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"Während dem Telefonsex putze ich oder wasche ab"
jetzt.de: Hallo, störe ich dich gerade? Musst du ans Telefon gehen, wenn es klingelt? Nein, aber es kann sein, dass es im Hörer piepst, dann hab ich noch jemanden in der Leitung. Und das wäre dann ein Kunde? Genau, aber ich werde nicht abheben. Wann hast du denn Feierabend? Feierabend? So etwas habe ich nicht. Wenn ich noch wach bin, dann gehe ich auch um drei Uhr in der Nacht ans Telefon. Stört dich das nicht? Manchmal schon. Aber ich bin ehrlich: Ich denke meistens an das Geld und hebe ab. Wie viel Geld verdienst du pro Anruf? Der Anrufer zahlt zwei Euro pro Minute, ich bekomme davon 1,21 Euro. Im Schnitt habe ich 50 bis 60 Kunden pro Tag, die meisten bleiben etwa zwei Minuten am Hörer. Wie kam es dazu, dass du mit Telefonsex angefangen hast? Vor etwa sieben Jahren war ich bei Freunden von mir. Ein Bekannter fand meine Stimme sehr schön und aus Spaß meinte er, dass sie perfekt für Telefonsex wäre. Damals hätte ich nie gedacht, dass es so einfach ist, mit Telefonsex anzufangen. Ich dachte immer, dass die Damen in anonymen Callcentern sitzen, eine Frau neben der anderen. Der Bekannte hat aber zufälligerweise bei der luxemburgischen Post gearbeitet, so konnte er mir eine Hotline einrichten und ich musste nur noch eine Anzeige in der Zeitung aufgeben.
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Wie hast du gelernt, wie man Telefonsex macht? Das kommt mit der Zeit. Am Anfang haben sich ein paar Kunden beschwert, dass ich immer dasselbe mache und mir etwas Neues überlegen soll. Da überlegt man sich dann eben etwas. Kannst du dich noch an den ersten Anrufer erinnern? Ja, er hieß Bob und ich habe aufgelegt, weil ich so aufgeregt war. Ich wusste nicht, was ich dem erzählen soll, was der von mir erwartet. Ich habe dann ein paar Stunden gewartet, bis ich wieder ans Telefon gegangen bin. Ich glaube ich müsste erstmal laut lachen. Ich muss mir heute noch oft ein dickes Grinsen verkneifen. Ich denke immer, ich kenne alles, ich weiß, was die Männer wollen. Trotzdem gibt es immer Männer, die mich überraschen. Was war das Komischste, was ein Kunde von dir wollte? „Halt mal den Hörer an deinen Hintern und furze“. Da habe ich mir gedacht: Wie kann man so was wollen? Was hat so was mit Sex zu tun? Hast du das gemacht? Nein, auf keinen Fall. Es gibt sogar Männer, die wollen, dass ich wie ein Kind klinge. Da lege ich sofort auf. Hast du eine gewisse Routine? Ja, auf jeden Fall. Die bekommt man mit der Zeit. Und man kennt nach einer Weile auch seine Kunden, hat Stammkunden. Da weiß man schon vorher, was man sagen soll. Wie sieht denn ein normaler Arbeitstag von dir aus? Sitzt du in Lack und Leder auf der Couch? Nein, ich bin ganz normal angezogen. Eine normale Hausfrau, die den Hörer abnimmt und dann Telefonsex macht. Du arbeitest zu Hause - was machst du zwischen den Telefonaten? Ganz normale Hausarbeit. Und während der Telefonate? Am Anfang war ich sehr aufgeregt, mittlerweile muss ich mich aber nicht mal mehr konzentrieren - beim Telefonieren putze ich deshalb oft oder mache den Abwasch.
Was sind das für Leute, die bei dir anrufen? Ich habe jeden Typ von Kunden, in jedem Alter. Vor kurzen hat jemand aus dem Altenheim bei mir angerufen, der war 81 Jahre alt. Der wollte aber nur von früher erzählen. Ich habe ihm gesagt, dass es eine Nummer für Depressive gibt, die er anrufen kann. Die kostet nichts und man kann sich aussprechen. Aber das wollte er nicht. Ganz schön traurig. Ja. Und außerdem teuer. Aber dem war das egal. Es passiert aber öfter, dass Kunden mit mir reden wollen. Zuerst ist es immer „Mach's mir, Baby“, dann erzählen sie. Zu vielen Kunden habe ich deshalb eine engere Bindung. Die freuen sich, wenn ich frage, wie es ihrem Sohn geht. Wie oft rufen die Kunden denn bei dir an? Manche täglich, andere ein-, zweimal die Woche. Und dann gibt es noch so etwas wie Laufkundschaft, die rufen einmal bei mir an und dann nie wieder. Hast du einen Lieblingskunden? Nein. Weißt du, von wo aus die Männer anrufen? Viele in der Mittagspause aus der Arbeit, von zu Hause aus oder auch aus der Garage. Manchmal rufen sogar aus dem Auto an - während sie fahren. Denen sag ich dann, sie sollen doch bitte rechts ran fahren. Gibt es auch Flauten? Sportübertragungen! Formel eins ist ganz schlimm, da ruft mich kein Mensch an. Aber sobald das Rennen vorbei ist, geht hier das Telefon. Hattest du irgendwann schon mal Gewissensbisse? Nein, nie. Wenn ein Mann in einer Beziehung ist, dann ist Telefonsex für mich auch nicht einmal fremdgehen. Für mich ist das eine ganz normale Arbeit geworden. Ich erzähle aber eben nicht jedem, was ich tue. Weiß jemand, dass du als Telefonsexanbieterin arbeitest? Mein Freund, ein paar Freunde und ein Teil meiner Familie. Was hat deine Familie gesagt? Einige waren schockiert, aber das ist mir in dem Moment egal. Und dein Freund? Für ihn ist es noch sehr, sehr neu. Meinem Freund habe ich gesagt, ich müsse ihm etwas zeigen. Dann hab ich meine Internetseite aufgemacht. Er hat sich hingesetzt, mich angekuckt, dann den Bildschirm, dann wieder mich. Er konnte einfach nicht glauben, dass ich das auf der Homepage war. Daran muss er sich noch gewöhnen. Bei meinem Ex Freund war das anders, damals bin ich oft ans Telefon gegangen und er saß grinsend daneben. Bei meinem neuen Freund mache ich das noch nicht. Wenn er bei mir ist, lasse ich den Anrufbeantworter laufen Wie lange willst du noch Telefonsex machen? So lange es sich noch lohnt. Anbieterinnen mit Kamera werden leider immer beliebter. Was ist für dich das Wichtigste bei deiner Arbeit? Geld. Gibt es Dinge, die du an deiner Arbeit gern machst? Nein, ich hab mich nur dran gewöhnt. Manchmal nervt es auch, permanent diese Männer stöhnen zu hören.
Text: christoph-gurk - Illustration: Christian Fuchsberger