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„Wir können etwas gestalten“
Fakultätsräte, Gremien, Fachschaften, politische Hochschulgruppen – wie eine Universität organisiert ist, verstehen viele auch nach mehreren Semestern nicht. Dabei gibt es für Studenten zahlreiche Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, Vorschläge zu äußern und die eigene Studiensituation zu verändern. Theodor Fall, 23, ist Fakultätsratsvertreter der Philosophischen Fakultät an der LMU München und erklärt im Gespräch mit jetzt.de, warum sich studentisches Engagement trotz viel Arbeit lohnen kann.
jetzt.de: Theodor, du bist du einer der wenigen Studenten, die in einem Fakultätsrat mitarbeiten. Kannst du mir aus studentischer Perspektive erklären, wofür es dieses Gremium eigentlich gibt? Wie habe ich mir die Aufgaben und die Organisation vorzustellen?
Theodor Fall: Im Fakultätsrat werden alle Angelegenheiten besprochen und beschlossen, die die Fakultät, also eine Gruppe von ähnlichen Fächern, als Ganze betreffen. Es werden zum Beispiel neue Studiengänge eingerichtet oder bestehende geändert und Initiativen von Dozenten- oder Studierendenseite in die Wege geleitet. Die Mitglieder sind Professoren, wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter sowie Studenten, wobei die Professoren ein deutliches Übergewicht haben, also mehr als die Hälfte der Mitglieder stellen. In Bayern ist es so, dass Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter je zwei Vertreter haben und die sonstigen Mitarbeiter einen, außerdem gibt es eine Frauenbeauftragte. Bei unseren Sitzungen sind etwa fünfzehn Personen anwesend. Wie die Mitglieder proportional verteilt sind, ist aber je nach Bundesland, Hochschule und Fakultät unterschiedlich.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Als Studenten seid ihr gegenüber den Professoren also in der Unterzahl. Welchen Einfluss habt ihr dann noch?
Das kommt sehr darauf an, wie gut die Fachschaft aufgestellt ist und natürlich auch wie offen die Fakultät für die Initiativen der Studierenden ist. In der Philosophie in München haben wir da eine sehr, sehr tolle Situation. Wenn wir von Fachschaftsseite Vorschläge bringen, werden die von den Professoren wirklich dankbar aufgenommen. Der letzte war die Gründung eines Alumni-Netzwerks, die wir von Fachschaftsseite aus angestoßen haben und wo die Fakultät gesagt hat „Ja, das unterstützen wir, das sehen wir gerne.“
Es kommt also darauf an, wie aktiv die Fachschaften und wie wohlwollend die Dozenten sind. Gibt es da auch fächerspezifische Unterschiede? Sind zum Beispiel die Fachschaften einer akademischen Disziplin besser aufgestellt oder engagierter als die einer anderen?
So in Fächergruppen würde ich das nicht aufteilen. Aber bei großen Fakultäten wird es schnell unübersichtlich und die Abläufe können sehr zäh werden. Da ist es viel schwieriger, als Studentenvertreter etwas anzustoßen. Die Philosophie an der LMU ist im Vergleich zu anderen Fakultäten ziemlich klein, da ist zum Glück das Verhältnis zwischen Dozenten und Studierenden sehr familiär.
Wie oft kommt man im Rat zusammen und wie läuft so eine Sitzung ab?
Das ist ein regelmäßiger Rhythmus. Die Termine werden vor Beginn des Semesters festgelegt, in der Regel sind das drei pro Semester. Bei einer Sitzung wird zunächst die Tagesordnung festgelegt und das Protokoll der letzten Sitzung genehmigt. Beim Bericht des Dekans kriegt man mit, was auf den höheren Ebenen läuft, wo man einhaken oder eine Initiative starten könnte. Dann gibt es je nach Bedarf andere Punkte, zum Beispiel die Verabschiedung einer neuen Studienordnung, die Besetzung von verschiedenen Unterkommissionen, die Besprechung des Haushaltsplans der Fakultät, das Erteilen von Lehraufträgen.
Das hört sich alles sehr bürokratisch an. Stimmt ihr sofort über die entsprechenden Punkte ab, oder wird das vorher ausgiebig diskutiert?
Damit die Uni funktioniert, muss es natürlich irgendwann zu Entscheidungen kommen. Das hängt wieder von der Größe der Fakultät ab. Oft werden die Themen auf niedrigeren Ebenen schon in den einzelnen Fächern diskutiert, damit es im Fakultätsrat schneller zu Beschlüssen kommt. Aber in der Philosophie zum Beispiel wird ab und zu auch im Fakultätsrat ergebnisoffen diskutiert.
Du warst auch schon als Senator, Referent der Studierendenvertretung und in verschiedenen Kommissionen tätig. Was ist für dich als Student die Motivation, dich so vielfältig zu engagieren?
