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Wir müssen reden. Über Nazis. Markus Kavka spricht zum Start des Projekts Störungsmelder

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Was genau steckt hinter dem Störungsmelder? Wir wollen uns gezielt an junge Menschen im Alter von 13 bis 18 wenden, um zu verhindern, dass sie in die Fänge von Neonazis geraten. Es ist mittlerweile so, dass in kleineren Ortschaften in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg die Neonazis schon vollständig integriert sind. Man kann da sicher nicht alle Orte über einen Kamm scheren, aber in einigen Städten sind die Nazis vor Ort unter dem Deckmantel, etwas Gutes zu tun, so aktiv, dass sie die Jugend völlig einnehmen. Da werden dann Konzerte organisiert und Bürgerbüros eingerichtet oder sie besitzen Fahrschulen, Drogerien, geben Nachhilfe und so weiter. Dadurch haben sie natürlich direkten Einfluss auf die Jugendlichen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Foto: Martin Langhorst / markus-kavka.de Und da will der Störungsmelder eingreifen? Genau dort wollen wir hingehen und mit den jungen Menschen reden. Allerdings schauen wir dort nicht einmal vorbei, plaudern ein bisschen und das war’s. Wir wollen da eine Nachhaltigkeit reinbringen. Das heißt, wir werden jetzt erstmal an Schulen gehen und dort Workshops und Diskussionen veranstalten und jeder von uns übernimmt eine Patenschaft für eine Schule. Wie gestaltet sich dann so eine Patenschaft? Aufgabe eines Paten ist es, regelmäßig vor Ort zu sein, die Schüler immer wieder an die Aktion zu erinnern und auch in der Zwischenzeit ständig mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Parallel dazu ist der Pate immer auf dem neuesten Stand, was die Nazis vor Ort treiben und versucht deren Aktionen zu kontern. Wir wollen mit unserer ständigen Präsenz den Nazis die Stirn bieten und die Schüler aufklären, wie sie sich wehren können. Nach welchen Kriterien habt ihr die Schulen ausgesucht? Wir starten im Dezember mit einer Schule in Brandenburg, das ist das Puschkin-Gymnasium in Hennigsdorf. Die haben sich an GesichtZeigen gewandt, das ist eine Initiative, die sich auch gegen rechte Gewalt engagiert. Danach werden wir uns weiter an Orte richten, die stark von dieser Problematik betroffen sind und dort an Schulen nachfragen, ob wir vorbeikommen können. Wir hoffen natürlich auch, dass die Schulen, nachdem die Aktion gestartet ist, auf uns zu kommen. In der letzten Zeit hat der Bund immer wieder die Mittel gegen rechte Gewalt gekürzt und da ihr eine ehrenamtliche Organisation seid, stellt sich für euch doch auch sicher das Problem der Finanzierung. Wir finanzieren uns vollständig selbst. Unser Startgeld haben wir von einer Tombolaveranstaltung, der Agentur We Do, die uns begleitet. Da kamen vielleicht tausend Euro zusammen, also ein relativ geringer Betrag für das, was wir vorhaben. Aber das ist ein Anfang. Wir sind natürlich auf Spenden von außen angewiesen, aber davon steht und fällt unsere Idee nicht. Im Moment finanzieren wir unsere Schulaktionen privat. Wieso hast du dich entschieden, diese Aktion so stark zu unterstützen? Ich bekomme immer wieder Anfragen für Charity-Aktionen und da ist es natürlich ein ausschlaggebendes Kriterium, ob ich persönlich davon betroffen bin und wirklich etwas beitragen kann. Ich bin niemand, der einfach nur sein Gesicht hinhalten will und fertig. Mit dem, was den Störungsmelder ausmacht, kann ich mich identifizieren. Ich habe nie einen Hehl aus meiner politischen Meinung gemacht und bin dadurch immer in meinem Leben auf direkte Konfrontation mit den Neonazis gegangen. Erzähl mal genauer. Am heftigsten war die Zeit als ich neu nach Nürnberg gekommen bin, um dort zu studieren. In der Ecke Nürnberg - Schwabach – Fürth gab es eine ziemlich gut organisierte Skin-Szene und regelmäßig jedes Wochenende gab es dort, nachdem die Disko zugemacht hat, Treibjagden durch Schwabach. Die Nazis haben vor der Tür gewartet bis wir den Laden verlassen haben, natürlich mit der Absicht uns mal richtig schön zu vermöbeln. Leider ist ihnen das auch immer wieder gelungen. Man war also diesem Terror ständig ausgesetzt. Somit bin ich in diesem Konflikt schon ziemlich lange zuhause und