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Recht im Netz: eine neue Broschüre klärt rechtliche Fragen im Internet
Wenn man über Recht im Internet spricht, hört man immer wieder Geschichten von Anwälten, die sich darauf spezialisiert haben, im Internet auch ohne Klientenauftrag nach Rechtsverstößen zu suchen und dann Abmahnungen mit hohen Anwaltskosten verschicken. Gibt es die wirklich? Es gab solche Fälle und so etwas kommt mal vor, aber das sind ganz seltene Ausnahmen. In den meisten Fällen gibt es Mandanten, die Rechte an Inhalten haben. Ansonsten sind das schwarze Schafe und das Ganze ist ein Betrug. Wie ist denn eigentlich der rechtliche Ablauf, bevor so eine Abmahnung in meinem Briefkasten landet? Ein Beispiel – die Musikindustrie sieht ihre Rechte verletzt und will eine Abmahnung und eine Unterlassungserklärung von mir. Dafür hat sie meine IP-Adresse in einer Tauschbörse abgefischt. Aber damit gibt es nicht auf direktem Wege auch meine Daten. Dafür wird dann ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, mit einer Anzeige gegen unbekannt. Der Provider hat gegenüber der Staatsanwaltschaft dann Auskunftspflicht über die Userdaten hinter der IP-Adresse. Der Rechtsanwalt der Musikindustrie nimmt dann Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft, hat meine Daten und die Abmahnung wird verschickt. Gehen wir mal davon aus, ich hätte eine Abmahnung bekommen, weil ich Urheberrechte im Internet verletzt habe. Ist es überhaupt ratsam, sich dann auf ein Gerichtsverfahren einzulassen? Oder sind die Kosten dadurch am Ende viel höher? Da kann man ein klares und pauschales Urteil treffen. Sagen wir mal, ich hätte 150 Songs, an denen ich keine Rechte habe, in einer Tauschbörse zum Download bereitgestellt. Es wäre dann ziemlich blöd von mir, vor Gericht zu gehen, weil ich so nur verlieren kann. Man kann aber sehr häufig was an den Kosten machen, die da entstehen. Die Gebühren werden ja erstmal vom Anwalt selbst festgelegt, da kann man dann meistens noch verhandeln. Das ganze ist ein Vergleich, der geschlossen wird. Dazu kommt dann noch eine Unterlassungs-Erklärung, die man unterschreiben muss. Da sollte man dann aber genau reingucken, wie weit diese reicht. Manchmal ist die nicht so formuliert, wie sie das sein sollte – und die viel weiter geht, als sie das eigentlich dürfte. Da fragt man dann aber besser einen Anwalt, der sich damit auskennt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Sollte ich eine Abmahnung und die Verhandlung um die Kosten also besser nicht allein führen?
Ich sage mal: Jeder so weit, wie er sich das zutraut. Ich würde aber dazu raten, sich einen Anwalt zu nehmen, der sich mit der Materie auskennt. Der Anwalt kennt sich einfach besser aus, weiß um die Vorgänge und Maßnahmen und kann beurteilen, was geht und was nicht. Die Kosten dafür sind in diesen Fällen meistens überschaubar. Zudem ist man sich selbst meistens ein schlechter Anwalt, weil man mit in der Sache steckt. Desto neutraler man mit der Situation umgehen kann, desto besser.
Wenn ich vollständig selbst produzierte Musik und Filme ins Netz stelle, dann ist das ja völlig legal. Aber wie sieht es aus, wenn ich einen Remix einem anderen Lied ins Netz stelle, oder mit einem Grafikprogramm eine Kollage aus Bildern bastele, deren Rechte ich vorher nicht besitze?
Ja, man begeht da in der Regel eine Rechtsverletzung. Ich darf keinen Remix ins Netz stellen, wenn ich nicht die Rechte an dem ursprünglichen Lied besitze. Gleiches gilt auch bei Bildkollagen, selbst, wenn es nur Bruchstücke sind. Die Grafiker oder Fotografen müssen immer vorher gefragt werden, ob ihr Material verwendet werden darf.
Wie ist es, wenn ich auf ein Video oder Bild verlinke? Es gibt doch diese Erklärung, in der man sich von externen Links distanziert.
Erstens: Wenn ich auf etwas verlinke, dann distanziere ich mich ja nicht vom Inhalt – ganz im Gegenteil, ich verweise ja sogar darauf und zeige den Weg dorthin.
Zweitens ist das auch aus rechtlicher Dimension unsinnig: Wenn das gehen würde, dann würde ich gleich morgen einen Musik-Downloadshop aufmachen, ohne eine einzige Lizenz einzuholen. Dann würde ich einfach auf meine Seite schreiben: „Ich distanziere mich von den Inhalten.“ Die Frage, ob jemand haften muss oder nicht, hat nichts damit zu tun, ob er das will oder nicht und ob er sich distanziert – das entscheiden einzig und allein die rechtlichen Umstände, also die rechtliche Beurteilung.