Mein Einstieg war die Erkenntnis, dass der frisch eingeführte Bachelor-Studiengang in Philosophie einfach nicht lief. Ein Kommilitone und ich haben gesehen, dass es eigentlich ganz einfache Lösungen gibt, die Probleme zu beheben. Wir sind mit unseren Vorschlägen zum Dekan gegangen und konnten letztendlich sogar einen neuen Studiengang durchsetzen. Das ist bis heute meine Motivation: Das Studium für die Studierenden zu verbessern – sowohl auf der Satzungs- als auch auf der Praxisebene, wo wir etwa den Austausch von Best-practice-Beispielen anstoßen . Wer Vorschläge hat, wie man etwas besser machen kann, ob Student oder Dozent, braucht dafür klare Ansprechpersonen. Das ist mein Hauptthema.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Theodor Fall (Foto: privat)
Wird diese Art von Engagement eigentlich entlohnt? An meiner ehemaligen Uni wurde man als aktives Fachschaftsmitglied für ein oder sogar zwei Semester zum Beispiel von Studiengebühren befreit, als es sie noch gab.
Das ist an der LMU definitiv nicht der Fall, im Gegenteil. In Bayern sind wir keine verfasste Studierendenschaft, das heißt, wir können keine Beiträge von unseren Studierenden erheben und haben nur ganz wenig Geld zur Verfügung. Wir kriegen also auch keine Aufwandsentschädigungen. In anderen Bundesländern können die Studierendenvertretungen ihren besonders aktiven Vertretern solche Entschädigungen zahlen.
Einen finanziellen Anreiz gibt es also nicht. Ohne den Idealismus infrage stellen zu wollen: Glaubst du, dass manche Studentenvertreter auch schon ein wenig an die berufliche Zukunft denken? Macht sich so was gut auf dem Lebenslauf?
Ich kann die Frage nachvollziehen, aber vorstellen kann ich es mir ehrlich gesagt überhaupt nicht. Es ist verdammt viel Arbeit, Studentenvertreter zu sein, wenn man das ernst nimmt. Wenn man das nur für die eine Zeile im Lebenslauf machen würde, wäre es ein ganz schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Alle Studentenvertreter, die ich kenne, sagen: Wir können etwas gestalten, wir können was verändern, und dafür lohnt es sich. Es lohnt sich, in die Gremien zu gehen und Konzepte zu entwickeln, auch wenn vielleicht nur jedes dritte erfolgreich umgesetzt wird.
Ich persönlich habe auch nach vier Jahren Studium nicht das Gefühl, die Uni-Organisation wirklich zu durchschauen. Ist der Apparat aus Gremien, Hochschulgruppen, Fachschaften und Interessenvertretungen tatsächlich so undurchsichtig, oder müsste ich mich einfach nur aktiver informieren?
Ja und nein. Besonders die LMU ist eine riesengroße Institution. Bis man als Student erstmal den Durchblick hat, welches Gremium, welcher Funktionsträger wofür zuständig ist, sind schon zwei Semester vergangen. Auf Ebene der Studierendenvertretungen gibt es außerdem zwei verschiedene Grundtypen: Studierendenparlament und Studierendenrat. Bei Letzterem werden die Fachschaften gewählt und die entsenden dann Delegierte. Beim Parlamentsmodell wählen die Studenten auch auf zentraler Ebene und es treten politische Hochschulgruppen an. Das ist wieder je nach Hochschule und Bundesland unterschiedlich. Es ist also schon schwierig, zu verstehen, wie das Ganze das funktioniert. Auf der anderen Seite kann man sich wirklich überall informieren und jederzeit bei der Fachschaft, der Studierendenvertretung oder auch Fakultätsgeschäftsstelle vorbeischauen. Wenn man wirklich Interesse hat, gibt es genug Unterstützung.
Studentenvertretungen werden von wenigen Engagierten getragen, die Wahlbeteiligung bei Studierendenparlamentswahlen ist oft niedrig. Warum ist das Interesse bei vielen Studenten so gering?
Ich will nicht auf Kommilitonen schimpfen. Mit der Bachelor-Master-Umstellung ist ehrenamtliches Engagement generell rückläufig, weil der psychische Druck sehr hoch geworden ist. Vielleicht hat der Arbeitsaufwand sich faktisch nicht unbedingt erhöht. Aber der Druck, dass ich am Anfang des Semesters weiß, ich muss am Ende sechs bis sieben Klausuren in genau diesen Veranstaltungen schreiben und am Schluss alle ECTS-Punkte zusammenhaben, das ist sehr ungünstig. Da hat die Studienreform einiges kaputt gemacht. Aber auch vorher stand es um die Wahlbeteiligung und das Engagement nicht gut. Da muss ich einfach sagen: Studenten sind nun einmal hauptberuflich Studenten. Alles darüber hinaus geht von Studium und Freizeit ab. Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter können sich für solche Funktionen ihr Lehrdeputat reduzieren lassen, Studenten müssen alles gleichzeitig machen.
Wie schaffst du es persönlich, dein Engagement mit dem Studium zu vereinbaren?
Ich bin noch Magisterstudent, da hat man noch eher die Freiheit, Seminararbeiten zu verschieben oder ein Jahr lang mal ein bisschen weniger zu machen. Die meisten, die ernsthaft Hochschulpolitik machen, brauchen länger als die Regelstudienzeit. Ich persönlich habe den größten Teil meiner hochschulpolitischen Karriere schon hinter mir. Ich bin seit dem ersten Semester in der Fachschaft und wenn ich meine Gremiensemester aufaddiere, bin ich locker im zweistelligen Bereich. Ich werde nach diesem Jahr mit der Hochschulpolitik aufhören, zumindest von studentischer Seite, und dann meinen Studienabschluss angehen.