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"Wir holen Flüchtlinge mit dem Flugzeug!"
jetzt.de: Die Idee klingt unrealistisch und visionär zugleich an. Wie kommt man darauf?
Susanne Najafi: Wie die meisten Leute in Europa haben wir die Bilder der Flüchtlinge in den Medien gesehen. Irgendwann konnte ich deshalb nicht mehr gut schlafen. Was Flüchtlinge angeht, ist das die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Ich bin eigentlich Unternehmerin und gut darin, Lösungen zu finden. Also habe ich angefangen zu recherchieren. Und dann habe ich von dieser Verbindlichkeits-Richtlinie der EU gelesen.
Was besagt die?
Mal in kurz: dass Fluggesellschaften die Verantwortung haben, zu überprüfen, wer die Leute sind, die mit ihnen fliegen. Sie müssen beim Check-in sicherstellen, dass nur Menschen mit dem richtigen Pass oder einem Visum in die EU einreisen. Wenn sie Personen ohne Einreisegenehemigung nach Europa mitnehmen, müssen die Airlines die Kosten für deren Aufenthalt und Rücktransport übernehmen. Es ist also nicht gegen das Gesetz, diese Menschen zu transportieren. Sondern einfach ein finanzielles Risiko, das die Fluggesellschaften damit eingehen. Aber, und das ist der Knackpunkt: Diese europäische Richtlinie aus dem Jahr 2001 gilt nicht für Menschen mit Recht auf Asyl. Diese sollten eigentlich nach Deutschland oder Schweden fliegen dürfen.
Warum nehmen dann Flüchtlinge mit syrischem Pass nicht einfach das Flugzeug?
Weil die Fluggesellschaften nicht so schnell beim Check-In entscheiden können, wer asylberechtigt ist und wer nicht. Also lehnen sie alle ab, die kein gültiges Visum vorweisen können. Auch syrische Flüchtlinge. Als uns dieses System bewusst wurde, dachten wir darüber nach, wie wir das ändern können. Jetzt wollen wir allen Menschen mit einem syrischen Pass ermöglichen zu fliegen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Susanne Najafi.
Wie genau soll das funktionieren?
Wir haben mittlerweile tausende Menschen auf unserer Facebook-Seite, die uns mit ihrem Wissen unterstützen. Wir werden ein Flugzeug chartern - und schicken es in einen Nachbarstaat Syriens, in dem viele Menschen in Flüchtlingslagern leben. Nach Jordanien zum Beispiel , oder in die Türkei. Da haben wir Kontakt zu lokalen NGOs, die die Flüchtlinge vor Ort auf ihren Asylanspruch überprüfen werden. Dann werden die ausgewählten syrischen Flüchtlinge ins Flugzeug steigen und direkt in Schweden Asyl beantragen. Wir wollen ihnen eine sichere Einreisemöglichkeit bieten.
Und wer entscheidet, wer von den syrischen Flüchtlingen fliegen darf?
Es ist wichtig für uns, dass nicht wir das entscheiden werden, sondern die lokalen NGOs. Die sind die Experten in dieser Frage. Wir wollen einfach zeigen, dass wir nicht die einzigen sind, die so etwas können. Wir wollen so eine Art Blaupause für Fluggesellschaften schaffen. Damit sie sehen, dass es völlig legal passiert und kein finanzielles Risiko bedeutet.
Werdet ihr die Kosten für den Rückflug übernehmen, wenn manche Mitreisenden doch an der schwedischen Grenze abgelehnt werden?
Die Regelung besagt, dass man plausibel nachweisen muss, dass man alles getan hat, um herauszufinden, ob die Personen Anspruch auf Asyl haben. Wenn man nicht wissen konnte, dass sie nicht syrisch sind, ist man nicht verantwortlich. Also gibt es da kein finanzielles Risiko.
Dafür müsst ihr aber NGOs finden, die die Überprüfung übernehmen und geeignete Kriterien finden, um zu entscheiden, wer mitfliegen darf.
Wir sind nicht naiv. Wir denken nicht, dass wir das gesamte Problem mit einem Flugzeug lösen können. Uns geht es darum, dass andere unsere Idee kopieren, damit es dann Flugzeuge für alle Flüchtlinge mit Recht auf Asyl gibt. Außerdem arbeiten wir mit anerkannten NGOs zusammen, die ihre Aufgabe bewältigen können.
Nach welchen Kriterien entscheiden die, wer beim ersten Flugzeug mitfliegen darf und wer nicht?
Was ich sagen kann, ist, dass die Reise mit dem Flugzeug es vor allem Menschen ermöglichen soll, in die EU zu kommen, die sonst wegen der Gefahren erst mal zurückbleiben. Frauen und Kinder zum Beispiel. Genauere Kriterien werden wir mit den NGOs abstimmen. Auf jeden Fall wird Geld bei der Auswahl keine Rolle spielen.
Wie viel soll das Ticket denn kosten?
Es soll ungefähr so teuer wie ein normaler Flug sein, also um die 200 Euro. Zum Vergleich: Für einen Schmuggler bezahlen die Flüchtlinge mindestens 2000 Euro. Wir prüfen gerade, ob sie das Flugticket aus eigener Tasche zahlen müssen, oder ob wir sie dabei unterstützen können.
Kooperieren die Fluggesellschaften?
Vergangene Woche haben sich mehrere Fluggesellschaften an Politiker in Schweden gewandt und gefordert, die Verbindlichkeits-Regelung abzuschaffen. Wir haben mit einigen dieser Fluggesellschaften Kontakt. Leider kann ich noch keine Namen nennen, aber wir sind gerade dabei, diesen ersten Flug gemeinsam mit einer Airline zu planen.
Wann kann realistischerweise das erste Flugzeug starten?
Unbedingt noch vor Wintereinbruch, weil es dann richtig kalt in den Flüchtlingslagern wird. Das schaffen wir auf jeden Fall.
Text: pia-rauschenberger - Illustration: Daniela Rudolf, Refugee Air