Am 22. Juni 2006 demonstrieren 150.000 Studenten in Athen und Thessaloniki. Es kommt zu Ausschreitungen, Foto: dpa
Die Justiz wirft dir den Besitz und Gebrauch von Molotow-Cocktails sowie Widerstand gegen die Festnahme vor. Deine Anwälte schreiben in einer Einschätzung, dass es keine Beweise dafür gibt. Warst du unschuldig inhaftiert?
Timo: Ich bin von MAT-Leuten festgenommen worden. Das ist die Militärpolizei in Griechenland. Die hatten den Auftrag, Auseinandersetzungen mit den Studierenden dadurch zu zerstreuen, dass sie massiv Gewalt anwenden und einzelne Störer festnehmen. Da interessiert erst mal nicht, was die Verhafteten wirklich gemacht haben. Und das ist der normalen Polizei bekannt. Die Beamten von der „Sicherheit“, die sind vergleichbar mit dem Landeskriminalamt in Deutschland, waren deshalb bei den Ermittlungen sehr skeptisch, weil sie schon oft Falschaussagen der Soldaten erlebt haben.
Wie war das bei der Festnahme und auf der Polizei-Wache? Hat es einen Unterschied gemacht, dass du Deutscher bist?
Die Festnahme war sehr grob. Ich wurde in ein Auto gezerrt und mir wurde mit einem Schlagstock auf die Knie geschlagen. Die Blutergüsse kannst du heute noch bewundern. Außerdem hatte ich Blessuren am Hinterkopf.
Neben diesen Schlägen fand ich das Psychoverhör extrem anstrengend. Nach der Festnahme kam ich gleich ins Verhörzimmer, wo ich die nächsten zwölf Stunden verbrachte. Ich verweigerte die Aussage und gab den Leuten zu verstehen, dass ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten werde, da sie mich geschlagen hatten. Irgendwann bekam ich einen schlechten Kaffee und es schien, als seien sie mit mir total überfordert. Ich hatte bis dahin noch nicht mal meinen Namen verraten – das hat sie schon gestresst.
Wie lief das Verhör ab?
Das Verhör war ein Mix aus Englisch und Griechisch, ständiger Wechsel der Beamten in dem Raum, mal Beschimpfungen und Drohungen. Im nächsten Moment dann wieder Kritik an den Soldaten, die mich geschlagen hatten. Sie hatten dann irgendwelche Fotos mit lauter Pfeilen drauf, wo sie meinten mich klar drauf zu erkennen. War natürlich völliger Blödsinn; sollte mich verunsichern und in die Defensive zwingen.
Irgendwann rief ein Anwalt in der Wache an und wollte mich sprechen. Er konnte deutsch, erklärte mir in etwa den Vorwurf, meine Rechte und was als nächstes passieren sollte. Charilaos Ladis wurde dann auch mein Verteidiger. Nach seinen Ausführungen nannte ich den Polizisten meinen Namen und wurde in eine Zelle gebracht.
Am nächsten Tag wurde ich dem Gericht kurz vorgeführt, die Entscheidung, ob sie mich dabehalten wollten, sollte am nächsten Tag getroffen werden.
Auf der nächsten Seite liest du, wie es Timo im 350 Kilometer entfernten Komotini erging.
Du kamst ins 350 Kilometer entfernte Komotini, in dem es ein Untersuchungsgefängnis mit 250 Insassen gibt. Wie lange hast du gebraucht, um dich einzuleben?
Als ich in Komotini ankam, wussten viele, wer ich war, weil sie mich im Fernsehen gesehen hatten. Man empfing mich freundlich. Es gibt den öffentlichen Bereich der Wärter und Besucher, wo alles ordentlich, sauber, frisch gestrichen und holzvertäfelt ist. Der Gefangenen-Bereich ist eine Ruine, völlig abgerissen, notdürftig repariert, rostig und alles stinkt unerträglich. Es gibt zehn Zellen á 25 Leuten auf zwei Etagen. Ich kam in Zelle acht mit lauter Griechen. Die Zellen sind nicht nach Straftaten getrennt, sondern nach Herkunft. Die stecken immer die Leute zusammen, die sich möglichst wenig untereinander Stress bereiten und miteinander kommunizieren können. Alles andere ist willkürlich. Deshalb hast du ganz unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Geschichten auf einer Zelle.
Wer ist in Komotini in U-Haft?
In Komotini sitzen alle möglichen Straftäter: Menschenhändler (weil es an der türkischen Grenze liegt), Bankräuber, Drogenhändler und -konsumenten, Trickdiebe und Autoknacker. Alles außer Vergewaltiger – die haben in Griechenland einen eigenen Knast.
An dem Tag, als ich ankam, blieb ich in der Zelle, weil ich noch keine warmen Sachen hatte, um auf den Hof zu gehen. Die Zelle ist knapp 20 Quadratmeter groß und für acht Häftlinge konzipiert. Es stehen Doppelstockbetten, zwei Tische, kleine Hocker, ein Fernseher und Mini-Schränke drin. Mit 25 Häftlingen ist es extrem eng und die Betten reichen nicht aus, deshalb müssen Leute auf dem Boden schlafen. Die Leute, die am längsten drin sind, schlafen auf den unteren Betten.