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"Wir Helfer sind hier heillos überfordert"

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Alexander Baulesch, 30, ist Musiker aus Wien. Am Mittwochmorgen packten er und ein Dutzend weiterer Helfer ihre Privatautos voll mit Zelten, Isomatten und Medizin und fuhren von Österreich aus ins ungarische Röszke, um den Flüchtlingen dort zu helfen. Der kleine Ort an der ungarisch-serbischen Grenze ist das Nadelöhr für Tausende Flüchtlinge, um in ein EU-Land zu kommen. Die ungarische Regierung ließ dort in den vergangenen Wochen einen sehr umstrittenen Zaun mit Stacheldraht errichte -  doch die verzweifelten Menschen lassen sich davon nicht abhalten. 
 
jetzt.de: Wie sieht die Situation in Röszke aus?
Alexander Baulesch: Übel, sehr übel. Es regnet, es ist matschig, es hat acht Grad, ständig kommen noch mehr Flüchtlinge. Gestern Abend ließ die Polizei 200 Menschen von der Grenze in Richtung Zeltstadt gehen. Und sagte zu uns nur: Bereitet euch darauf vor. Die Regierung unternimmt nichts, stellt keine Zelte, keine Unterkünfte, keine Medizin. Die Flüchtlinge kommen teilweise in Flipflops über die Grenzen. Wir Helfer hier sind heillos überfordert. In der Nacht kamen noch mal mehr als1000 Menschen. Es ist eine Katastrophe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

 

Wie geht es den Flüchtlingen?
Viele sind krank. Die Menschen sind schon ewig unterwegs. Keine Ahnung, wo sie in Serbien geschlafen haben. Vielleicht einfach unter freiem Himmel. Menschen versuchen über den Stacheldraht drüberzukommen, ein paar steigen durch den Fluss in der Nähe und laufen dann mit nassen Klamotten weiter. Mittlerweile soll es ein paar Kilometer von Röszke entfernt einen zweiten Ort geben, wo die Menschen über die Grenze kommen. Da müssen wir auch noch hin.

Wo werden die Menschen untergebracht?
Am Anfang gab es hier an der Grenze nur ein einziges Zelt, das Sanitätszelt. Die Menschen schliefen auf Feldern. In den vergangenen Tagen hat eine ungarische Organisation eine kleine Zeltstadt aufgebaut. Doch viele von den Zelten sind mittlerweile komplett durchnässt. Wie viele Flüchtlinge dort Schutz suchen, kann ich nicht schätzen. Vielleicht Hunderte, vielleicht Tausende. Gestern ist dort ein Baby zur Welt gekommen. Es ist absolutes Chaos. Von Seiten der Polizei heißt es, dass am Wochenende noch mehr Flüchtlinge kommen sollen. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

                                                        Alexander Baulesch. 

Wie viele Helfer gibt es an der Grenze?
Alles in allem? Im Moment vielleicht 50. Seit der vergangenen Woche sind ständig freiwillige Helfer hier, aus ganz Europa werden Jacken, Zelte und Medizin hergekarrt. Das meiste davon privat organisiert, über Facebook. Deutsche sind hier, Tschechen, ein Konvoi aus England ist gerade mit sieben Wagen unterwegs. Schweizer sind da, viele Serben kommen und helfen. Und auch viele Ungarn.

Wie reagieren die Flüchtlinge auf die Helfer?
Sehr gut. Die sind so froh, dass sich jemand um sie kümmert. Die Menschen fallen den Helfern immer wieder um den Hals. Manche Flüchtlinge helfen uns beim Verteilen und Aufräumen. Wenn du mit den Säcken voller Kleidung und Medizin zu den Zelten gehst, kommst du nicht mal bis zu der Stelle, wo das alles verteilt werden soll.
 
Was benötigt ihr noch?
Die Uno. Irgendeine Art von Regierung, die sich berufen fühlt, etwas zu tun. Wir bräuchten Hunderte von Leuten, die hier helfen. Hier sind so viele Flüchtlinge. Und warme Sachen, Isomatten. Zelte. Teilweise kommen hier Sachen an, die sicherlich lieb gemeint sind, aber völlig unbrauchbar sind: Stöckelschuhe, ganz dünne Klamotten, dünne schicke, Hemden. 
 
Hattet ihr Schwierigkeiten mit der ungarischen Polizei?
Am Anfang gab es Schwierigkeiten, die Polizisten dachten sich, da kommen Demonstranten, Krawallmacher. Die Polizei ist schlecht organisiert und genauso überfordert wie wir.  Manche stehen da auch 36 Stunden am Stück und gehen dementsprechend auf dem Zahnfleisch. Hin und wieder riegeln sie mal kurz ab. Dann kommt man nicht zu den Zelten. Im Großen und Ganzen lassen sie uns aber machen.
 
Wo kommen die Helfer eigentlich unter?
Manche schlafen im Lager, manche im Auto. Es ist eine schwierige Situation, das Elend der Menschen zu sehen,  wie sie in den Zelten im Nirgendwo schlafen. Und selber kann man in den nächsten Ort fahren und dort im Hotel schlafen. 
 
 
 
 

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