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Wie Bestseller Bestseller werden

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jetzt.de: Herzlichen Glückwunsch zum Buch! Seid ihr jetzt Verleger? Alle: Nein, Herausgeber! Kristin: Ein Herausgeber bereitet schriftstellerische beziehungsweise wissenschaftliche Texte oder Kunstwerke zur Publikation vor. Annika: Ganz wichtig: Der Verleger muss das Projekt auch vorfinanzieren, daher kommt auch das Wort, nämlich von „vor-legen“. Wir sind aber nach wie vor ein Studentenprojekt und waren lange auf Verlagssuche... Christian: ... und konnten uns das Vorfinanzieren nicht leisten. jetzt.de: Wo ihr doch so lange nach einem Verlag gesucht habt, wieso seid ihr nicht zu Books on Demand oder ähnlichen Selbstverlagen gegangen? Kristin: Weil bei uns besonders Optik und Gestaltung rüberkommen muss, lohnt sich ein Verlag mit angeschlossener Druckerei. Christian: Wir wollen ja das Buch auch unter die Leute bringen und können bei einem Verlag von den Vertriebswegen und der Struktur profitieren. Ein Selbstkostenverlag stellt einem nur eine Palette Bücher hin, und das muss man dann selbst irgendwie verteilen. jetzt.de: Was passiert in eurem Buch? Annika: Der Fokus liegt auf den Bestsellern, aber vor allem auf den Geschichten drumherum. Die Anekdoten, die oft humorvolle Sichtweise... das ist so zum Wegschmökern in der U-Bahn. Wir stellen zum Beispiel Dieter Bohlens „Nichts als die Wahrheit“ Klaus Manns „Mephisto“ gegenüber – funktioniert super und eröffnet ganz neue Sichtweisen auf beide. Es werden 15 solcher Bestseller-Paare vorgestellt und dazu zehn Besonderheiten, die in kein Schema passen, so wie die Bibel oder Harry Potter. Christian: Harry Potter hat zum Beispiel die Spiegel-Bestsellerliste umgestellt! Denn eigentlich hätte man ihn gar nicht aufnehmen dürfen, da es sich um ein Jugendbuch handelt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Von links: Annika, 33, Christian, 29, und Kristin, 25 jetzt.de: Und wer kauft das? Kristin: Es ist mindestens ein Bestseller für jede Couleur drin. Die Grenzen verwischen, Konsumenten und Leseverhalten ändern sich. Heute sind Bücher durchaus generationenübergreifend – wie unseres. Jeder findet darin eine Identifikationsmöglichkeit. Für die Kinder gibt’s Harry Potter, für die Oma Rosamunde Pilcher. jetzt.de: Ihr habt tolle Leute interviewt – Tanja Kinkel, Cornelia Funke, große Verlagschefs, den Übersetzer von Rosamunde Pilcher ... was kam dabei heraus? Kristin: Unsere Interviews zielen auf die persönliche Meinung der Interviewpartner, welches Rädchen im Verlagswesen gedreht wird, damit das Buch zum Bestseller wird. Annika: Oder ob es dieses Rädchen überhaupt gibt, ob man einen Bestseller tatsächlich gezielt lancieren kann. jetzt.de: Und, kann man das, einen Bestseller „machen“? Annika: Tja, da musst Du unser Buch lesen und es selbst herausfinden. Aber wir können verraten, dass es da schon so ein paar Dinge gibt, die zumindest hilfreich sind. jetzt.de: Die Abschlussbücher der Vorgängerjahre – „Zeitgeister“ und „Seitenwege“ – waren ganz erfolgreich, „Zeitgeister“ ging sogar in die zweite Auflage. Erhöht das den Druck? Kristin: Es ist eher ein Ansporn. Annika: Da zeigt sich, was ihm Rahmen eines Studentenprojektes möglich ist. Die Buchwissenschaft hat sich so weit entwickelt, dass das von der anfänglichen Broschüre bis hin zum heute theoretisch marktfähigen Buch