Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Wie Namen zu Schimpfwörtern werden

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Es muss eigentlich nur ein kleines Missgeschick passieren. Helen lässt eine Gabel fallen, Rieke versteht einen Wortwitz nicht sofort – schon schallt es aus dem Mund der jeweils anderen: „Oaaah, du Otto!“. Wieso eigentlich? Ist Otto der neue Horst? Und wie wurden aus diesen Namen eigentlich Schimpwörter? Wir haben bei Gabriele Rodriguez, Namensforscherin an der Namensberatungsstelle der Uni Leipzig, nach Antworten gesucht. 

jetzt: Frau Rodriguez, meine Freundinnen beleidigen sich gegenseitig als „Ottos“. Ihnen als Vornamensforscherin sind sicher noch weitere Namen bekannt, die es zu Schimpfwörtern gebracht haben.

Gabriele Rodriguez: Das ist regional abhängig. Otto ist nur im Rheinland als Schimpfname bekannt. Horst, Hans und Heini, die Kurzform von Heinrich, gibt es überall in Deutschland. In Mitteldeutschland sagt man auch „sich zum Willi machen“ und hier in Leipzig habe ich sogar schon einmal jemanden „Du Kurt“ sagen hören. In Norddeutschland gibt es den Detlef. Mir fallen auch noch „Käthe“ und „Uschi“ ein.

Eigentlich hauptsächlich altmodische Namen.

Ja, das sind alles Namen aus unserer Großväter- und Großmütter-Generation. Die werden heute unterbewusst mit geringerer Intelligenz oder Bildung verknüpft.

Woher kommt das?

Von damals. Entweder waren das ländliche oder bildungsferne Namen. Das Bildungsbürgertum hat grundsätzlich die lange Form der Namen benutzt, zum Beispiel „Katharina“ oder „Ursula“. Bedienstete und Menschen vom Land, also weniger Gebildete, sagten aber „Käthe“ oder „Uschi“. Und diese Wahrnehmung hat sich bis in unsere Zeit getragen. Horst, Hans und Otto waren ja zudem sehr weit verbreitete Namen. Bei einer großen Anzahl Ottos ist die Wahrscheinlichkeit natürlich höher, dass einer negativ auffällt und der Name dadurch zum Schimpfwort wird.

"Viele Kevins bekommen es gar nicht mit, dass ihr Name als bildungsfern wahrgenommen wird."

Wie sah das in vergangenen Zeiten aus? Hat man früher auch schon Vornamen zu Schimpfwörtern umfunktioniert?

Ja, aber eher in Redewendungen. Wenn man „Hinz und Kunz“ sagte, meinte man „Heinrich und Konrad“ – Namen, die so häufig vergeben waren, dass fast jeder so hieß. Wenn man diese Redewendung benutzte, war das schon abwertend gemeint.  

Was bedeutet das eigentlich für die Namensträger? Fühlen die sich dadurch nicht diskriminiert?

Wir haben vor noch gar nicht allzu langer Zeit Menschen nach ihrer Zufriedenheit mit ihrem Vornamen befragt. Da waren auch sehr zufriedene Kevins dabei.

Das ist aber erstaunlich. Das Schimpfwort „Alpha-Kevin“ ist ja gerade im Internet sehr präsent.

Trotzdem wird der Name an sich von ihnen ganz normal wahrgenommen. Es kommt eben stark darauf an, wo sich ein Mensch aufhält. Viele Kevins bewegen sich in Kreisen, in denen sehr viele englischsprachige Namen vorkommen und völlig normal sind. Da bekommen sie es gar nicht so mit, dass ihr Name von Außenstehenden als bildungsfern wahrgenommen wird.

Wo wir schon bei anderen Sprachen sind: Wie sieht es denn im Ausland aus? Hat man in Italien vielleicht ein Problem, wenn man Giovanni heißt? Oder in Frankreich als Jaques?

Zumindest „Kevin“ ist im englischsprachigen Raum, aus dem der Name stammt, unbelastet. Dort gibt es dafür „Jack“ oder „Jackass“ sowie „Mick“ und „Dick“. Im spanischen Raum und Lateinamerika findet man unter anderem „Juan“, „Pepe“, „Tito“ und „Cholo“. 

Zurück zur deutschen Sprache: Gibt es Zukunftsprognosen? Welche Namen müssen als nächstes dran glauben?

Wir wissen nicht, was kommt. Vielleicht gibt es ja in der Zukunft irgendeinen Leon, der negativ auffällt und der den Namen so zum Schimpfwort macht. Es könnte aber auf jeden Fall passieren, dass diese ganzen alten Namen wie Otto und Hans als Schimpfwörter verschwinden, da sie gerade immer beliebter werden. „Otto“ war im letzten Jahr auf Platz 152 der beliebtesten Vornamen für Neugeborene. Unter den Top 100 sind schon Paul, Anton und Emil. Dadurch ändert sich womöglich die Wahrnehmung der alten Namen und dann verknüpft man sie auch nicht mehr unterbewusst mit geringerer Bildung. Fest ist jedenfalls nichts, was Namen angeht. Wir können gespannt sein.

Foto: particula / photocase.de

  • teilen
  • schließen