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Teil 2: "Nein, wir küssen uns nicht!" - wie Synchronsprecher arbeiten
Wie sieht eigentlich beim Synchronisieren eine Erotikszene aus? Ulrike: Man wird oft gefragt, wie macht ihr das, damit es echt klingt? Küsst ihr euch richtig? Natürlich nicht. Es geht ganz einfach: Ich küsse auf meinem Handrücken rum. Es gibt aber auch Kusslaute die man nicht mit der Hand herstellen kann. Zum Beispiel wenn jemand einen anderen auf den Kopf küsst. Dann benutze ich meine eigenen Haare, die zum Glück lang genug dafür sind. Wenn man sich das mal vor Augen hält: da stehen eine Frau und ein Mann nebeneinander, vor sich ein Pult, auf dem ein Dialogbuch liegt, sie starren auf die Leinwand - und küssen sich die Hand oder die Haare! Gerrit:Vieles sieht unheimlich blöd aus bei der Arbeit. Bei der Arbeit an einem Zeichentrickfilm habe ich uns mal gefilmt. Da steht dann jemand und stellt ein kleines hilfloses Kücken dar und daneben steht jemand, der eine böse Schlange spricht. Wir haben die Aufnahmen gesehen und uns schlapp gelacht. Denn natürlich gestikuliert man und derjenige, der das Kücken spricht, macht wahnsinnig große Augen und ein niedliches Gesicht und der, der die Schlange synchronisiert, wird auf einmal eine finstere Schlange, die lispelt! Hört sich unheimlich cool an, aber sieht beknackt aus. Wie groß ist der Freiraum beim Synchronisieren? Gerrit: Die erarbeitete Synchronfassung ist die Grundlage, zusammen mit den Anweisungen des Regisseurs. Es gibt im Englischen und im Amerikanischen Begriffe, die sind überhaupt nicht negativ besetzt. Das Wort „race“ ist im Englischen Sprachraum zum Beispiel völlig in Ordnung. Wenn du hingegen im Deutschen das Wort „Rasse“ verwendest, rutschst du sofort in eine Ecke. Dennoch haben wir ein paar Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist aber schon wichtig am Original zu bleiben, denn der Macher der Synchronfassung hat sich schon was dabei gedacht. Es gibt aber auch Dinge, die sind unverzeihlich: In der Serie „Eine schrecklich nette Familie“ werden Witze über Klaus-Jürgen Wussow aus der „Schwarzwaldklinik“ gemacht. Das tut schon weh… Greift ihr Dialekte auf? Ulrike: Das ist natürlich toll, wenn man bei einem amerikanischen Film Schauspieler hat, die nur den kalifornischen Akzent sprechen und dazwischen sitzt jemand mit einem breiten texanischen Dialekt. Aber was heißt das für die deutsche Übersetzung? Das kann man doch nicht mit einem Münchner und einem Kölnischen Dialekt übersetzen. Mögt ihr es, wenn man euch anhand eurer Stimmen erkennt? Gerrit: Es ist natürlich nervig, wenn die Leute einen bitten: „Sprich doch mal so wie der Leo.“ Das mache ich natürlich nicht. Mein Traum ist es, wie Thomas Danneberg so viele Hollywood-Schauspieler auf einmal sprechen zu dürfen. Zurzeit spricht er Sylvester Stallone, Terence Hill, Arnold Schwarzenegger, Nick Nolte, John Travolta. Der ist wirklich sehr vielfältig, da muss man sich schon fragen: wen spricht der nicht? Das führte schon mal zu der Frage: „Wen wollen sie sprechen, Herr Danneberg? Nick Nolte oder John Travolta?“ Seine Antwort: „Wer hat mehr Takes?