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Wege zum Kommunismus

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jetzt.de: Eure Parteichefin Gesine Lötzsch hat vor kurzem in einem Beitrag für die Junge Welt geschrieben: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“ Daraus ist eine große Debatte entstanden. Wie erklärt ihr euch das?  
Norbert Müller: So richtig verstehen tue ich die ganze Aufregung nicht. Aber es hat wohl schon etwas damit zu tun, dass sich die Menschen in Zeiten einer Krise den Kapitalismus schönlügen müssen. Wenn dann auf einmal die Debatte um Alternativen aufkommt, reagieren gerade die anderen Parteien beim Wort „Kommunismus“ sofort allergisch. Das wird dann gleich mit Mauer, Stacheldraht und Stalin in Verbindung gebracht, dabei gibt es ja auch einen Reform-Kommunismus, der nichts mit Stalinismus zu tun hat. So entstehen Behauptungen in den Medien und der Opposition, die Linke werde eine kommunistische Partei und wolle die DDR zurück. Dabei haben sich einfach nur viele Politiker nicht damit abgefunden, dass die Linke nun fester Teil eines fünf-Parteien-Systems in Deutschland ist.

jetzt.de: Also hat Frau Lötzsch das alles gar nicht so gemeint?
Norbert Müller: Gesine Lötzsch weiß sicher, dass ihre Partei nicht auf dem Weg in den Kommunismus ist. Sie hat später ja noch bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz von sich als sozialistische Demokratin gesprochen .

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Norbert Müller, 24, ist im Parteivorstand der Linksjugend. Der gebürtige Brandenburger bezeichnet sich selbst als Kommunisten.

jetzt.de: Und wie sieht es innerhalb der Linksjugend aus? Ist die auf dem Weg in den Kommunismus?
Norbert Müller: Innerhalb der Linksjugend gibt es schon verschiedene kommunistische Vorstellungen. Das Spektrum reicht von Ansätzen, den Kapitalismus zu verbessern bis hin zur Anarchie. Von daher ist es schon treffend, dass Frau Lötzsch von einem Weg in den Kommunismus sprach. Für mich zum Beispiel ist schon klar, dass wir langfristig den Kommunismus als Gesellschaftsform wollen, andere ziehen da aber einen nicht so großen Wurf in Betracht.

jetzt.de: Aber ist das nicht ein Widerspruch? Zu sagen, die Linke wolle nicht zurück in den Kommunismus, die Linksjugend denke aber darüber nach?
Norbert Müller: Zuerst einmal gibt es für uns kein „zurück“ in den Kommunismus. Das, was damals in der DDR stattfand, war kein Kommunismus sondern deformierter Staatssozialismus. Über die Opfer des Stalinismus muss man gar nicht diskutieren. Das waren Verbrechen und das würde so keiner mehr wollen. Wir blicken stattdessen nach vorne. Die meisten jungen Menschen, die sich als links verstehen, schauen über Marx hinaus und denken über alternative Konzepte zum Kapitalismus, wie einen Reform-Kommunismus nach.
Die Partei die Linke etabliert sich hingegen gerade als Arm von sozialen Bewegungen. Sie muss versuchen, Menschen für sich zu gewinnen um so gemeinsam stückchenweise die Gesellschaft zu revolutionieren. Dabei stehen die aktuellen Bedürfnisse der Bevölkerung, wie eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze, an erster Stelle. Somit sind in der Programmdebatte gerade ganz andere Dinge wichtiger, als der Kommunismus.

jetzt.de: Würdest du dich selbst denn als Kommunisten bezeichnen?
Norbert Müller: Ja, das würde ich schon.

jetzt.de: Ein Großteil eurer Mitglieder ist ja höchstwahrscheinlich nach dem Mauerfall geboren worden. Ist da Kommunismus vielleicht wieder mehr ein Thema, da man die Greueltaten des DDR-Regimes nicht selbst erlebt hat?
Norbert Müller: Es stimmt, dass unser durchschnittliches Mitglied unter 20 ist, da ist der Mauerfall kein Thema mehr. Die fragen sich viel mehr, gerade wenn sie wie ich in Brandenburg wohnen, warum ein Drittel hier Hartz IV bezieht, warum sie keinen Ausbildungsplatz bekommen, warum das Bildungssystem sie so zerreibt und wie ein besseres System aussehen müsste. Aber viele sind es auch Leid, sich immer wieder für die Vergangenheit der SED entschuldigen zu müssen. Man bittet ja auch nicht die katholische Kirche bei jeder Aussage, sich gleichzeitig für die Inquisition zu entschuldigen.

jetzt.de: Wie beurteilst du dann die Vorwürfe, Frau Lötzsch hätte in ihrem Text in der Jungen Welt auch an die Verbrechen im Kommunismus erinnern müssen?
Norbert Müller: Das ist eine Unverfrorenheit. Frau Lötzsch hat über die Zukunft der Partei geschrieben, nicht über deren Vergangenheit. Dann zu sagen, sie hätte in einem Zug mit dem Kommunismus auch dessen Verbrechen erwähnen müssen, ist allmählich kein Argument mehr. Die Menschen, die heute in die Linke eintreten, waren nicht in der SED. Zwar steht die Linke mit dieser Partei in organisatorischer Tradition, mehr aber auch nicht. Man muss sich ja auch nicht zweimal in die selbe Scheiße reiten, um es salopp auszudrücken.

jetzt.de: Aber eigentlich gibt es doch die Erkenntnis, dass Kommunismus in der Praxis nicht funktioniert oder zu Lasten der Menschen geht - siehe China oder Kuba.
Norbert Müller: Was wir wollen, ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft, in der nicht jeder täglich malochen muss, um am Ende dann nur einen Hartz IV-Satz als Gehalt zu bekommen. Wir wollen eine freie Gesellschaft, in der sich jeder entfalten kann. Ein System wie China ist da keine Alternative, da gibt es ja auch weiterhin Klassenunterschiede.

jetzt.de: Trotzdem ist der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus ja auch der Theorie nach immer mit einer Diktatur verbunden...?
Norbert Müller: Das ist nun die leninistische Argumentation. Für uns muss das nicht sein, mann kann die Revolution Schritt für Schritt voranbringen. Momentan denkbare Schritte wären, die Schlüsselindustrien zu vergesellschaftlichen. So gäbe es Kontrolle des Staates durch die Gesellschaft. Die Hypo Real Estate wurde beispielweise verstaatlicht und paradoxerweise haben die Menschen nun gar keinen Zugriff mehr darauf. Die Frage des Eigentums sollte deshalb neu geklärt werden, unter starker Beteiligung des Volkes.

jetzt.de: Wenn du für den Kommunismus bist - war dann Frau Lötzschs Rede nicht ein guter Anstoß, um diesen Gedanken weiter zu verbreiten?
Norbert Müller: Die Debatte haben wir eher schmunzelnd beobachtet oder sie war mal gut für einen schlechten Feuillton-Artikel. Frau Lötzschs Beitrag wird erstmal keinen großen Widerhall finden, da andere Themen für die Menschen akuter sind. Erst wenn diese aktuellen Themen geklärt sind, dann wird man sich der Grundsatzdebatte des Kommunismus stellen können.


Text: charlotte-haunhorst - Bild: privat

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