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Wer sich nicht traut, ist selbst schuld
Für "Wer früher stirbt, ist länger tot" hat Rosenmüller auf dem Filmfest München den Förderpreis des deutschen Films für Regie erhalten. Der Film erzählt die Geschichte des elfjährigen Sebastian, der auf einem bayerischen Bauernhof lebt. Als er erfährt, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben ist, plagen ihn Schuldgefühle und die Angst vor dem Fegefeuer. Für Sebastian gibt es nur zwei Möglichkeiten, sich zu retten: Er muss Gitarre spielen lernen, weil Musik unsterblich macht, und er muss seinem Vater eine neue Frau suchen, um seine Schuld auszugleichen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
„Wer früher stirbt ist länger tot“ ist im bayerischen Dialekt gedreht und auch sonst recht bayerisch. So wie die meisten deiner Filme. Warum diese Heimatverbundenheit?
Einfach weil ich so am besten erzählen kann. Weil ich den
Humor sehr gerne mag und daraus auch schöpfe. Das Bayerische, vor allem die Sprache, hat eine gewisse Archaik, eine Art Urkraft, die man spürt und für die eigene Kreativität nutzen kann. Diese Urkraft wirkt noch besonders in den ländlichen Gegenden, wo mein Film ja auch spielt. Wahrscheinlich hätte den Film aber auch ein Filmemacher aus einer anderen Gegend Deutschlands in seinem eigenen Dialekt drehen können. Wobei, der bayerische Dialekt ist schon besonders kraftvoll, selbstbewusst und direkt.
Wie kommt dein Film in anderen Teilen Deutschlands an?
Bis jetzt sehr gut. „Wer früher stirbt ist länger tot“ wird auch in Berlin, Hamburg und anderen Städten außerhalb Bayerns zu sehen sein. Und die Nicht-Bayern, die den Film bisher gesehen haben, haben ihn auch verstanden.
Inwieweit ist die Thematik von „Wer früher stirbt ist länger tot“ typisch bayerisch?
Das Grundthema an sich, Schuld und Sühne, ist überhaupt nicht bayerisch. Die Vorstellung, dass der Mensch mit einer Grundschuld lebt, kommt in vielen Religionen und Kulturen vor. Im Film erfährt ein Elfjähriger, dass seine Mama bei seiner Geburt gestorben ist und schon hat er ein schlechtes Gewissen, obwohl er ja nichts dafür kann. Der Moment, in dem der Mensch merkt, er ist schuldig, er ist ein Sünder, das ist das interessante. Und die Frage, wie ich dann mein Leben in die Hand nehme und versuche, Gutes zu tun. Der Mensch neigt einfach zu Schuldgefühlen, sich selbst und anderen gegenüber. Ständig hat man ein schlechtes Gewissen, das man nur in ganz selten Momenten der Erlösung beruhigen kann. Wenn man mal wieder beim Laufen war zum Beispiel oder ein bisschen Geld gespendet hat. Das hält aber nie lange an.
Die Hauptfigur Sebastian ist ein Kind und hat eine naive Sichtweise, für ihn ist das Fegefeuer eine reale Bedrohung. Als Erwachsener glaubt man an sowas ja nicht mehr.
Die Angst und das schlechte Gewissen verschieben sich mit der Zeit, man verlier als Erwachsener die Fantasie und den Glauben an das Surreale. Als Kind muss man immer aufschauen, zu den Eltern und den Lehrern und die erzählen einem dann, dass über allem noch etwas steht, nämlich der Herrgott. Deswegen kuscht du erstmal. Und irgendwann emanzipierst du dich und erkennst, dass Eltern und Lehrer auch nicht alles wissen. Aber das schlechte Gewissen bleibt, es hat sich nur verschoben und kommt jetzt aus einem selbst. Freuds nennts Über-Ich.
Hast du selbst als Kind an das Fegefeuer geglaubt?
Nicht an das Fegefeuer direkt. Aber ich bin katholisch aufgewachsen und die Angst vor einer höheren Instanz, vor der man sich nach dem Tod rechtfertigen muss, war schon präsent. Inzwischen ist die Angst natürlich viel Diesseitiger, ich will einfach ein guter Mensch sein, für mich und für andere. Das will doch jeder.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wenn man sich den Abspann deines Films ansieht, kennt man viele der Namen aus anderen bayerischen Produktionen, z.B. aus dem Kinofilm „Grenzverkehr“. Ist das eine bayerische Filmclique, in der du da bist?
Das kann man schon so sagen. Der Stefan Betz, der Regisseur von „Grenzverkehr“, und ich haben uns in München zum Beispiel vor einiger Zeit zusammen ein Büro gemietet und in dem einen Zimmer hat er den „Grenzverkehr“ geschrieben und ich im anderen „Wer früher stirbt ist länger tot“. Wir bayrischen Regisseure mögen uns halt alle und sehen uns immer wieder. Wir fragen uns auch gegenseitig, mit wem hast du da zusammen gearbeitet, ist der gut und oft heißts dann ja, freilich, der ist super, den musst du nehmen und so ergibt sich das dann.
Wenn man an die Münchner Filmszene denkt, denkt man schnell an die Gruppe um Rainer Werner Fassbinder in den späten Sechzigerjahren. Gibt es da Parallelen?
Das war schon ganz anders. Die waren alle ziemlich besessen damals. Ich arbeite auch viel, aber Film ist nicht das Wichtigste in meinem Leben, ich seh mein Glück auch noch woanders, zum Beispiel spiel ich leidenschaftlich gerne Fußball, zwar nur in der Reserve der Kreisklasse, aber ich würde sagen, das ist mir fast genauso wichtig wie das Filmemachen. Außerdem war damals alles auf die Person Fassbinder fixiert, alle haben für ihn gearbeitet und wenn einer ausscherte, gabs Ärger. Heute ist das alles viel offener und weitläufiger.
Und es war alles unglaublich politisch damals.
Stimmt, das waren politische und soziale Geschichten. Fassbinders Filme haben wirklich etwas verändert. Das werden meine Filme nicht, sie werden gut unterhalten, auf niveauvolle Weise, hoff ich mal. Mein politischer Ansatz ist zu zeigen, dass zwar viele schlimme Sachen passieren, dass die Welt und die Menschen aber an sich nicht böse sind. Und ich versuche, die Dinge mit Humor zu sehen. Dass heute alles so entspannt und leicht ist, haben wir natürlich Leuten wie Fassbinder und den 68ern zu verdanken. Die haben damals die Freiheiten für uns erkämpft. Heute bin ich frei, ich kann alles ansprechen. In meinem Film kommen Sätze vor, die damals sicher eine größere Kontroverse ausgelöst hätten und heute viel lockerer gesehen werden. Ich kritisiere die Kirche, spiele auf Hexenverbrennung an und so weiter. Im Prinzip darfst du alles sagen in der heutigen Zeit, du musst dich nur trauen. Wenn du dich nicht traust, bist du selber Schuld.
Bild1: dpa; Bild2: dpa