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"Schmerz ist gut für die Freude danach"
jetzt.de: Du bist Model und Schauspielerin. Ist es schwer davon zu leben ?
Sara Gmuer: Model und Schauspielerin – das klingt furchtbar, oder? Ja, davon kann ich in der Regel schon leben, mache gegebenenfalls aber auch andere Jobs. Man muss halt schauen, dass Geld reinkommt. Aber jetzt, wo das Buch draußen ist, kann ich immerhin sagen, ich sei Autorin.
Worum geht es deinem Debütroman in drei Sätzen?
Um ein Mädchen aus Sizilien, das sich in Deutschland in einen Rapper verliebt. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere verschwindet der Rapper plötzlich. Beim Aufräumen seiner Wohnung findet sie seine Texte, fängt selbst an zu schreiben und lebt daraufhin seinen Traum weiter.
Wenn man deine Biografie mit den Eckpunkten der Protagonistin vergleicht, gibt es durchaus einige Parallelen . . .
Ich habe nicht geschrieben, wie es war, sondern wie es hätte sein können. Es ist nichts wahr, aber es ist sicherlich ab und an von wahren Begebenheiten inspiriert.
Als Schauspielerin spielt man die Geschichten anderer. Nun schien es dir ein Bedürfnis gewesen zu sein, eine eigene Geschichte aufzuschreiben. Warum?
Ich wollte zuerst ein Drehbuch schreiben, weil ich nie die Rollen bekam, die ich gerne gehabt hätte. Ein Film für mich und meine Freunde. Statt des Drehbuchs wurde es ein Roman – sorry, Leute!
Im Buch schreibst du: „Mit fünfzehn ist man Niemand, mit fünfzehn kommt man nur so weit wie der Bus fährt.“ Entspricht das dem Gefühl, das du in diesem Alter hattest?
Auf jeden Fall. Obwohl es damals ja noch Interrail gab – man konnte mit dem Zug also recht entspannt durch Europa fahren, und das habe ich viel genutzt.
Du stammst aus einer 400-Seelen-Gemeinde in der Schweiz. Wann hast du zum ersten Mal den Drang verspürt, in die Welt aufbrechen zu müssen?
Als ich 17 war. Da habe ich mich unsterblich in einen Typen verliebt, mit dem ich nach Paris abhauen wollte. Wir haben uns einen alten Mercedes gekauft, hinten eine Matratze reingepackt und sind einfach losgefahren. Dafür habe ich sogar die Schule abgebrochen. Nach ein paar Wochen sind wir allerdings doch wieder zurück, also nach Zürich, weil er dort einen Job bekommen hat. Und das war okay, nicht mehr ganz so provinziell. Da war ich vier Jahre lang und habe dort meine Schauspielausbildung absolviert.
Einsamkeit spielt in deinem Roman eine große Rolle. Empfindest du Einsamkeit grundsätzlich als so quälend wie du sie im Buch beschreibst?
Es gibt einen Unterschied zwischen einsam sein und allein sein. Allein zu sein, ist nicht schlimm; das bin ich seit Jahren, und das ist okay. Aber es stimmt schon: Beim Schreiben des Buches bin ich auch ein bisschen einsam gewesen.
Braucht es manchmal die Qualen der Einsamkeit, um zum Glück zu gelangen?
Je härter der Weg zu einem Ziel ist, desto schöner fühlt sich das Erreichen des Zieles an. Ein bisschen Schmerz ist gut für die Freude danach.
Das Buch spielt im Hip-Hop-Milieu. Der Film „La Haine“ hat dich dazu gebracht, richtig?
Als Jugendliche war ich anfangs in der Punk-Szene unterwegs, war Gitarristin in einer schlechten Band, hatte farbige Dreadlocks und habe Häuser besetzt. Ich war damals sehr auf Krawall gebürstet. Dann bin ich irgendwann auf Fischmob und Such A Surge gestoßen, bei denen ich die Power und Antihaltung vom Punk ebenfalls wiedergefunden habe. Und als ich dann „La Haine“ gesehen habe, war ich vollkommen hin und weg. Ich hätte ein ganz normales bürgerliches Leben leben können, hatte aber das Bedürfnis, auszubrechen. Hinzu kam: Ich bin in der italienischen Schweiz aufgewachsen, bin nach der Trennung meiner Eltern aber in den deutschen Teil gezogen, obwohl ich da nie sein wollte. Ich hatte deshalb ziemlich Stress mit meiner Mutter und bin nicht mehr zur Schule gegangen. Im Hip-Hop habe ich dieses Gefühl des Ausbrechens wiedergefunden.
In deinem Buch fallen Worte wie „abchecken“, „Fame“ und „verfickt“. Ist das dein normaler Wortschatz?
Es war vor der Korrektur noch viel krasser; mit viel mehr Schimpfworten. Das war also nicht gewollt, sondern klingt jetzt um einiges gemäßigter. Du möchtest gar nicht wissen, was für Worte so in meinem Kopf herumschwirren.
„Karizma“ von Sara Gmuer ist bei Orange-Press erschienen.
Text: daniel-schieferdecker - Foto: Andreas Riedel