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Verbessern, verändern, gestalten - Jochen Distelmeyer über das neue Blumfeld-Album "Verbotene Früchte"
Beglückend ist nun auch wieder das aktuelle Blumfeld-Album geraten, bei dem die Wut über gesellschaftliche Dissonanzen merklich hinter liebevolle Naturbeobachtung zurücktritt. Neu waren auch die Produktionsbedingungen, unter denen "Verbotene Früchte" entstand, das am kommenden Freitag erscheint: Die pur arrangierten Stücke - angesiedelt zwischen Folk, Swing, Chanson und Rock - wurden im O-Ton Studio von Stefan und Frank Wulff aufgenommen, deren Dienste bereits Lou Reed oder Nick Cave in Anspruch nahmen. jetzt.de sprach mit Jochen Distelmeyer.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Herr Distelmeyer, zunächst herzlichen Glückwunsch zum ersten Jahreszeiten-Album der Popgeschichte. Äh, das hat mir noch gar keiner gesagt. Da bin ich jetzt ein bisschen erstaunt. Aber: Ja, kann sein. "Schnee" ist eine Ode an den Winter, in "April" besingen Sie die Blütenpracht des Frühlings, "Heiß die Segel" ist ein eindeutiger, verzeihen Sie den Ausdruck, Sommersong und "Ich fliege mit Raben" völlig herbstlich geprägt. Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass das alles Zufall war. Nein, natürlich nicht. Es gab schon die Überlegung, dem Album mehrere unterschwellige Strukturen zu geben. Nur eine Struktur wäre mir jetzt zu konzeptuell gedacht. Wobei es bei der Reihenfolge der Stücke nicht ausgeschlossen wurde, dass es diese Lesart geben könnte. Ich finde das übrigens sehr schön: "Jahreszeiten-Album". Hinzu kommen die Elemente Erde, Wasser, Luft. Wo ist das Feuer geblieben? Feuer kommt auch vor ... ... aber dann eher zwischen den Zeilen. Auch als Song. Er heißt "An eine Landschaft", hat seinen Weg aber nicht aufs Album gefunden. Außerdem wollten wir das Stück ein bisschen exklusiver behandeln. Das wird den Zuhörerinnen und Zuhörern jetzt auf eine andere Art zugänglich gemacht. (Zur Dame von der Plattenfirma:) Kann ich das eigentlich schon sagen? Ja? Okay. Für "An eine Landschaft" haben wir exklusiv iTunes zur Verfügung gestellt. Allerdings wird bei "Der sich dachte" ja auch ein Feuer entfacht. In dem Stück geht's um einen "Weltverbesserer zwischen Dichtung und Wahrheit". Ist das so biografisch wie es sich anhört? Weiß ich nicht. Das Stück ist eher ein Bänkelgesang, ein Chanson, das sich der Geschichte dieser Figur annimmt. Und ich denke, dass es ein grundsätzlich menschlicher Zug ist, die Welt verbessern, verändern, gestalten zu wollen. Vielleicht kennen das ja mehrere Leute.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ein grundsätzlich menschlicher Zug ist auch das Staunen, dem mehrere Stücke dieses Albums gewidmet sind. In "Schnee" heißt es: "Ich will nicht aus dem Staunen raus". Und "Schmetterlings Gang" ist Musik gewordene Verblüffung... Schmetterlinge sind ja auch unglaublich verblüffend. Ich hab' mal im Fernsehen eine Dokumentation gesehen, die zeigte, wie sich Tausende und Abertausende von Schmetterlingen wie abgesprochen in einer Lichtung versammeln. Die finden sich da an so einem Fleckchen zusammen. Für nur einen Nachmittag. Und verschwinden dann wieder in alle Himmelsrichtungen. Irgendwann mal habe ich auch davon gelesen, dass es Schmetterlingsarten gibt, die sehr weite Strecken zurücklegen, von Afrika bis nach Frankreich oder noch weiter über den Ärmelkanal. Abgefahren. Das finde ich wirklich erstaunlich. Gab das den Ausschlag, sich derart intensiv mit der Schönheit der Natur auseinanderzusetzen? Die Schönheit der Natur war für mich gar kein vorrangiges Motiv. Es geht immer um die Schönheit der Musik und darum, dass die Songs Sinn machen, mit dem, was sie so besingen. Und so genannte Naturmotive tauchen ja auch schon auf den Platten davor auf. Vielleicht nicht ganz so offensichtlich wie diesmal, aber es hat immer schon Stücke gegeben, ob die sich jetzt mit dem Wetter oder Spaziergängen beschäftigt haben. Es ist halt immer die Frage, wo Natur aufhört und wo sie anfängt. Aber grundsätzlich würde ich sagen, dass man alles besingen kann. Das ist auch mein Anspruch. Weil mich alles interessiert. John Lee Hooker hat mal gesagt: "Jeder Tag ist ein Song." Du zündest Dir gerade eine Zigarette an und machst 'n Interview. Es ist ein Song. Das Interview ist vorbei, Du hast die Zigarette ausgeraucht, trinkst noch einen Schluck ausm Glas, gehst zur Tür raus - es ist ein Song. Sehr poetisch, Herr Distelmeyer. Ich seh' mich nicht als Poet. Ich bin ein Songschreiber, der in einer Band spielt. Blumfeld auf Tour: 27. April: Hannover, Musikzentrum 29. April: Berlin, Postbahnhof 02. Mai: Köln, Live Music Hall 03. Mai: Düsseldorf, Zakk 04. Mai: Frankfurt a.M., Festsaal Casino 05. Mai: Schorndorf, Manufaktur 07. Mai: CH ¬ Zuerich, Mascotte 11. Mai: A-Graz, PPC 12. Mai: A-Linz, Posthof 14. Mai: A-Wien, Arena 16. Mai: München, BR Sendesaal 17. Mai: Erlangen, E Werk 20. Mai: Hamburg, Uebel & Gefährlich 25. Mai: Jena, Kassablanca 26. Mai: Neustrelitz, Immergut Festival Fotos: Martin Eberle / SonyBMG