reicht. jetzt.de: Ihr seid insgesamt 22, und ihr habt alles demokratisch entschieden. Ist jetzt keiner dauerhaft beleidigt? Kristin: Das ist ja in jeder größeren Gruppe so, dass es mehr als eine einzige Meinung gibt. Jeder stellt seine Ideen und Argumente vor, aber das Ziel der Gruppe bleibt immer das Wichtigste. Einzelne Ideen zögern den Entscheidungsprozess hinaus, deshalb musste manchmal ein Mehrheitsentscheid her. Annika: Das ist alles auch eine gute Übung für die Praxis. Kommunikation üben, um zu Entscheidungen zu kommen. Klar ist das manchmal mühsam, aber letztendlich haben wir uns nie eine Diktatur herbeigewünscht. Kristin: Okay, die Zündschnur ist manchmal schon recht kurz. Die meisten von uns haben einen Job, dazu kommen Scheine, Prüfungen, Praktika, Bewerbungen und dann das Buchprojekt – zeitlich schwierig. Aber es gelingt. Wir haben ja auch vollen Körpereinsatz gezeigt. jetzt.de: Ihr habt vollen Körpereinsatz gezeigt? Wie darf man das verstehen? Kristin: Wir wollten die Buchthemen mit eigenen Fotos umsetzen. Zur Tintentod-Trilogie von Cornelia Funke haben wir die Hände von einer Kommilitonin komplett in schwarze Tinte getaucht. Sie hat das natürlich freiwillig gemacht, aber bis das wieder abgeht... Annika: Oder nachts auf dem Friedhof. Bei unseren historischen Bestsellern ist das „Noth- und Hülfsbüchlein“ dabei, ein Ratgeber aus dem 18. Jahrhundert, da geht es unter anderem darum, wie man Beerdigungen von nur scheinbar Toten verhindert. Christian: Es gab auch die Diskussion, ob man den Erotik-Roman „Lady Chatterley“ mit in weibliches Schamhaar gesteckten Blumen darstellen soll. Aber das Schamhaar-Model ist uns wieder abgesprungen, das haben wir dann doch gelassen. Kristin: Oder für Hedwig Courths-Mahler, da haben wir Dildos fotografiert, die waren auch schon im Buch, aber im letzten Moment haben wir sie wieder rausgenommen. Das war zum Beispiel ein typischer Mehrheitsbeschluss, da haben die meisten gesagt, das gefällt uns dann doch nicht so. jetzt.de: Von euren Dozenten, Praktika und Jobs kennt ihr die deutsche Verlagsszene bereits. Habt ihr Tipps für Veröffentlichungswillige? Kristin: Es ist kein Geheimnis, dass es nicht ganz einfach für junge unbekannte Autoren ist. Viele schicken ihre Manuskripte unverlangt ein. Davon schaffen es die wenigsten auf den Verlegertisch. Besser ist der Weg über eine Literaturagentur, die den Künstler professionell berät und hinsichtlich seines Stils und Genre weiter vermittelt. Die Agentur wirkt wie ein Filter für die Programmplanung eines Verlages. Annika: Also entweder braucht man ganz viel Glück oder viel Vitamin B. Christian: Wobei es ja schon immer wieder die Story gibt, dass eine Tanja Kinkel unverlangt an einen Verlag schickt und dann – Volltreffer. Annika: Oder Joanne K. Rowling. Christian: Hat man beispielsweise einen Fantasyroman geschrieben und man weiß einen Verlag, der Fantasy verlegt und in dessen Programm er passen würde, dann gibt es keinen Grund, das nicht einzuschicken. Man muss halt die Nische treffen. Selbst bei großen Verlagen wird jedes Manuskript wenigstens einmal angesehen - und wenn’s der Praktikant macht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Seitenweise Erfolg. Vierzig Bestseller und ihre Geschichten ist im Bramann Verlag erschienen, hat die ISBN 978-3934054936 und kostet 16,90 Euro.

Text: eva-bader - Foto: privat

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