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"Wir bringen immer Glamour mit"

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jetzt.de: Alice, wenn wir über deine Musik sprechen, müssen wir auch über die Zwangzigerjahre sprechen. Erinnerst du dich, wann und wie du zum ersten Mal mit dieser anderen Zeit und Welt in Berührung kamst?
Alice Francis: An einen genauen Zeitpunkt kann ich mich nicht erinnern. Ich hatte einfach schon immer eine Affinität zum Außergewöhnlichen und auch zum Nostalgischen.

Woher glaubst du kommt dieser Hang?
Vielleicht von meiner Mutter, die seit vielen Jahren Antiquitäten sammelt. Das habe ich schon als Kind mitbekommen.

Sammelst du auch etwas?
Ja, zum Beispiel alte Radios.

Und wann hast du angefangen, dich für die Musik der Zwanziger zu interessieren?
Das passierte im Laufe der Zeit. Wie jeder Künstler habe ich eine Entwicklung durchgemacht, und die führte mich irgendwann zu diesem Mix aus Vergangenem und Einflüssen aus dem 21. Jahrhundert.

In den Zwanzigern haben sich viele Frauen viel getraut, wollten Spaß, liebten die Inszenierung, den glamourösen Auftritt. Hast du Vorbilder aus dieser Zeit?
Josephine Baker ist ein großes Vorbild von mir, sie bewundere ich wirklich sehr. Damals war es ja so, dass viele Frauen ihr altes, biederes Dasein abgelegt haben. Sie haben angefangen, sich die Haare und die Kleider abzuschneiden, zu rauchen und sich nächtelang in Jazzkneipen herumzutreiben. Diese Frauen waren Vorreiter einer offeneren Denkweise, die mich ganz allgemein fasziniert.

Diese Frauen hatten etwas Verruchtes und gleichzeitig sehr Elegantes an sich. Eine besonders reizvolle Kombination auch für dich?
Ja, ich mag dieses „You can look – but don’t touch!“. Damals haben sich viele Frauen natürlich sehr aufreizend angezogen und teils übermäßig geschminkt. Aber sie waren immer noch ein Stückweit unnahbar.

Du selbst singst auf deinem Album einmal: „If you want to kiss me – you can kiss my ass.” Die dazugehörige Bühnenpose scheint dir auch nicht schwer zu fallen…
Ich merke das gar nicht, die Songs geben die Posen ja geradezu vor. Auf der Bühne ist es dann, als würde der ganze Körper den Song singen. Es kann aber auch mal sein, dass ich gerade nicht in der Stimmung dafür bin und zwischendurch einen Song im Sitzen singe.

Konservative Betrachter sagten über die Partydamen der Zwanziger, sie sollten sich schämen für ihre Freizügigkeit. Kennst du – trotz Zeitsprung – das Gefühl von Scham auf der Bühne?
Vielleicht, wenn ich mal ausrutschen oder von der Bühne fallen sollte. Sonst eher nicht. Die Musiker sind ja auch immer da, und genau wie mit dem Publikum, schmeißen wir uns die Bälle hin und her. Die Band und ich sind wie eine kleine Familie, die sich mit dem Publikum erweitert. Das ist sehr vertraut, fast intim, so dass Schamgefühle kaum aufkommen können.  

Vielleicht auch deshalb nicht, weil du für die Shows in eine Rolle schlüpfst? Für die Frauen damals war es ja auch oft ein Rollenspiel, sobald sie sich am Abend zurecht machten.
Gott sei Dank leben wir in einem Land, in dem man die Freiheit hat, so zu sein, wie man sein möchte. Ich könnte ja sogar umgekehrt und ständig so sein, wie ich auf der Bühne bin, wenn ich denn wollte. Das ist aber natürlich nicht angebracht, so viel Show und Tammtamm muss nicht immer sein. Ich brauche das Glitzerkleid und die Federboa tagsüber nicht, wenn es keinen Anlass dafür gibt.

Entwirfst du deine Bühnenklamotten eigentlich selbst?
Ja, ich interessiere mich auch sehr für Fashion. Es macht mir großen Spaß, in diese kleinen Vintage-Läden zu gehen, zu gucken, was es dort alles gibt, und dann die passenden Teile für mich auszusuchen.

Sind die Jungs in deiner Band genauso modeinteressiert?
Sie achten schon sehr darauf, was sie tragen, zum Beispiel Fracks, Fliegen und Zylinder. Aber es sehen auch nicht alle gleich aus, und das ist auch gut so. Ich würde es seltsam finden, wenn wir alle modelmäßig aufgestylt auf der Bühne stehen würden.

Stell dir vor, du dürftest dir einen Ort aussuchen, egal wo, und dort eine Bühne aufbauen, um „St. James Ballroom“ live zu präsentieren. Wo erschiene es dir besonders passend für dieses Album?
St. James Ballroom ist ja an sich kein Ballroom, den es gibt oder einmal gab, sondern ein imaginärer Ort, den man überall hin mitnehmen kann. Das heißt: egal wo wir spielen, wird es zu St. James Ballroom werden, und wenn es die letzte Baracke ist. Wir bringen den Glamour und die Show einfach immer mit.

“St. James Ballroom“ von Alice Francis ist vergangene Woche erschienen.

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