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Sind wir eine Generation auf Reisen? Der Film "Hotel Very Welcome"
Welche Motivation hattest du, diesen Film zu machen? Wir waren selbst auf einer Reise und es gab dauernd irgendwelche komischen und absurden Situationen – sei es die Kommunikation mit den Einheimischen oder wie man sich selbst verhält: Man bekommt eine Grippe und findet es auf einmal zum Kotzen, bei Sonnenaufgang auf diesem Vulkan zu stehen. Warum tue ich mir das überhaupt an? Wir haben uns gefragt, warum noch nie jemand einen witzigen Film über die Welt der Backpacker gemacht hat. Inwieweit hast du deine eigenen Erfahrungen in dem Film verarbeitet? Es gibt schon viele Sachen im Film, die mir und meinem Co-Autor selbst passiert sind oder die wir beobachtet haben. In jedem Charakter ist etwas von uns drin. Wir sind früher viel nach Asien gereist. Zum Beispiel die Idee, die Figur Marion könnte sich über ihre Beziehung klar werden, indem sie nach Indien in ein Resort fährt – also weit weg, um ein Problem zu Hause zu lösen. So etwas habe ich auch schon gemacht. Ich war zwar nicht auf einer spirituellen Reise, dennoch hatte ich die gleiche Grund-Idee, die natürlich nicht funktionierte.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Auf der Suche nach dem Sinn - des Lebens, der Reise, des ganzen Rests. Eine Szene aus "Hotel Very Welcome" Bild: Nikolai von Graevenitz/Kinowelt Sind die Figuren in Deinem Film Klischees? Gibt es den typischen Backpacker? Es gibt natürlich verschiedene Backpacker-Stereotypen. Die sind aber nicht alle im Film vertreten, zum Beispiel fehlt derjenige, der nur in die Berge nach Tibet fährt. Oder der Surfer, also der saugut aussehende Typ mit einer blonden Freundin und dem Rucksack von Stüssy, der sich auf irgendwelchen seltsamen indonesischen Inseln rumtreibt. Im Film gibt es den klassischen Slacker, der sich durch Indien kifft. Die Frau auf der spirituellen Selbstfindungsreise ist dabei oder die englischen Party-Lads. Diesen Menschen sind wir immer wieder begegnet. Du wirfst einen kritischen Blick auf die ganze Sache. Auf der anderen Seite werden solche Reisen in die Ferne von den Leuten im Nachhinein gern überhöht. Wie wichtig ist Dir die Kritik? Der erste Ansatzpunkt war, das Ganze mal ein bisschen zu entmystifizieren. Ich habe schon selbst sehr viele solcher Reisen gemacht, und von denen war keine wie bei „The Beach“. Und die Leute, die ich dort getroffen habe, waren auch nicht wie bei „The Beach“. Die sind nicht durch geheime Drogenfelder gelaufen – das schwerwiegendste, was passiert ist, war Durchfall oder den Bus zu verpassen. Es war mir wichtig, auch das Profane zu zeigen. Aber es ist ja eine liebevolle Kritik. Früher habe ich mir ja auch vorgestellt: Wenn ich mit dem Rucksack reise, lerne ich Land und Leute wirklich kennen. Dem ist aber nicht so, ich kann nur einen kleinen Eindruck gewinnen und bestimmt unterhalte ich mich mit drei, vier Einheimischen. Das sind aber im Normalfall auch dieselben, die mir etwas verkaufen wollen. Auf meinen Reisen ist mir auch aufgefallen, dass die Backpacker stark unter sich bleiben. Gerade wenn man einsam ist, unterhält man sich doch eher mit einem Schweden als mit einem Inder. Bewegt man sich in Wahrheit auf ausgetretenen Pfaden? Von Thailand nach Australien und zurück? Klar, aber auch innerhalb der Länder gibt es klassische Routen, die wir im Film genommen haben – dort wo eben jeder Backpacker hinfährt. Wir haben Leute in Indien im Osho-Resort getroffen und einige Zeit später sind uns dieselben Leute in Thailand auf Ko Phangan wieder begegnet. Es gibt natürlich auch einige Ausnahmen, die nach Irian Jaya oder Papua-Neuguinea fahren. Aber das wagen die wenigsten. Es geht wohl weniger um das Reisen, sondern um die Grenzerfahrung im persönlichen Sinn: das Alleine-Sein. Aber dann könnte man ja auch auf eine einsame Berghütte in den Alpen fahren. Wie wichtig ist denn die Fremde? Gerade in Asien ist alles so wahnsinnig fremd, dass es einen großen Einfluss auf die Reisenden hat. Auch die starken Emotionen im Film treten ja nur wegen der Fremde auf. Der Charakter Marion fühlt sich in