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Twitterpolitik

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Jetzt.de: Eure Studie zeigt, wie wichtig Twitter heute für die Politik ist und wie es genutzt wird. Wie kam es zur Studie und was kam heraus?
Julian Ausserhofer: Uns interessierte, ob es einen Austausch zwischen Politikern und Bürgern gibt und inwieweit sich Bürger über Twitter an der Tagespolitik beteiligen können.
Obwohl nur sehr wenige Politiker in Österreich einen eigenen Twitter-Account haben, gibt es einen sehr regen Austausch über politische Themen. Dort werden Geschehnisse, die zum Beispiel Massenmedien oder einzelne Politiker aus Ausschüssen posten, aufgegriffen und diskutiert. Beteiligt daran sind zum Beispiel Oppositionssprecher, viele Journalistinnen und Journalisten, aber auch interessierte Bürger und Blogger. Twitter ist damit zu einem wichtigen Element in der Medienökologie geworden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Demokratie findet auch im Internet statt 

Wann kam Twitter auf der Expertenebene an?
Viele sehen Twitter ja aus ihrer eigenen Perspektive und glauben, die wäre repräsentativ für das gesamte Netzwerk. In Wahrheit hat sich Twitter im Laufe der Zeit sehr stark ausdifferenziert. Angefangen hat das in der Start Up Szene, mittlerweile gibt es ganz viele Sphären, die man thematisch fassen könnte. Wir haben den Bereich der Politik näher betrachtet, aber man hätte auch schauen können, wie Jugendliche auf Twitter interagieren.

Aber gab es einen bestimmten Punkt, ab wann ausdifferenziert wurde?
Es gab ein paar historische Momente, die Twitter ins Medienzeitalter abseits der technikaffinen Journalisten brachte. Zum Beispiel die Notlandung auf dem Hudson River 2009. Viel schneller als in den professionellen Medien erschien ein Bild davon auf Twitter. Seitdem wurde das Netzwerk auch als professionelles Medium wahrgenommen und ist heute für die meisten Journalisten zur Recherche unumgänglich.

68 der 612 Abgeordneten im Deutschen Bundestag haben einen eigenen Twitter-Account. Das klingt wenig. Wie ist das im Vergleich zu anderen Ländern wie Österreich?    
Es ist tatsächlich relativ wenig, wobei die zitierte Studie auch ein bisschen älter ist. Das hat sich inzwischen sicherlich schon erweitert. Viel aktiver sind Länder wie die USA und Kanada, wo es jeweils Plattformen gibt, auf denen aufgelistet ist, welche Politiker noch nicht auf Twitter sind. Dort kann man sie auffordern, doch bitte auch auf Twitter zu gehen. Weil die Twitter-Forschung noch ganz am Anfang steht, kann ich nicht sagen, wo wie viele Politiker twittern.

Gibt es eine steigende Tendenz?
Durchaus. Viele Politiker erkennen, dass sie über Twitter direkt mit Bürgern und Journalisten in Kontakt treten können - und das ganz leicht. Sie brauchen kein Zwischenmedium mehr, das Informationen weiterträgt. Sie werden selbst zum Medium. Allerdings sollte nicht jeder Politiker zum twittern beginnen, nur weil es diese Möglichkeit gibt.

Wieso?
Es passt einfach nicht zu allen. Wenn man twittert, muss man auch mit den Leuten interagieren. Wer als Politiker online geht und nur Pressemeldungen, also Propaganda rausgibt, ist fehl am Platz. Nur Politiker, die interagieren, finden Beachtung. Leute, die Twitter nur als Einwegmedium sehen, haben so gut wie keine Relevanz. Natürlich ist es eine Illusion, dass ein Politiker alle Anfragen beantworten können - sie haben ja noch andere Aufgaben. Aber es kann ein sehr sinnvolles Tool sein, um sein Handeln und seine Entscheidungen transparant zu machen.

