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"Wir Briten mögen keine Multitalente"

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Mike, in einem deiner neuen Songs heißt es: "I never want to be left alone, I want to be loved." Kann man das auch für dein Leben nach The Streets verstehen? Brauchst du ein Publikum, um glücklich zu sein?
Ja und nein. Nach The Streets war es mein Ziel, meinem Publikum etwas Neues zu bieten. Ich war mir aber gar nicht sicher, ob mir das gelingen würde. Also, ob ich vor meinem Publikum irgendetwas anderes machen könnte als das, was ich mit The Streets gemacht habe.

Wie wichtig ist dir die Anerkennung der Masse?
Schon wichtig. Denn seien wir mal ehrlich: Letztendlich sind wir doch alle nur Egos, die sich dank Blut und Knochen bewegen können. Das war, ist und bleibt so, auch wenn man älter wird. Ich lechze zwar nicht ständig nach Anerkennung, aber ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit brauche ich schon.

Das typische riesige Rapper-Ego scheinst du aber nicht zu haben…
Na ja, ich hatte zwar nie das Bedürfnis, besonders stark, reich und mächtig zu wirken, aber deswegen ist mein Ego nicht unbedingt kleiner als das vieler Rapper. Es drückt sich nur anders aus.

Nämlich wie?
Innerlich. Es ist die innere Kraft, um die es mir geht. Ich möchte mich innerlich fühlen, wie die meisten anderen Rapper äußerlich wirken.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mike Skinner (re.), 34, sagt: "Wenn ich etwas gelernt habe, dann dass Songs in den Köpfen der Leute wachsen können."

Wann fühlst du dich besonders stark?
Ich kann mich schon stark fühlen, wenn ich mich draußen frei bewege. Ein einfacher Spaziergang kann sich für mich sehr gut anfühlen und extrem inspirierend sein. Leider kam ich zuletzt nicht oft dazu.

Was würdest du denn in diesem Moment am liebsten tun? Mal angenommen, du hättest frei.
Ach, wenn man es genau nimmt, habe ich ja immer frei, weil ich immer frei entscheiden kann, was ich tun will. Wenn ich mir genau jetzt etwas aussuchen dürfte, würde ich am liebsten ins Studio gehen, mich vor den Computer setzen und ein paar neue Sachen ausprobieren.

Du würdest in deiner Freizeit also am liebsten arbeiten?
Ich neige dazu, süchtig nach dem Produzentenjob zu sein. Ich kann einfach nicht damit aufhören. Zwischendurch mache ich zwar auch mal ein paar andere Dinge, drehe einen Kurzfilm oder ein Musikvideo, aber danach zieht es mich immer wieder gleich ins Studio.

Arbeit als Entspannung?
Kann man so sagen, ja.

In den vergangenen Jahren hat sich diese Arbeit ausgezahlt: Fünf deiner Alben landeten in den Top Ten. Was, wenn du mit deinem neuen Projekt, The D.O.T., nicht an diese Erfolge anknüpfen kannst?
Ich würde weitermachen. Ich bin mir sicher, dass die Leute diese Musik schon irgendwann verstehen und mögen werden. Diese Songs sind zu gut, um nicht gemocht zu werden. Es braucht zwar Zeit, sich reinzuhören, aber wenn ich eines aus der Streets-Zeit gelernt habe, dann dass Songs in den Köpfen der Leute wachsen können. Jeden Tag können sie ein Stück größer werden.

Zunächst wirst du dich jedoch verkleinern – zumindest live. Mit The Streets bist du erst auf Tour gegangen, als du schon ein Star warst. Die kleineren Clubs, in denen du jetzt mit The D.O.T. spielst, kennst du noch gar nicht. Ein seltsames Gefühl?
Das ist schon okay. Ich brauche nicht unbedingt die ganz großen Bühnen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Hier kannst du die erste Single aus dem neuen Album von The D.O.T. hören: "How We All Lie".


