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"Schlag in die Magengrube": Ein Gespräch über´s Schwulsein bei uns

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Christian, wenn du am Bahnhof stehst, der Zug kommt nicht und einer sagt aus Verärgerung „Schwule Bahn!“, dann ist das Wort „schwul“ zwar sicher als Schimpfwort gemeint, aber meist völlig gedankenlos dahin gesagt. Stört dich das dann? Mir fällt das zunächst mal auf. Ich horche da wahrscheinlich auch schneller hin als andere. Aber mir ist das inzwischen egal. Etwas anderes ist es, wenn du als junger Schwuler auf dem Schulhof stehst, noch ungeoutet. Wenn du dann das Wort „schwul“ ständig als Schimpfwort hörst, ist es jedes Mal ein Schlag in die Magengrube. Das weiß ich noch aus meiner eigenen Vergangenheit: Nach außen Vorzeige-Hetero in einem Kaff im Münsterland, Mitglied im Schützenverein. Aber schwuler wie die – meinetwegen – „schwule Bahn“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christian Lang, hier als Redner. (Fotos: privat) Ich frage deshalb: Vor zwei Wochen haben in Köln über 600.000 Lesben, Schwule und Heteros zusammen beim Christopher Street Day ein großes Fest gefeiert. Vor ein paar Tagen hat der Berliner Rapper G-Hot viel Wirbel verursacht, weil er in seinem Lied „Keine Toleranz“ auf übelste Art über Schwule gerappt hat. Wo zwischen diesen beiden Polen siehst du die Situation der Schwulen in Deutschland? Das ist zwiespältig: Hier in Köln leben wir ja auf einer Art Insel der Glückseligen. Wenn du aber woanders, oder auch schon hier in den Vorstädten abends mit deinem Freund Hand in Hand auf der Straße rumläufst, ist es mit der Glückseligkeit schnell wieder vorbei. Das Problem ist: Es gibt eine große Diskrepanz zwischen der allgemeinen Darstellung von Schwulen und der Wirklichkeit. Jedes kleine Mädchen, das Vorabend-Serien guckt, möchte einen schwulen besten Freund, weil die so trendy, modebewusst und verständnisvoll sind. Dass der nette Schwule in der Schule gemobbt oder auf der Straße zusammengeschlagen wird, weil er mit einem anderen Mann Händchen hält, habe ich in einer Soap noch nie gesehen. Aber genau das ist nach wie vor Wirklichkeit. Wenn G-Hot jetzt rappt: „Ich geh mit zehn MG`s zum CSD“ – macht dir das Angst? Dieser G-Hot selbst macht mir keine Angst, denn der scheint echt ein Idioten-Rapper zu sein. Mir macht eher der Gedanke Angst, dass er da ein Grundgefühl aufgegriffen haben könnte. Wenn solche Sätze in Berlin öfter auf den Schulhöfen fallen, dann macht mir das Angst. Siehst du eine breitere Basis für Schwulenhass? Oder sind Typen wie G-Hot nur vereinzelte Idioten? Ich denke, dass es eine gewisse Basis gibt, die sich zu einem Problem entwickeln kann. Das hat auch mit einer Veränderung der Position der Schwulen zu tun: Schwulenhass in seiner jetzigen Form gibt es auch deshalb, weil Schwule mittlerweile sichtbar sind. In diesem Gedanken ist die CSD-Bewegung ja entstanden: um Schwule sichtbar zu machen. Das ruft natürlich Reaktionen hervor, positive und negative. Wegen der negativen Reaktionen gibt es auch einige, die sagen: „Lasst doch das „Auf die Straße gehen“, ihr könnt doch leben wie ihr wollt – aber bitte in euren eigenen vier Wänden.“ Für mich ist diese Sichtbarkeit aber unerlässlich, wenn es das Ziel ist, Schwule als eine gleichberechtigte, stolze und selbstbewusste Minderheit zu etablieren. Dann müssen wir die Leute auf unsere Sache aufmerksam machen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Es scheint ja nicht so zu sein, dass Schwulenhass in jüngeren Generationen nachlässt. Nein. Ich bin oft überrascht, wie viel hier unsere Elterngeneration dazu gelernt hat, wie extrem im Gegensatz dazu viele 15 oder 16-Jährige über Schwule reden. Das kann man dadurch erklären, dass Jugendliche in einer Selbstfindungsphase und damit krasser und unüberlegter sind. Das hat aber auch mit der „Sichtbarwerdung“ zu tun. Das provoziert. Hier gibt es einen Reibepunkt, da müssen wir aufpassen, in welche Richtung das läuft. Der Umgang mit Schwulen hat auch immer mit Zeitgeist zu tun. Und der scheint zu kippen. Woran liegt das? Warum hasst ein Rechtsradikaler Ausländer, warum werden manche Nazis? Ich weiß es nicht. Ich bin schwul und ich habe nie jemandem etwas getan. Vielleicht ist es durch das Internet für einige hier viel leichter, anonym zu dissen. Vielleicht spielen – etwa in den Vorstädten – auch ungelöste Migrationsprobleme mit hinein. Alleingültige Erklärungen sind das aber auf keinen Fall. Dabei sah der Zeitgeist doch so schwul wie nie zuvor aus: Schwule Politiker, schwule Schauspieler, schwule Popstars … Ja, schon. Aber was interessiert sich ein Jugendlicher für Wowereit oder Elton John? Die sind viel zu weit weg. Ich warte auf ein Outing von einem Fußball-Nationalspieler. Das würde etwas bringen, der wäre ein Vorbild. Mit der Vorbildrolle ist es ja extrem schizophren: Rosa Polohemd, Brilly im Ohr – viele Schwulenhasser laufen genau so rum wie die schwule Szene vor einem Jahr. Gehen leider aber auch genauso gekleidet zum „Tunten-Klatschen“. Ist es dann nicht verlogen, wenn wir mit dem Zeigefinger auf zum Beispiel osteuropäische Länder wie Russland oder Polen zeigen, wenn es um Schwulenrechte geht? Nein, das „Mit dem Finger zeigen“ ist sehr wichtig. Wenn ein Volker Beck nach Moskau zu einer Demonstration fährt, dann macht er das deshalb, um dort als Schutzschild für die anderen Demonstranten zu fungieren. Der Gedanke ist, dass eine Demo, an der ein deutscher Politiker teilnimmt, nicht einfach so von der Polizei zusammengeknüppelt werden kann, auch wenn das in der Praxis leider anders aussah. Trotzdem müssen wir den Schwulen in solchen Ländern helfen, sich überhaupt erst sichtbar zu machen. Eine Minderheit, die nicht sichtbar ist, wird nicht als solche wahrgenommen, bekommt auch keine Rechte. Wir in Westeuropa haben schon etwas erreicht. Das kann man konkret an Gesetzen ablesen, was die rechtliche Situation betrifft. Das Klima in der Gesellschaft kann man schwerer fassen – und da gibt es auch in Deutschland noch viel zu tun.

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