Samantha Wolov lebt in San Fransisco. Sie ist 22 Jahre alt, hat Kunstgeschichte studiert und verdient ihr Geld damit, nackte Menschen zu fotografieren. Für ihre Abschlussarbeit zum Thema „Darstellung radikaler Themen in der Kunst“ fing sie an, ihre Freunde nackt und in sexuellen Situationen zu fotografieren. Weil sie die Bilder unbedingt ausstellen wollte, mietete sie sich eine Galerie in Washington. Außer ihren Bekannten kamen glücklicherweise auch ein paar Galeristen und Samantha wurde eingeladen, in der Washington Gallery of Photography auszustellen. Mittlerweile hat Samantha auch schon einige Preise für ihre Arbeit bekommen, unter anderem den Nachwuchspreis des renommierten Onlineportals Nerve.com. In ihrem Blog nekkidwithacamera.com erzählt Samantha lustige Geschichten von Schwangerschaftssex oder Masturbationssessions im Wald.
meredith-haaf
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In deinem Blog steht: Ich fotografiere Menschen beim Sex und nenne es Kunst. Pornografie wäre doch dafür auch ein Wort, oder?
Natürlich hat man mir schon ein paar Mal vorgeworfen, ich würde Pornographie machen. Natürlich will ich beim Betrachter ein paar Knöpfe drücken. Aber gleichzeitig geht es mir auch darum, einen Ausdruck für Schönheit zu finden. Deswegen nenne ich meine Bilder erotische Kunst.
Wo ist denn der Unterschied für dich?
Dafür bräuchte man eine genaue Definition von Pornografie. Und die habe ich nicht. Ich sehe keinen Gegensatz zwischen Porno und Erotik. Sie sind sich ähnlich, wie zwei Bereiche eines Spektrums.
Umgekehrt: Wann ist ein Bild erotisch?
Wenn es echt wirkt. Pornos sieht man immer den Regisseur, den Fotografen und die künstliche Beleuchtung an. Erotik ist nicht artifiziell. Wenn das, was man sieht, wirklich aussieht, macht einen nicht an, wer abgebildet ist. Sondern was. Wenn jemand ein Foto von einem Blow Job anschaut und dann an eine tolle Situation denken muss, in der er selbst an einem beteiligt war, dann ist das erotisch.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Du bekommst regelmäßig Aufträge von Paaren, die sich von dir beim Sex fotografieren lassen möchten. Warum wollen die das?
Die Frage ist doch eher: warum sollte das irgendjemand nicht wollen? Sex ist der größte Spaß, den man mit jemandem haben kann, den man liebt. Die Leute wollen dieses Erlebnis festhalten. Man weiß ja nicht, ob man irgendwann vielleicht keinen Sex mehr haben kann – dann kann man sich die Fotos anschauen und weiß wieder, wie geil das alles war. Ich finde, das macht genauso Sinn, wie man Bilder vom Urlaub macht. Es ist einfach eine Form der Erinnerung.
Würdest du dich eigentlich auch gerne beim Sex fotografieren lassen?
Ach, ich fühle mich eigentlich ganz wohl hinter der Kamera. Ich hätte zwar nichts dagegen – aber mein Freund ist davon nicht so begeistert. Ich lege sehr großen Wert darauf, dass sich meine Modells wohl fühlen – also kann ich ihn nicht fotografieren.
Würde es dich eigentlich nicht auch reizen, bekleidete Menschen zu fotografieren?
Ich finde Menschen interessanter, wenn sie nackt sind. Es würde irgendwie stören, wenn die Leute angezogen wären, während sie miteinander schlafen. Sex ist so etwas Persönliches, da muss nicht mal Geschlechtsverkehr statt finden. Ich will einfach diese Spuren der Intimität einfangen. Das ist die Essenz meiner Arbeit.
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Ich meine eigentlich: Hättest du nicht mal Lust, etwas anderes als Sex zu fotografieren?
Na ja, die Portraitfotografie geht mir schon ab. Andererseits ist Sex so wandelbar und facettenreich. Ich bin dieser Vielfalt mit meinen Bildern noch längst nicht gerecht geworden. Ich habe bisher nur Heteropaare die relativ konventionellen Sex haben, fotografiert. Mir fehlen die Schwulen, die Polygamisten, die Sadomasochisten. Und dann sind meine Bilder in gewisser Weise auch Portraits. Von Menschen, die sich lieben und etwas tun, das ihnen Spaß macht.
Wie wird man Sexfotografin?
Bei mir hat es damit angefangen, dass ich als kleines Kind Oboe lernen wollte. Weil der Krach meinem Vater auf die Nerven ging, schenkte er mir eine kleine Automatikkamera. Ich fing also an, damit zu spielen und schoss Hunderte Fotos. Dass ich daraus einen Beruf machen könnte, fiel mir aber erst in der High School ein.
Mit erotischen Bildern?
Mit den Sexfotografien habe ich im Rahmen meiner Abschlussarbeit an der Universität begonnen. Das Thema war die Darstellung radikaler Themen in der Kunstgeschichte. Mir fiel Sex ein. Also bat ich meine Freunde, sich nackt und beim Sex von mir fotografieren zu lassen.
Und wie fanden die das?
Also, gewundert hat sich keiner. Ich denke für viele war es eher ganz logisch, dass ich irgendwann dabei landen würde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Wie sind denn sonst die Reaktionen auf das, was du machst? Der Prototyp eines Erotikfotografen ist ja eher der mittelalte, schmierige Typ und weniger die 22jährige Kunstgeschichtsstudentin.
Das Gute an meinem Alter ist, dass Jugend für so viele Menschen etwas Faszinierendes ist. Trotzdem ist mein größtes Problem eigentlich, dass ich als Künstlerin nicht ernst genommen werde. Viele Leute halten mich für eine Amateurin, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat und eben Nacktfotos schießt. Dabei bin ich nun mal nicht die durchnittliche 22-Jährige. Meine Arbeit hat einen akademischen Hintergrund.
Schickst du mir bitte noch ein Foto von dir, damit ich es zum Interview stelle?
Lieber nicht. Ich bin eine junge Frau, die Sexfotos macht. Für manche ist diese Kombination dann doch ein bisschen zu spannend. Meine eigene Erotik behalte ich also lieber für mich.
Bilder: www.samanthawolov.com