ihrem Resort, in dem nur westliche Menschen sind, zuerst sehr aufgehoben, kommt danach doch noch in das „echte“ Indien und fühlt sich total verloren. Bei anderen, wie den Engländern auf Partyurlaub in Thailand, macht es natürlich keinen Unterschied, ob die Einheimischen jetzt Spanier oder Thais sind. Ihr seid selbst diese Routen bereist. Wie haben die „wahren“ Backpacker auf euch reagiert? Eigentlich ganz positiv, weil man ja einer von ihnen ist. Es gab aber ein paar Momente, bei denen es nicht so entspannt lief. Vor allem in Goa. Da gab es eine Fraktion Althippies, die uns nicht sehr gerne gesehen haben. Die meinten zwar, sie wären wahnsinnig zufrieden mit ihrem Leben dort, aber hatten gleichzeitig panische Angst, gefilmt zu werden. In Thailand hatten wir ein paar Probleme, weil die thailändische Kultur schon sehr fremd ist und man manchmal nicht weiß, wie man mit Konfliktsituationen umgehen soll. Wir hatten zum Beispiel eine Kussszene auf einer Party gedreht und wurden dann komplett von der Partymafia in die Mangel genommen wurde, so dass man wirklich Angst bekommen hat. Wir haben ihnen erklärt, dass sie etwas Falsches vermuten, aber wenn die einmal was denken wollen, dann hilft auch keine Argumentation mehr. Aber das war auch nur in Thailand so, in Indien sind die Leute eher gerade heraus. Vielleicht so wie Bayern.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Sonja Heiss, Regisseurin von "Hotel Very Welcome" Bild: Kinowelt Dein Film heißt Hotel Very Welcome. Wie wichtig ist es überhaupt, im jeweiligen Land willkommen zu sein? Eigentlich denkt man ja, das sei sehr wichtig. Aber Thailand und Indien wollen gar nicht wirklich Backpacker haben, sondern lieber mehr Pauschaltourismus. Und sobald genug Geld vorhanden ist, verschwinden die kleinen Hostels ja auch. Man erträgt die Backpacker, aber richtig gerne hat man sie nicht. Trotzdem hat das Backpacking den Anspruch, moralisch weniger verwerflich zu sein als der Massentourismus. Backpacker und Pauschaltourist setzen sich beide ins Flugzeug, blasen Kerosin in die Luft und schleppen ihre Devisen in das Land. Trotzdem gibt es wohl einen höheren Satz an Backpackern, die Interesse am Land haben und etwas mehr Kommunikation mit den Einheimischen betreiben, als Leute, die gar nicht erst aus ihrer Ferienanlage herauskommen. Tourismus hat immer eine negative Wirkung, aber das Geld wird gebraucht. Das habe ich auch zu thematisieren versucht, der Tourist leidet ja auch unter seiner Rolle als Geldautomat. Aber damit muss man leben. Man hat auf der Stirn stehen: Mein Flug hat mehr gekostet, als dein Jahreseinkommen. Backpacking findet in der Popkultur so gut wie nicht statt. Ist das nicht seltsam, wo doch jedes Jahr eine Horde von Abiturienten und Studenten auf die Welt los stürzt? Das hat mich auch immer gewundert. Das sind ja Millionen, eine ganze Generation, jeder kann es sich leisten. Die Europäer unterscheiden sich auch gar nicht mehr stark in ihren Gewohnheiten. Es ist relativ irrelevant, ob ein Schwede oder ein Deutscher auf Tour gehen. Backpacking ist ein großes Thema, über das vor allem in realistischer Hinsicht wenig gemacht wurde, „The Beach“ kann man ausklammern. Trotzdem ist das Bild noch immer stark von Buch und Film geprägt: Backpacker sind cool und hübsch. Es gibt ja sogar eine gewissen Dresscode, da fällt schnell auf, wenn man anders aussieht. Ich war mal in Burma und dort hat niemand mit mir geredet, weil ich viel zu saubere Klamotten an hatte. So richtig gut geht es deinen Protagonisten ja nicht nach ihrer Reise. Der Film erzählt ja auch davon, dass man nichts erzwingen soll. Dann passieren die schönen Dinge von selbst. Das Schwierige ist, wenn du dir für eine Reise zu viel vornimmst. Selbst wenn das scheinbar banal ist, wie etwa die perfekte Hütte am Strand zu finden. Wenn man die dann sechs Wochen nicht findet, ist man natürlich frustriert. Es muss ja nicht mal um das große Problem gehen, das man zu Hause gelassen hat, wie bei meinen Protagonisten. Es war wichtig zu zeigen: Worunter wir als westliche Menschen so unglaublich leiden, da wäre ein Inder wahrscheinlich froh, nur dieses Problem zu haben.