letztes Jahr hatte ich dann ein besonderes Schlüsselerlebnis. Ich bin mit dem Auto spätnachts von München nach Berlin gefahren und irgendwo in Brandenburg war mein Tank leer. Ich bin dann die nächste Tankstellenausfahrt rausgefahren und bemerkte erst als ich ausgestiegen bin, dass auf dem Parkplatz einige Glatzen rumlungern. Erst hab ich noch kurz überlegt, ob ich einfach weiter fahre, aber der Tank war wirklich total leer und die nächste Tankstelle 70 Kilometer entfernt. Mir ist also nichts anderes übrig geblieben, als dort zu tanken und zu hoffen, dass es keinen Ärger gibt. Dann ist allerdings etwas sehr Merkwürdiges passiert. Die Gruppe kam grölend auf mich zu und als sie im Licht standen, war mir schnell klar, dass das keine Modeskins sind, sondern die das volle Lametta auf ihren Jacken haben. Ich hab mich innerlich drauf eingestellt, dass es jetzt gleich richtig Stress gibt, aber genau das Gegenteil ist passiert. Einer meinte, „Du bist doch der Kavka von MTV, gib uns mal ein Autogramm!“. Und, wie hast du reagiert? Der erste Impuls war natürlich zu sagen, „Haut ab, von mir kriegt ihr kein Autogramm!“, aber dann hat’s bei mir Klick gemacht. Obwohl man, wenn man sich ein bisschen mit mir beschäftigt, weiß, dass ich mich immer gegen rechts engagiert habe, tritt das scheinbar in dieser Situation hinter meiner Prominenz zurück und es war in erster Linie wichtig, dass sie ein Autogramm wollten, vollkommen ungeachtet meiner politischen Einstellung. Natürlich hatte ich in dieser Situation auch keine Lust, um 1 Uhr nachts an der Zapfsäule eine politische Diskussion anzuzetteln. Was hängen geblieben ist, ist die bloße Tatsache, dass meine Prominenz ein Türöffner sein kann. Ich hätte theoretisch mit denen ins Gespräch kommen können, auch wenn es in der speziellen Situation fruchtlos gewesen wäre. Nichtsdestotrotz hat mir das klar gemacht, dass ich andere Möglichkeiten habe als beispielsweise ein Jugendbetreuer in der brandenburgischen Provinz. Wenn ich mich jetzt also hinstelle und den Jugendlichen dort etwas erzähle und sie mir in dem Moment vielleicht einfach nur zuhören, weil ich prominent bin, ist damit auf jeden Fall etwas gewonnen. Das ist der grundsätzliche Ansatz dieser Kampagne, dass man den Prominentenstatus vorschickt, um Jugendliche dazu zu bringen, aufmerksam zu werden. Bekommt ihr Unterstützung aus politischen Reihen? Wir haben keinen expliziten Parteienkontakt, noch dazu ist es ja so, dass sich die großen Bürgerparteien aus diesen Krisenherden vollständig zurückgezogen haben. In manchen Ortschaften hat einfach die NPD das Sagen. Auch wenn es vereinzelt kleine Grüppchen der Antifa gibt, können die sich natürlich nur schwerlich behaupten. Wir wollen uns auch gar nicht konkret an eine Partei ketten, weil man da Gefahr läuft instrumentalisiert zu werden. Wir freuen uns allerdings sehr darüber, dass uns die Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt. Wer engagiert sich denn mit dir für den Störungsmelder? Unsere Initiative stellt sich zusammen aus Menschen, die natürlich speziell für die Zielgruppe interessant sind. Zum Beispiel Klaas Heufer-Umlauf von Viva ist mit dabei sowie Ole Tillmann und Nina Gnädig. Ganz neu im Boot ist Thomas Hitzlsperger vom VfB Stuttgart. Darüber freuen wir uns sehr, da wir mit ihm auch einen ganz besonderen Teil unserer Zielgruppe erreichen. Je mehr mitmachen, um so besser ist das natürlich für die nachhaltige Wirkung. Ab heute wird es dann projektbegleitend ein Blog geben, wo man nachlesen kann, wo wir Veranstaltungen machen, wie diese angekommen sind und was weiter passiert. Außerdem werden sich Leute wie Patrick Gensing vom NPD-Blog und Sophia Oppermann von GesichtZeigen immer wieder zu Wort melden und die Entwicklungen dokumentieren. Gleichzeit ist das Blog eine Plattform für die Schüler, um sich über ihre Erlebnisse mit rechter Gewalt auszutauschen. Damit hoffen wir, ein möglichst großes Publikum dazu zu bringen, sich nicht der Problematik zu fügen, sondern der rechten Gewalt die Stirn zu bieten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mehr über das Projekt, das auch von jetzt.de unterstützt wird, gibt es online unter Stoerungsmelder.org

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