Gibt es denn etwas, dass du dem Streets-Ruhm verdankst, und auf das du nicht mehr verzichten möchtest?
Das einzige, was ich nicht mehr missen möchte, ist der Tourbus. Ich liebe es, im Tourbus unterwegs zu sein, und ich werde alles dafür tun, dass wir für The D.O.T. auch einen bekommen. Dann ist es mir ehrlich gesagt auch egal, wo wir damit hinfahren und wo wir auftreten. 

Wie muss man sich denn dein Tourbus-Dasein so vorstellen? Ganz entspannt? Oder eher laut und wild?
Wirklich wild war es noch nie. Viele Musiker machen auf den langen Tourbusfahrten aus Langeweile Blödsinn, feiern zu viel und übertreiben es immer wieder. Das passiert uns nicht. Wir hängen im Tourbus einfach zusammen ab, lachen viel und freuen uns, dass wir unseren Traum leben dürfen.

Dem britischen Guardian sagtest du kürzlich, vor der aktuellen Tour mit The D.O.T. hättest du auch "ein bisschen Angst". Wovor genau?
Meine größte Angst war am Anfang, dass die neuen Songs auf der Bühne nicht ausreichend zur Geltung kommen könnten.

Also Angst vor Misserfolg?
Nein, davor hatte ich noch nie Angst. Mir ging es noch nie um Erfolg.

Sondern?
Um Respekt. Respekt war und ist für mich immer noch das Allerwichtigste. Und überhaupt: wann ist man denn erfolgreich? Klar, Justin Bieber ist erfolgreich. Aber wenn man derart großen Erfolg hat wie er, neigt man dazu, sich auch über diesen Erfolg zu definieren und gerät damit in einen gefährlichen Strudel. Vielmehr sollte man versuchen, einfach gut in dem zu sein, was man kann. Was zählt, ist wie sehr man selbst das mag, was man macht, und wie sehr es die Leute mögen, die man schätzt. Aber nicht, wie viele Platten man verkauft.

Damit erklärt sich einer deiner letzten Twitter-Beiträge, in denen du deine größten Talente auf drei herunter brichst: "Make beats, videos and whiskey cocktails." Wünschtest du, diese Liste wäre länger?
Nein. Wir Briten mögen keine Multitalente. In Europa können Musiker oft nicht nur singen und Gitarre spielen, sondern auch noch malen, Skulpturen formen und Ähnliches. Das ist uns ein Stückweit suspekt. Wir finden: wenn man wirklich gut in etwas sein will, kann es eigentlich nur eine Sache sein.

Immerhin hast du mit deinen Talenten eine ganze Jugendkultur geprägt: ohne The Streets wären einige weiße britische Rapper wohl auf der Strecke geblieben.
Viele Kritiker nennen das meinen größten Erfolg. Ich nenne das vor allem Glück. Ich wusste damals ja gar nicht, was ich da tue, und ich weiß es bis heute nicht. Ich kann mir nach wie vor nicht erklären, wie das alles passieren konnte.

Aber du bist dir bewusst, dass du da etwas angestoßen hast.
Ich habe Veränderungen angestoßen, die sowieso irgendwann passiert wären. Was ich mit The Streets gemacht habe, war genau das, was die Leute zu der Zeit hören wollten. Ich hatte nur das Glück, dass ich der Erste war, der darauf kam.

Noch ein kurzer Ausblick: Deine 2012 erschienene Autobiografie hat den Titel "The Story Of The Streets". Stell dir vor, du würdest in zehn Jahren das nächste Buch schreiben. Was wäre wohl der Titel?
Wahrscheinlich "The Story of The D.O.T. & The Story of Me, Directing Films".

"Diary" von The D.O.T. ist vergangene Woche auf Cooking Vinyl/Indigo erschienen.

Text: erik-brandt-hoege - Fotos: Ewen Spencer / Screenshot

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