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"So etwas wie die Bar 25 wird es nicht noch einmal geben"
Spielplatz und Sündenschlund, Naturpark und Pillenparadies, Exzess in fast familiärer Atmosphäre: Wer hinter die unscheinbare Tür der Bar25 schreitet, übertritt nicht nur die Grenze zu einer Parallelwelt. Er übertritt meist auch seine eigenen. Seit fünf Jahren ist das kleine Reich in Berlin-Friedrichshain ein Zufluchtsort für internationale Feiertouristen und Hedonisten. Auch ist die Bar 25 eine Art Aushängeschild für den Kampf gegen die Mediaspree, die Bebauung des Spreeufers, geworden – und fiel ihr trotzdem zum Opfer. Am heutigen 1. Mai wird in der Bar offiziell die Sommersaison eröffnet – zum letzten Mal. Im Herbst müssen die Betreiber endgültig den Platz räumen. Die Bar25 kann auf eine kurze, aber heftige Geschichte zurück blicken. Am Anfang war sie nur eine mobile Schenke, geparkt auf 3000 Quadratmeter Gestrüpp am Spreeufer. Inzwischen ist sie eine Institution. Die Geschichten über die hiesigen Afterhours von Sonntag- bis Dienstagmorgen gehören inzwischen zu den Sagen des Berliner Nachtlebens. Die wenigsten kennen jedoch die andere, die kulturelle und sozioexperimentelle Seite. In ihrer Gesamtheit ist die Bar25 eine Art Berliner Neverland, ein autonomes Zauberreich mit eigenem Radiosender, Restaurant, Freiluftkino, Zirkuszelt mit Konzertbühne und allem, was man sonst so für ein hedonistisches Leben braucht. Eine fünfzehnköpfige Kommune schmeißt den Laden und wohnt im Sommer auch auf dem Gelände. Regelmäßig droht den selbsternannten Luxushippies aber die Obdachlosigkeit: Die Berliner Stadtreinigung (BSR) will das Grundstück seit Jahren aufräumen. Und so wird jeden Sommer gefeiert, als gäbe es keinen nächsten. Ein gutes Dutzend der "wirklich allerletzten Partys" wurden schon zelebriert und doch öffnet die Bar immer aufs Neue ihre Tür. Auch letzten Sommer sollte endgültig Schluss sein, im November hätte das Gelände unter gerichtlicher Anordnung geräumt werden müssen. Doch dann geschah, wie so oft, ein Wunder. Nachdem sich alle Parteien im Winter in der Bar25 getroffen hatten, wurde der Mietvertrag urplötzlich verlängert und das Mini-Universum darf bis Ende August weiter bestehen. Als Gegenleistung mussten die Besitzer allerdings ihr Ehrenwort geben, am ersten September pünktlich und ohne Krawall abzutreten. Und diesmal sieht es ganz so aus, als würden sie das Versprechen halten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
jetzt.de hat mit den Betreibern Christoph Klenzendorf und Juval Dieziger über die Mediaspree und den Wirtschaftsfaktor Feiern gesprochen, außerdem über ihre Pläne für den letzten Sommer und die Zeit danach. jetzt.de: Ihr habt es wieder mal geschafft: Während viele andere Clubs am Spreeufer schließen mussten, rollen auch in diesem Sommer die Bagger an der Bar 25 vorbei. Christoph: Wir haben hart gekämpft und viel Überzeugungsarbeit geleistet. So langsam versteht die Stadt, dass Freiräume wie die Bar wichtig sind, dass die Leute keine Bürohochhäuser am Ufer haben wollen. Juval: Die Szene ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Man denke nur an die ganzen Easyjetter! Wenn man in New-York über Berlin spricht, dann spricht man nicht über die Staatsoper. Die Leute reden über das Nachtleben, über Berghain und über uns. Die internationale Petition gegen die Schließung der Bar25 wurde auf allen Kontinenten unterschrieben. Leute aus Kolumbien und aus Japan kommen extra wegen der Clubszene nach Berlin und die Stadt macht ein Stück davon mit eigenen Händen kaputt. Ich kann das nicht verstehen. Und wohin dann? Ihr wohnt ja auch dem Gelände. Christoph, du haust zum Beispiel mit deiner Freundin auf dem Gelände in einer Hütte. Christoph: Ab September bin ich wohl ohne Dach überm Kopf. Meine alte Wohnung ist untervermietet, wir werden uns etwas Neues suchen müssen. Wer in der Bar lebt, leidet tatsächlich ein bisschen am Realitätsverlust. Im Prinzip wussten alle, dass wir irgendwann raus müssen. Aber für uns gab es nie ein Danach, wir haben alles, was wir verdient haben, in den Laden investiert und nie an den Morgen gedacht. Wird es eine Alternative zur Bar geben? Lies weiter auf der nächsten Seite.
In welchen Club ziehen denn die Berliner Hedonisten um? Juval: Keine Ahnung. Es soll sich nicht großspurig anhören, aber ich glaube tatsächlich, dass es so was wie die Bar25 nicht noch einmal gibt. Wir sind mehr als ein Club, nicht nur Technobummbumm. Wir verkörpern ein Lebensprinzip. Manche unserer Stammgäste sehen uns fast als ihre Familie und wir haben jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn wir am Montag oder Dienstag schließen müssen. Christoph: Normalerweise ist das in Berlin so: Ein Club geht, ein anderer kommt. Auch unsere Tanzfläche wurde aus Überresten eines Rockschuppens und einer Schwulenkneipe gebaut. Das Kunststück Bar25 lässt sich aber nicht wiederholen. Wir haben damals etwas Neues angefangen, die Natur in die Clubs geholt und die Leute raus aus den Kellerdiscos. Es ist eine besondere Ecke geworden, ein Pilgerort für Freaks, Selbstdarsteller und Leute, die einfach frei sein wollen. Frei? Manche werfen euch vor, die Bar25 sei zu kommerziell geworden, die Tür zu streng. Christoph: Ja, in letzten Jahren haben wir selektieren müssen. Wir lassen unseren Gästen extremen Freiraum und müssen daher besonders aufpassen, dass das Publikum stimmt. Es standen auch schon Psychopathen mit Axt vor der Tür. (lacht) Ansonsten haben bei uns Leute gute Chancen, mit denen wir selbst gern feiern würden. Keine verkrampften Clubkids, sondern Menschen, die über sich selbst lachen können. Juval: Als die Autonomen gegen Mediaspree protestiert haben, haben sie die Nase vor der Bar25 gerümpft - wir haben eine Modenschau mit Adidas veranstaltet, wir waren zu käuflich, zu genussorientiert. Inzwischen ist es aber besser geworden. Einmal kam eine Gruppe in Kapuzenpullovern her und sagte: Wenn ihr Hilfe braucht, wir brennen auch ein Auto für euch ab. In der Bar geht es vor allen Dingen um Kreativität und Selbstbestimmung, das haben auch die Linken erkannt. Die einzigen, die das nicht verstehen, sind Politiker. Sie wollen das Grundstück unbedingt frei räumen. Und das, obwohl es nicht einmal einen Käufer gibt. Dann ist es ja doch gut möglich, dass ihr länger bleibt. Christoph: Nein. Die Stadt will das Projekt Mediaspree vorantreiben und das Gelände säubern. Das ist das Ende. Definitiv. Aber wir gehen mit Pauken und Trompeten unter. Juval: Wir gehen mit einem großen Knall ab. Am Ende soll eine brachliegende Fläche bleiben.
Text: wlada-kolosowa - Foto: neo.n/photocase.de