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„Wir brauchen ein Gegengewicht zur Religionspropaganda“
„Gottlos glücklich – ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben“ – in Großbritannien, Spanien und Italien rollen bereits Busse, auf denen mit diesem und endlichen Sprüchen für gottloses Glück geworben wird. Jetzt sollen die Banner auch in den deutschen Linienverkehr, vorerst in Berlin, Köln und in München. Seit Montag kann man auf www.buskampagne.de für die Kampagne spenden. Wer mindestens einen Euro gibt, darf mitabstimmen, welcher Slogan auf die Busse kommt. Ein Interview mit dem Sprecher der Kampagne Philipp Möller:
Philipp, ihr wollt auf Bussen für Atheismus werben. Hat Missionieren nicht schon der Kirche mehr geschadet als genützt?
Das möchte ich so nicht stehenlassen. Wir machen keine Werbung für Atheismus. Wenn wir für etwas werben, dann für Skeptizismus. Dafür, Dinge zu hinterfragen anstatt sie einfach zu glauben. Deshalb lautet unser Slogan auch nicht „Es gibt definitiv keinen Gott“, sondern „Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott“, also eine völlig wissenschaftliche Aussage. Auf das argumentativ dünne Eis, die Existenz eines Gottes endgültig auszuschließen, werden wir uns nicht begeben.
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Wenn ihr euch selbst nicht sicher seid, warum dann die ganze Aktion?
Wir wollen den rund 35 Prozent Konfessionslosen in Deutschland endlich mal eine öffentliche Stimme geben, die ein Gegengewicht zu der massiven Religionspropaganda aufbaut.
Welche Propaganda?
Du lebst doch in Berlin, oder?
Ja?
Fährst du U-Bahn?
Ja.
Dann achte mal auf die vielen kleinen Aufkleber, die einem erzählen, dass Jesus lebt und dass Jesus einem hilft. Achte mal auf Freikirchen, die überall Werbung machen und auf die unzähligen Pro Reli-Plakate. Das finde ich schon massiv.
Ist es nicht genauso intolerant, wenn ihr gläubigen Menschen auf dem Weg zur Arbeit euren Nichtglauben unter die Nase reibt?
Wir richten uns mit unserer Aktion nicht gegen Personen, sondern gegen Überzeugungssysteme. Die Existenz Gottes ist nur eine Behauptung. Es gibt dafür weder Beweise noch Hinweise. Wir sind davon überzeugt, dass Gott ein Erklärungsansatz aus einer Zeit ist, als man vieles noch nicht verstanden hat. Man versteht natürlich auch heute vieles noch nicht, aber eine Menge der Fragen, die damals mit Gott erklärt wurden, kann man heute mit Fakten beantworten. Ich empfinde unsere Banner überhaupt nicht als intolerant. Wenn sich jemand durch so einen Spruch persönlich angegriffen fühlt, identifiziert er sich offenbar derart mit seinem Überzeugungssystem, dass es letztlich noch mal auf die Relevanz unserer Kampagne hinweist.
Was genau wollt ihr erreichen?
Wir wollen zur positiven Wahrnehmung einer Weltanschauung beitragen, die auf übernatürliche Erklärungsansätze verzichtet. Unserer Meinung nach sind zwischenmenschliche Werte keiner Figur entsprungen, wie Gott – die sowohl unbewiesen, als auch unwahrscheinlich ist – sondern wurden zum Beispiel durch die Aufklärung, aber auch durch Menschen und für Menschen entwickelt.
Aber wieso braucht es dafür Banner auf Bussen? Ist Glauben nicht Privatsache?
Doch. Ist es. Und sollte es auch bleiben. Wir wollen niemanden von seinem Glauben abbringen, wir wollen niemanden bekehren. Wir wollen vielmehr darauf hinweisen, dass es sich bei Religion um ein vor allem durch Erziehung und Sozialisation indoktriniertes Überzeugungssystem handelt und eben nicht um eine Selbstverständlichkeit. Deshalb wollen wir eine Diskussion anstoßen, die die Relevanz eines Gottesglaubens für ein Gutmenschentum kritisch hinterfragt.
Richtet sich eure Kampagne vor allem gegen das Christentum oder genauso gegen den Islam, Buddhismus oder andere Religionen? Ich würde da keinen großen Unterscheid machen wollen. Das Ziel der Kampagne ist es, zu einer Entstigmatisierung von Begriffen wie „Atheist“ oder „Agnostiker“ beizutragen. Es geht darum klarzustellen, dass man als Nichtgläubiger ein genauso guter Mensch sein kann wie als Gläubiger und nicht darum, eine einzelne Religion abzuwerten. Die Kampagne gibt es ja schon in andern Ländern, in Großbritannien, Kanada, Spanien, Italien und in Australien. Wie waren da die Reaktionen? Das Thema polarisiert, dementsprechend sind die Reaktionen zweischneidig. Wenn man sich die Kommentare derer ansieht, die spenden, kommen die Banner natürlich sehr gut an. In Großbritannien gab es aber zum Beispiel auch eine Gegenkampagne mit Bussen auf denen „There definitely is a God“. Aber darüber freue ich mich eigentlich fast, weil dadurch eine Aussage propagiert wird, die wirklich angreifbar ist. Außerdem wünschen wir uns ja eine öffentliche Diskussion, was damit erreicht wurde. Der Zeitpunkt für den Start ist ja ganz günstig gewählt. Die Diskussion um den Holocaustleugner Richard Williamson hat das Image der Kirche stark beschädigt. Glaubst du, dass ihr davon profitieren werdet? Impulsgeber der Aktion war natürlich die Kampagne in Großbritannien. Daraufhin haben wir uns hingesetzt und gesagt: Das wollen wir auch machen. Williamson hatte damit nichts zu tun. Ob es hilft? Ich würde das eher rausfinden wollen, als es zu glauben. Aber ich denke schon, dass so etwas dazu beiträgt, dass Religion eher aus einer historischen Perspektive und mit etwas mehr Distanz gesehen wird. Die Seite www.buskampagne.de ist jetzt seit vier Tagen online. Wie ist bisher die Resonanz? Wir sind jetzt bei 16.500 Euro, allein gestern sind über 10.000 Euro zusammengekommen. Die meisten geben so zwischen fünf bis 50 Euro. Unser Ziel liegt bei 19.500 Euro. Sobald wir die erreicht haben, geht’s los. Was glaubst du, wann es soweit sein wird? Naja, wenn es so weiter geht, rechne ich mit Ende März, Anfang April. Bei den Agenturen, die die Busse bekleben, haben wir schon angefragt, und da gab’s keine Probleme. Ab wann würdest du sagen, die Kampagne war ein Erfolg? Gefühlt jetzt schon. Allein wenn ich sehe, wie oft mein Pressetelefon klingelt und was auf der Seite los ist. Aber wirklich am Ziel sind wir, wenn die Busse losrollen. Philipp Möller ist 28, Diplompädagoge und arbeitet als Grundschullehrer in Berlin-Reinickendorf.
Text: sarah-stricker - Foto: www.buskampagne.de, Illustration: Dominik Pain