbeitete dort unter anderem als Übersetzer für die NATO. Für die Fanatiker der Taliban wird er dadurch nun zu einem Ziel.

jetzt.de: Feroz, wie hast Du die Eroberung von Kundus durch die Taliban erlebt?
Feroz: Sehr nahe. Ich wollte eigentlich am Montag nach Kabul fahren, da kommt man an Kundus vorbei. Um halb sechs Uhr morgens gab es vor Kundus Straßensperren. Die Polizisten haben mir gesagt, dass die Taliban Kundus angegriffen haben. Ich bin dann zurück nach Hause gefahren. Im Laufe des Tages kamen immer mehr Flüchtlinge an, die uns erzählt haben, dass die Stadt Kundus jetzt von den Taliban erobert wurde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

 
Kam das überraschend?
Total. Wir wussten, dass in der Nähe Taliban stationiert waren. Aber niemand hat damit gerechnet, dass sie hier wieder so stark sind, dass sie die Stadt erobern können.

Unter den Flüchtlingen aus Kundus waren auch Mitglieder Deiner Familie...
Ja, im Moment leben im Haus meiner Eltern 30 Leute.

Was haben die erzählt?
Nach der Eroberung haben die Taliban die Häuser gezielt nach Leuten durchsucht, die im Staatsdienst sind oder für internationale Organisationen arbeiten oder gearbeitet haben. Die wurden dann mitgenommen, was mit ihnen geschehen ist, mag man sich nicht vorstellen. Es wurden auch viele andere verhaftet, vor allem junge Männer, die von den Taliban als „Spione“ bezeichnet wurden. Auch Gebäude und Fahrzeuge von internationalen Organisationen wie der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) haben sie beschlagnahmt. Aber eigentlich war es nach den Kämpfen schnell wieder ruhig. Die meisten Menschen sind einfach zu Hause geblieben.

Wie ist Deinen Verwandten die Flucht gelungen?
Die haben sich einfach ins Auto gesetzt und sind los gefahren. Es gab einige Checkpoints, aber weil sie viele Frauen und Kinder dabei hatten und wohl auch weil sie Paschtu sprechen, den bevorzugten Dialekt der Taliban, kamen sie durch. Sie hatten auch Glück, dass sie am Dienstag gefahren sind, am Mittwoch kam niemand mehr aus der Stadt raus.

Gerade halten die Kämpfe zwischen der afghanische Armee und den Taliban an, es scheint, dass die Armee die Stadt zurückerobern kann. Werden Deine Verwandten dann zurückkehren?
Natürlich, das ist ja deren Zuhause. Das mag zynisch klingen, aber für uns in Afghanistan ist das nicht so ungewöhnlich. Wir sind schließlich alle damit aufgewachsen, dass ständig Krieg ist.

Was bedeutet es für Dich, dass die Taliban wieder so stark sind?
Das ist schlimm, war aber zu erwarten nachdem ein Großteil der westlichen Truppen das Land verlassen hat. Auch wenn sie die Kontrolle über Kundus verlieren sollten, haben sie doch viele Waffen und Panzer erbeutet. Schwächer werden sie also nicht. Auch in meiner Provinz Takhar gibt es immer wieder Berichte, dass Orte von den Taliban kontrolliert werden oder kurz davor stehen. Aber eines ist klar: Wir wollen die Taliban nicht, wir hassen sie. Und wir werden uns bis zum Letzten gegen sie wehren.

Text: constantin-wißmann - Foto: Joël van Houldt

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