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Und? Wie sieht dein Regierungsprogramm aus?
Wie funktioniert neuverhandeln.at? Es funktioniert nach dem Wiki-Prinzip. Man muss sich zwar registrieren, aber nicht seinen richtigen Namen angeben. Es gibt die Originalversion des Regierungsprogramms zum Lesen und eine zweite Version zum Bearbeiten. Diese ist in mehrere Kapitel unterteilt und wer will, kann jedes Kapitel aufrufen und bearbeiten. Man kann Passagen streichen, hinzufügen und ändern. Es gibt die Möglichkeit, das im Text zu tun und es gibt die Möglichkeit einer Textgegenüberstellung. Außerdem gibt es zu jedem Kapitel Diskussionsforen, in denen man mit anderen diskutieren kann. Dadurch entsteht im Optimalfall so etwas wie eine Verhandlungssituation. Warum haben Sie die Aktion gestartet? Viele Menschen sind total enttäuscht, seitdem das Regierungsabkommen geschlossen wurde. Vor allem viele SPÖ-Wähler, weil die Koalitionsvereinbarung de facto eine Fortsetzung des blau-schwarzen Kurses bedeutet, nur mit der SPÖ als Koalitionspartner. Wenn man sich anschaut, mit welchen Versprechen die SPÖ in die Wahl gegangen ist, Abschaffung der Studiengebühren oder Ausstieg aus dem Eurofighter-Deal, um nun zwei Punkte zu nennen, und mit dem vergleicht, was im Regierungsprogramm steht, dann findet sich von diesen Versprechen einfach gar nichts. Dadurch dass wir das Programm ins Netz gestellt haben, kann sich jetzt jeder erstmals selbst ein Bild machen. Die meisten lesen ja immer nur in den Zeitungen drüber. Das ist ein erster wesentlicher Schritt, um Menschen zu aktivieren. Und dann bieten wir ja noch die Möglichkeit, das Programm beliebig umzuschreiben. Das ist für viele ein Motiv, sich damit zu befassen und zu experimentieren.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wie schließen Sie aus, dass Leute aus dem Ausland mitmachen? Das können und wollen wir nicht ausschließen. Wenn jemand derart politikinteressiert ist und sich sogar am österreichischen Programm beteiligen will, warum nicht? Aber ich mache mir da keine Sorgen, dass die Massen aus dem Ausland das tun, weil so interessant ist das für andere wahrscheinlich nicht. Sie sind seit gestern mit neuverhandeln.at online. Was ist denn seitdem schon geändert worden? 2.000 Seiten wurden seit gestern schon geändert und 50.000 Seiten sind bisher aufgerufen worden. Der erste Änderungswunsch war spannenderweise die Abschaffung des Konkordats. Dazu gibt es auch schon ein Forum. Ich selber habe natürlich auch schon Passagen bearbeitet, in den Kapiteln Inneren Sicherheit und Integrationspolitik. Ich musste dann allerdings unterbrechen. Aber das ist ja das Schöne daran, man kann anfangen, unterbrechen und weitermachen, wann immer man will und Zeit hat. Was erhoffen Sie sich von der Aktion? Wir wollen möglichst viele Menschen dazu animieren, politisch aktiv zu werden. Wir wollen sie für Politik interessieren und ermächtigen, dass sie selbst etwas unternehmen. Ich gehe auch davon aus, dass die ganzen Parteizentralen nicht kalt bleiben werden, sondern allein aus Neugierde immer mal wieder reinschauen werden. Deshalb wissen wir auch, dass wir indirekt sehr wohl mit denjenigen Kontakt aufnehmen können, an die sich die Aktion letztlich richtet. Haben Sie keine Angst, dass manche die Seite missbrauchen könnten, um extreme Positionen zu verbreiten? Störer gibt es immer, damit rechnen wir auch. Aber wir haben auch von Anfang an gesagt, dass wir keine Inhalte zensieren werden. Mit einer Ausnahme: Rassistische, sexistische oder unwürdige Inhalte werden wir entfernen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Was passiert mit dem Alternativ-Programm, wenn es fertig ist? Das werden wir natürlich allen voran den Damen und Herren in der SPÖ- und ÖVP-Zentrale übermitteln. Aber da das Ganze auch nach Abschluss der Aktion im Netz bleiben wird, ist es als Experiment sicher für viele interessant, um nachvollziehen zu können, wie sich die Aktion entwickelt hat. Es ist das erste Mal so, dass jeder an einem Regierungsprogramm mitverhandeln kann. Etwas ändern wird Ihr Alternativprogramm ja aber nicht mehr. Die Zivilgesellschaft kann Dinge vielleicht nicht unmittelbar ändern, aber sie kann sie vorantreiben. Die Politik lebt ja vom Diskurs. Und das ist ein sehr lebendiger Diskursbeitrag, der von den Menschen selbst kommt, die ja alle Wählerinnen und Wähler sind. Die Wahlkampfzentralen sind mittlerweile längst dazu übergegangen, Internetdiskussionsforen zum Beispiel von Zeitungen nicht nur systematisch zu beobachten und mit Kommentaren zu beschicken, sondern auch auszuwerten und zu berücksichtigen, weil sie wissen, dass sie Meinung machen. Am Ende des Tags hat es also doch Einfluss. Wie beurteilen sie denn Chancen des Internets, Einfluss auf die Demokratie zu nehmen du an ihr zu partizipieren? Ich sehe das als große Chance und verfechte auch, dass man über das Internet wählen kann. Ich bin überzeugt davon, dass die Zukunft der Politik und der politischen Partizipation im Internet liegt. Es verschafft Zugang zu vielen Informationen und die Möglichkeit, als Gleichberechtigter mit vielen anderen Menschen zu diskutieren. Foto: wien.gruene.at/Team, Screenshot