“ Meine Frau ist aber schon manchmal genervt, wenn du am Abend vorher mit irgendjemand unterwegs warst und du hörst ihn dann am nächsten Tag im Fernsehen oder Kino. Könnt ihr nach der Arbeit sofort abschalten? Ulrike: Meine Mutter fragt mich oft: „Bist du emotional nicht völlig am Boden, wenn du aus so einer bewegenden Szene herauskommst?“ Es ist klar, wenn du eine Weinszene hast, dass du da natürlich viel von deinen eigenen Gefühlen investierst. Ich habe immer das Gefühl, die Person auf der Leinwand zieht aus mir die Emotionen heraus. Jennifer Aniston verstehe ich in ihrem emotionalen Aufbau sehr gut. Ich habe manchmal das Gefühl „da liege ich drauf wie gespuckt“ - kleiner Insider-Ausspruch. Kate Winslet hat auch etwas sehr eigenes durch ihre „very british“-Haltung. Das kann man nur durch eine bestimmte innere Haltung ausdrücken. Sie hat wirklich außergewöhnlich schöne Töne. Jetzt seid ihr ja nicht nur im Synchronbereich tätig. Gibt es im Sprecherbereich Aufträge, die ihr ablehnt? Ulrike: Wir arbeiten in vielen Bereichen. Filmsynchronisation, Hörspiel, Dokumentationen und auch Werbung. Ich musste mir mal den Vorwurf anhören: „Wie kannst du in einem Film mitsprechen, in dem Tom Cruise mitspielt.“ Das war in seinen Scientology Coming Out Zeiten. Der Vorwurf war natürlich lächerlich, denn ich habe Reneé Zellweger gesprochen und nicht Tom Cruise. Und selbst wenn, hätte ich noch lange nichts mit Scientology zu tun. Ich habe natürlich trotzdem Grenzen. Für bestimmte Parteien oder einige Illustrierte würde ich nicht werben. Gerrit: Auch bei mir sorgt Werbung manchmal für Kritik: „Wie kannst du nur für die werben?“ Mein Repertoire reicht von Müller Milch bis hin zu Amnesty International - dann eben für einen Bruchteil der Gage. Gegenüber dem Kino sind TV-Serien natürlich lukrativer, da du kontinuierlich dabei bist. Ich habe schon die miesesten Schurken und Gutmenschen schlechthin gesprochen. Man macht in diesem Metier eben alles: vom kleinen hilflosen Kücken bis hin zur bösen Schlange. Ich begreife das als Chance. Wie kommt man dazu, dass man jemanden fest spricht? Gerrit: Meistens ist es so, dass es mit einer Serie anfängt. Wenn ein Serienschauspieler dann irgendwann mal in den Kinoolymp aufsteigt, heißt das aber auch nicht automatisch, dass man die Kinostimme wird. Es kann eine bewusste Entscheidung vom Verleih sein: Wir wollen jetzt eine eigene Kinostimme und machen ein neues Probesprechen, wo man sogar bewusst nicht eingeladen wird. Und selbst wenn man schon mal die Kinostimme war, dann heißt das nicht unbedingt, dass man sie auch weiterhin bleibt. Ulrike: Man hat leider nie die absolute Sicherheit, dass man die Feststimme ist oder bleibt. Wenn man schon mehrfach jemanden synchronisiert hat, tut das natürlich ein bisschen weh, wenn ein anderer deinen Part übernimmt, denn man kennt die Art der Schauspielerin und auch ihre Marotten. Aber jeder Verleih hat seine eigenen Vorstellungen. Die Frage ist, wie das Publikum damit klar kommt. Mich selber stört es sehr, wenn ich im Kino sitze und die Stimme nicht mehr zum Gesicht des Schauspielers passt. Habt Ihr euch Titanic zusammen im Kino angesehen? Ulrike: Wir haben eine Vorführung im Vorführraum der Synchronfirma Interopa gesehen, aber im Kino waren wir nicht zusammen. Vielleicht holen wir das zum zehnjährigen Jubiläum im Jahr 2007 nach. Hier geht's zum ersten Teil des Interviews.