- • Startseite
- • Interview
-
•
"Wir machen keinen Auf-die-Fresse-Dance-Electro": Ampl:tude. Im Gespräch
In eurem neuen Video spielen Kuscheltiere die Hauptrollen und auch auf der Bühne sind ständig welche mit dabei. Was soll das eigentlich? Phil: Der Igel muss doch orgeln. Matthi: Die sind eben schön. Johannes: Man sollte meinen, wir seien aus dem Alter raus, aber die haben sich so eingeschlichen, als Conrad zur Band kam. Geschenkt kriegen wir aber noch keine. Mit diesen Kuscheltieren könnte man fast meinen, ihr wärt eine klassische Boyband ... Matthi: Jochen hat mal einen Liebesbrief bekommen! Allerdings nicht bei einem Konzert von uns. Johannes: Und wenn bei uns Mädchen schreien, dann ist es eigentlich immer nur die Freundin von Matthi, die ruft, dass sein Möhren-Curry noch vor sich hin kocht. Matthi: Ey, ich koche selten mit Curry!
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In einer Review der de:bug heißt es, ihr wärt eine dieser Kumpelbands, die gemeinsam in der WG sitzen, Pizza bestellen und ein bisschen Musik machen... Conrad: Wir wohnen nicht zusammen. Aber ja, unten bei mir im Haus ist eine Pizzeria und ich esse da gezwungenermaßen fast jeden Tag. Jo: Häufig sind wir trotzdem im gleichen Wohnzimmer und dann stehen da Instrumente und dann machen wir Musik damit. Ist das schlimm? Aber ja, wir sind Freunde und Geschwister.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Phil. Ist es wichtig für die Musik, dass man ein Stück gemeinsame Vergangenheit hat? Das Album ist ja auch wieder Karl gewidmet. (Karl war Gründungsmitglied der Band und kam 2003 bei einem Verkehrsunfall ums Leben; Anm. d. Autorin) Matthi: Jedes Album ist Karl gewidmet, weil Ampl:tude durch Karl entstanden ist und das alles auch einfach weitergehen musste. Die gemeinsame Vergangenheit ist insofern wichtig, weil wir wissen, dass wir uns eben auch außerhalb der Band verstehen und uns auch mal anmeckern können. Wir kennen uns eben schon lange. Phil: Aber die gemeinsame Zukunft ist ja auch wichtig! Das möchte ich mal betonen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Matthi. Was sagen denn eure Eltern zu eurer Musik? Matthi: „Hey schön, wäre ja noch besser, wenn du mal langsam studieren würdest. Aber schön, dass du auch Musik machst!“ Phil: Das Einzige, was immer kommt, ist: „Sing doch mal!“ oder „Holt euch doch mal eine Frau ran, die für euch singt!“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Jo. In dieser besagten de:bug-Review wird auch gefragt, ob ihr nicht endlich mal Musik zu den aktuellen Widersprüchen machen könnt und zu dem, was gerade da draußen passiert. Inwiefern seid ihr mit eurer Instrumentalmusik politisch? Matthi: Ein bisschen liegt das auf der Hand, glaube ich. Ich nenne das Neo-Dadaismus. Und das ist quasi das Spiegelbild einer Welt, in der einfach nur Rotz passiert und viele Sachen keinen Sinn ergeben. Und das können wir eben auch ausdrücken. Ich hör ja auch gern mal Musik, wo wirklich politische Ansagen vor den Liedern geäußert werden und erklärt wird, wogegen sich das nächste Lied eben richtet. Aber das ist irgendwie nicht mein Mittel zur Äußerung. Johannes: Ich finde, dass die meisten musikalisch-politischen Äußerungen echt platt sind. Deswegen mag ich auch die Toten Hosen nicht. Ich muss mich da nicht hinstellen und das rausbrüllen. Wir machen mit Absicht instrumentale Musik und das ist auch eine Äußerung. Seidenmatt haben mal gesagt, dass sie instrumentale Musik machen, weil sie bei all dem, was passiert, nur verstummen können.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Conrad. Also ist Ampl:tude nicht nur so ein Spaßding ... Phil: Jo hat es auch mal „ernst gemeinten Spaß“ genannt. Und diese Bezeichnung finde ich sehr richtig. Wenn ich mich politisch äußern will, schreibe ich vielleicht ein Theaterstück, aber ich mache eben keine Musik. Das sind für mich zwei völlig unterschiedliche Welten. Ich kann keine Musik machen, in der ich meine politische Meinung explizit verarbeite. Conrad: Ich würde ja schon gern mit meiner Musik konkret auf Sachen reagieren, die da draußen passieren. Aber ich finde es unglaublich schwierig. Phil: Wir sind schon auch leicht melancholisch im Abklang. Aber es ist ja nicht so, dass einem das Lachen im Halse stecken bleiben würde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Beim Rausgehen. Drückt sich der ernsthafte Spaß auch in den Songtiteln aus? Wie kommt man auf Namen wie „Onkel Uhu ist krank“? Phil: Das stammt aus der einen Geschichte mit Herrn Fuchs und Frau Elster. Jo: Einen Namen hat uns aber auch die taz beschert. Ich lese die immer auf dem Weg zur Uni. Ich schlug sie eines Morgens auf und da stand: „Das gute alte Gedöns“. Das ist jetzt der vierte Track auf der Platte. Sonst hat derjenige, der mit der Grundidee für einen Song kommt, meistens schon einen Arbeitstitel. Matthi: Wir haben ja auch nicht nur Quatschtitel. „Meine geliebte goldene Uhr“ bezieht sich zum Beispiel auf Altenberg, der sehr schöne Kurzgeschichten geschrieben hat.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Bei Live-Auftritten drückt ihr Knöpfe, dreht an Schaltern und packt dann hin und wieder mal die Gitarre aus. Wie reagiert das Publikum darauf? Johannes: Die Leute mögen die Dynamik. Dass also der eine mal dem anderen ins Gerät greift, dass wir uns auch mal mit den Instrumenten abwechseln. Und dass man auch nie genau weiß, wer grad was macht und für welchen Ton verantwortlich ist, aber man trotzdem merkt, dass alles selbstgemacht ist und nicht nur vom Laptop abgefahren. Da merkt man auch, dass wir alle mal in „klassischen Bands“ gespielt haben oder noch spielen. Ich sehe unsere Musik irgendwo zwischen Jugendzentrum und Filmfestivalabschlussparty. Und das finde ich eigentlich ganz gut. Matthi: Man kann unseren Stil ja auch nicht richtig abgrenzen. Das finden die Leute auch manchmal komisch. Wir machen keine abstrakte Kunstmusik, aber eben auch keinen Auf-Die-Fresse-Dance-Elektro sondern irgendein Mittelding. Manche müssen da vielleicht erst einmal reinkommen und sich daran gewöhnen. Neulich meinte jemand nach einem meiner Meinung nach versemmelten Konzert zu mir: „Würdet ihr auch mal nur einen Fehler weniger auf der Bühne machen, würde ich euch nicht mehr geil finden!“. Label sinnbus.de Band elektro-on.de Fotos: Lisa Rank bzw. oh