Wie geben sich die Politiker im Netz?
Wir haben die Tweets nicht qualitativ ausgewertet, aber auch eigenen Beobachtungen kann ich sagen, dass es dort einen flapsigeren Ton gibt. Viele sind auch per Du mit den Usern und erzählen aus ihrem Leben. Das entspricht auch der Natur von Twitter: Accounts, die sich komplett unpersönlich zeigen, funktionieren nicht. Politik darf dadurch nicht zur Show verkommen, aber wenn das Informelle dazu dient, mehr Leute für Politik und politische Prozesse zu begeistern - und das tut es auch - dann ist das ganz klar ein geeignetes Mittel.

In der Studie heißt es, dass Twitter mehr von Bürgern als von Politikern genutzt wird. Wer steckt hinter diesen Bürgern, und spielen auch junge Leute eine Rolle?
Wir haben die Nutzer nicht altersmäßig erfasst, sondern nur identifiziert, wer zu welchen Themen twittert. Davon ausgehend haben wir alle User, die sich politisch geäußert haben, beobachtet. Das geht von sehr aktiven bis aktivistischen Personen bis hin zu "Heavy Usern", also Leute, die Twitter sehr intensiv nutzen und ihr Leben dort dokumentieren. Politik auch ein Bestandteil davon. Es gibt aber Indizien, dass auch viele junge User auf Twitter sind, weil sie aus dem digitalen Zeitalter kommen. Bei unserer letzten Präsentation waren auch viele junge Leute vertreten. Aber ganz allgemein erreicht man diese politisch besser über Fanpages auf Facebook.

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Illustration: Julia Schubert


Die Statistik zeigt, wer überwiegend Twitter politisch nutzt

Sollte man dennoch Twitter nutzen, um ein aufgeklärter Mensch zu sein?
Twitter ist ein super Instrument, wenn man an topaktuellen oder sehr spezifischen Nachrichten interessiert ist, wie zum Beispiel argentinische Außenpolitik. Auf Twitter hat man dann die Möglichkeit, gezielt direkte Informationen zu erhalten. Es ist also als ergänzender Informationskanal sehr sinnvoll.

Was war für dich persönlich die interessanteste Erkenntnis aus der Studie?
Einerseits, dass es unglaublich viele Interaktionen gibt: Jeder zweite Tweet ist an eine andere Person adressiert. Andererseits, dass bestimmte Nachrichten auf Twitter ganz anders rezipiert werden, als in den traditionellen Massemedien. Zum Beispiel spielen kurzlebige Aktionen wie die Occupy-Proteste in Österreich eine viel größere Rolle, während langfristige Geschichten wie Maßnahmen gegen die Finanzkrise auf Twitter weitgehend ignoriert wurden.

Wie meinst du geht es mit Twitter weiter?
Als ich zu Twitter kam, war es noch ganz klein und hat mit anderen Services konkurriert, die es heute nicht mehr gibt. Ich hätte damals nie gedacht, dass es sich nach Facebook zum zweitgrößten Netzwerk entwickelt und so ein wichtiges Medium wird. Es melden sich immer mehr Leute auf Twitter an. Ich glaube auch, dass die Relevanz von Twitter in der Politik eine größere Rolle spielen wird, ganz einfach weil die Politiker jünger werden und verstärkt auf die neuen Medien setzen. In den nächsten Monaten werden wir noch viel über Twitter aus der Politik erfahren.

Auch die Piraten und die Anti-ACTA-Bewegung dürften einen Einfluss auf die verstärkte Nutzung sozialer Medien haben, oder?
Ja, wobei die Österreichischen Piraten nicht so groß sind wie in Deutschland. In unserer Studie spielen sie noch gar keine Rolle, sind aber am Kommen. Mit ihnen ziehen sicherlich auch soziale Medien und Twitter stärker in die Politik ein. Was Anonymous und autonome Proteste betrifft, agieren die etablierten Politiker höchstens über den Umweg anderer Medien mit ihnen. Sie nehmen sie nicht als Informationsbefreier, sondern nur als Hacker wahr.


Julian (@boomblitz) promoviert am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. Die Studie erarbeitete er gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Axel Kittenberger (@axkibe) und dem Kommunikationswissenschaftler Axel Maireder (@axelmaireder). Alle drei twittern selbst regelmäßig.

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