Man kann sich nicht von Rechtsverletzungen freizeichnen. Das Einzige, was geht: Sagen, dass man auf externe Inhalte verlinkt, die man zum Zeitpunkt der Verlinkung geprüft hat und die legal waren. Man muss aber anmerken, dass man nicht permanent in der Lage ist, alle verlinkten Webseiten auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Man sollte um Hinweise bitten, wenn auf verlinkten Webseiten Rechtsverletzungen entdeckt werden und zusagen, die betroffenen Links dann umgehen von seiner Seite zu entfernen. Mehr kann man nicht tun.
Ich möchte gerne einen Blog-Eintrag mit thematisch passenden Bildern schmücken, leider habe ich keine eigenen. Wo im Netz finde ich denn Bilder, die ich ohne Rechtsschwierigkeiten verwenden kann?
Die Frage ist ja viel eher, wie man diese Bilder findet. Es gibt Millionen von Files, die unter so genannten „Open Content“-Lizenzen stehen, zum Beispiel unter „Creative Commons“. Diese Lizenzen besagen, dass das Bild unter bestimmten Voraussetzungen zur freien Verwendung steht und ohne zu fragen kostenlos verwendet werden darf. In der Lizenz ist dieser Rahmen dann noch mal konkretisiert, etwa, ob die Bilder nur für nicht-kommerzielle genutzt werden dürfen oder ob sie bearbeitet werden dürfen. Diese Lizenzen sind für Laien geschrieben und leicht verständlich.
Bei Flickr und anderen großen Foto-Comunitiers gibt es spezielle Optionen, um nur nach Bildern mit bestimmten, freien Lizenzen zu suchen. Das gibt es in den erweiterten Optionen zum Beispiel auch bei Google, Yahoo und anderen Suchmaschinen. Zwei Grundvoraussetzungen haben diese freien Lizenzen aber auf jeden Fall – die Hinweise auf das Copright, zum Beispiel das C-Symbol oder textliche Hinweise zum Autor, dürfen nicht herausgenommen werden. Sie müssen auf der eigenen Page explizit genannt werden, zusätzlich muss man auf die Lizenz verlinken, die auf Creative Commons zu finden ist.
Wie würden Sie die rechtliche Lage im Internet grundsätzlich beurteilen? Sind die User einfach schlecht informiert, oder ist die Rechtsprechung einfach noch nicht weit genug?
Über diese Frage könnte man ohne Probleme mehr als drei Tage am Stück diskutieren, aber um das mal zusammenzufassen: Es gibt Vieles, das noch sehr unsicher ist. Recht ist eine komplizierte Sache, auch im Internet. Das ist auch nicht ohne Weiteres zu ändern, aber das heißt nicht, dass das für immer so bleiben muss. Zum einen muss das Recht von denen, die es befolgen sollen, auch verstanden werden können. Früher hat sich das Urheberrecht ja nur an Verlage und andere große Unternehmen gerichtet. Doch heute sind private Nutzer online, die selbst publizieren – und das jeden Tag. Die Bedeutung des Urheberrechts hat sich also total erweitert und betrifft nun Bürger, für die das Gesetz nicht geschaffen wurde. Kein Mensch versteht, was er darf und was er nicht darf – und das ist ein riesiges Problem, das der Gesetzgeber dringend angehen muss.
Ihre neue Broschüre rät auch, auf seine persönlichen Daten im Netz achten. In welchen Situationen bin ich denn besonders angreifbar?
Es geht vor allem um die Frage, was man gerne über sich im Netz stehen hat. Jeder muss darüber nachdenken, wie weit er gehen möchte. Wenn man intime Informationen einstellt dann sollte mir bewusst sein, dass solche Inhalte unter Umständen sehr lange im Web sind. Sollen Menschen auch in zehn Jahren noch davon lesen können? Man kann nicht immer ohne weiteres entscheiden, dass man jetzt erwachsen geworden ist und sich schämt für seinen Quatsch und seine Inhalte jetzt löschen will – so einfach ist es leider nicht. Viele Daten lassen sich trotzdem wiederfinden.
Meine Daten sind also wie ein Jugendsünden-Tatoo: Ein Motiv, das ich damals total super fand, das ich jetzt aber nicht mehr loswerde?
Ganz genau. Oder sagen wir so: Eine spurlose Entfernung ist genau wie beim Tattoo kaum machbar.
[i]Die Broschüre kann in Papierform bei klicksafe bestellt werden, ebenso bei der Landeszentrale für Medien Nordrhein-Westfalen . Neben diesen beiden Portalen ist der einfache Download im pdf-Format auch bei iRights möglich.[/i]
Text: johannes-graupner - Foto: Martin Hufner