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„Wer macht denn überhaupt noch solche Musik?“

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Neuer Look, alter Sound - Spillsbury haben sich für das zweite Album neu eingekleidet (Foto: Anja Lubitz) Das Hamburger Elektropunk-Duo Spillsbury hat mit „2“ gerade den großartigen Nachfolger ihres Debüts „Raus!“ aufgenommen. Zoe Meißner und Tobias Asche widerlegten im Interview ihren Ruf als „stille Stars“, auch wenn der Supergau zu Beginn des Gesprächs ganz nah schien: Den Tisch teilten wir mit der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift INTRO, in deren Rubrik „Platten vor Gericht“ Spillsbury einen miserablen letzten Platz belegen. Eure zweite Platte fängt an mit den Worten: „Schwere erste, jetzt die zweite, bitte keine weiteren Fragen“. Soll ich wieder gehen? Zoe: Ja. (lacht) Tobias: Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen. Wusstest du das, Zoe? Zoe: Ich habe da nie weiter drüber nachgedacht. (zeigt ihm die aufgeschlagene INTRO) Aber Tobi, schau dir mal unseren Abstand zu den anderen an! Tobias: Dass das Album so anfängt, ist reiner Zufall. Der Song ist schon älter, und damit ist auch was ganz anderes gemeint. Trotzdem war natürlich die erste Platte leichter als die zweite, fand ich. Zoe: (immer noch vertieft in die Zeitschrift) Was haben die denn hier mit meiner Stimme? Ich verstehe das überhaupt nicht. Die Band The Go! Team vergleicht deine Stimme mit der von Samantha Fox. Zoe: Es gibt nun wirklich schlimmere Stimmen als meine. Oder? Ich glaub, ich hör auf. (lacht) Tobias: Jetzt, wo wir nicht mehr so „erfrischend unbekümmert“ sind und „weniger frech“. Zoe: Sagt Sabine Danske. Kenn ich nicht. Tobias: „Frech“ war immer meine Lieblingsvokabel in Bezug auf die erste Platte. Zoe, dir wurde damals auch gleich noch das Image der frechen Göre verpasst. War das nicht schrecklich? Zoe: Am Anfang habe ich jede Kritik ganz persönlich genommen. Bis mir irgendwann aufgefallen ist, dass die Leute mich doch gar nicht kennen. Die beurteilen mich halt aufgrund meines Gesangs. Eure neue Platte ist ja nicht mehr ganz so „frech“ wie die erste. Heißt: Ihr seid ruhiger geworden. Wie kam es dazu? Tobias: Sagen wir mal so: Die Songs sind zum Teil langsamer. Ruhiger würde ich nicht sagen. Während beim ersten Album alles immer gleich losknüppelte, gerieten die Melodien völlig in den Hintergrund. Der Beat wummerte ständig durch. Dieses Mal haben wir mehr Melodien und Sound da reingepackt, so dass es einfach zu voll würde, wenn da noch mehr Beat wäre. Da haben wir uns ein bisschen zurückgenommen. Tobias, du nimmst dich auch beim Gesang zurück. Auf dem ersten Album hat man dich noch öfter gehört. Tobias: Ach, ich habe meine zwei Sätze, die ich auch auf dem ersten Album hatte ... Zoe:Wir kamen ja aus der Punkrock-Ecke, da hatte ich einen Leadgesang und mehr nicht. Damals hat Tobias die zweite Stimme gesungen. Bei diesem Album haben wir die Option genutzt, dass ich – mit meiner schrecklichen Stimme! – alles zukleistern konnte. Tobias: „Kopfschmerzgesang“ sagen die INTRO-Praktikanten! Zoe: Das werde ich jetzt nie wieder los, ich werde immer schlimme Witze darüber machen müssen, um das zu verarbeiten. Du könntest dir irgendwann auch professionelle Hilfe suchen. Zoe: Was soll das denn jetzt heißen? Nein, nicht wegen der Stimme! Wegen der Psyche. Zoe: Ach so, ich dachte, ich sollte Gesangsunterricht nehmen. Tobias: Mein Reden, das sag ich ja schon immer! (beide lachen) Schreibt ihr eure Songs eigentlich am Computerschreibtisch oder im Proberaum? Tobias: An meinem Rechner bin ich eh jeden Tag, weil ich Programmierer bin. Irgendwann kriegte ich diese Synthesizer-Software „Reason“. Damit hat man ganz schnell einen ganz einfachen Beat. So ist der erste Song entstanden von der ersten Platte, „Zwei Sekunden“. Der war nach einer Stunde fertig. Als 2002 eure EP erschien, kamt ihr gleich in die Schublade: 80er-Revival, NDW, Berlin und MIA. ... Tobias: Ja, wir waren auch ganz lange eine Berliner Band ... Aber das war überhaupt nicht der Plan! Wenn man das im Nachhinein sagt, hört sich das so unglaubwürdig an. Es war aber einfach so: Ich hatte dieses Programm, und das Einfachste, was man da rauskriegt, ist dieser Oktavbass, humpa-humpa-humpa und bumm-tschak, bumm-bumm-tschak. Den hört aman dann plötzlich auch überall. Und heute? Wer macht denn jetzt überhaupt noch solche Musik? Keiner. War das für euch ein Ansporn – jetzt erst recht? Tobias: Das hat da ganz stark mit reingespielt. So wie ich nicht sagen könnte, wer damals so einen Sound gemacht hat, so wüsste ich auch nicht, wer sowas zur Zeit macht. Ich war von „2“ anfangs nicht besonders begeistert. Das Album braucht schon ein bisschen Zeit. Zoe: Das sagen alle. Aber Sachen, die man öfter hören muss, bis sie einem gefallen, begleiten einen viel länger. Zum Beispiel Moloko, für die habe ich Jahre gebraucht. Wir haben diese "Platten vor Gericht-Kritiken ja auch mal gemacht für die INTRO - und bei manchen Bands nach zwei Sekunden gesagt: „Iiih, mach aus!“ Also haben wir das mit den schlechten Kritiken nicht besser verdient.

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