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Punk wird Ihnen präsentiert von Rocko Schamoni

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Ein Typ fragt seinen Kumpel: „Was ist Punk?“ Der Kumpel tritt eine Mülltonne um und antwortet: „Das ist Punk.“ Der Typ macht es ihm nach, kickt ebenfalls gegen eine Mülltonne und fragt: „Das ist jetzt also Punk?“, worauf sein Kumpel antwortet: „Nein, das ist Trendgehabe.“ So ähnlich hat Green Day-Frontmann Billie Joe Armstrong die komplexen Zusammenhänge der widerspenstigsten aller Jugendkulturen einmal kurz und knapp auf den Punk(t) gebracht. Auch in der „Dorfpunks“-Verfilmung des gleichnamigen Rocko Schamoni-Romans von Lars Jessen geht es um die subversiven Kräfte, wegweisenden Inhalte und irrsinnigen Möglichkeiten des Punks. Aber Punk – was war das doch gleich noch mal? Ein Gespräch im Auftrag ewiger Jugend und Widerborstigkeit.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Lars, du hattest dich vor dem Film noch gar nicht so sehr mit Punk beschäftigt, sondern erst über den Film mehr über Punk erfahren, oder? Lars Jessen: Ja, genau – vor allem in der Vorbereitung darauf. Ich war natürlich auch nicht ganz dumm und jungfräulich, aber ich habe mir das noch mal richtig erarbeiten müssen. Und ein Buch war da ganz besonders wichtig, das ich wirklich jedem ans Herz legen kann, nämlich „Als wir unsterblich waren“ von Tony Parsons. Darin geht es um die eine Nacht in London 1977, in der sowohl Elvis als auch Punk sterben. Was da an Lebensgefühl und Musik drin steckt, das habe ich vorher noch nicht mit Punk assoziiert. Was war Punk denn vor der Beschäftigung mit dem Film für dich? Lars Jessen: Eher das, was man an den Bahnhöfen der Republik so sieht. Leute, die für meinen Geschmack eher uniform gekleidet sind, eine ähnliche Attitüde haben und ein sehr nihilistisches Weltbild vertreten. Übriggebliebene, bei denen man sich jedes Mal denkt: Eigentlich könntet ihr euch auch mal etwas Neues überlegen, das kennen wir langsam. Auch die Musik habe ich durch die intensive Auseinandersetzung beim Dreh erst richtig verstanden. Und jetzt sehe ich im Punk vor allem das, was es ursprünglich mal war und auch für unsere Dorfpunks bedeutet. Nämlich etwas, das ganz laut nach Freiheit schreit und eine eigene Welt für sich erschafft, die auch Lebensfreude beinhaltet und nicht nur Ablehnung, Frustration und Ignoranz. Rocko Schamoni: Von 1975 bis 1976 war Punk eine vollkommen freie Angelegenheit. Auch was die Pistols noch vor Vivien Westwood auf den ersten Bildern an Klamotten tragen, das sind vollkommen geile Eigenkreationen. Auch The Clash oder The Damned haben einen unwahrscheinlich freien, spackigen und irrsinnigen Style getragen – das war der Moment der Neuerfindung, in dem natürlich die schönsten Blüten wachsen. Lars Jessen: Ich würde mir wünschen, dass unser Film auch der heutigen Jugend noch einmal vor Augen führen kann, was Punk abseits von den Leuten am Bahnhof mal bedeutet hat. Dieses Freie, Neue und Unverbrauchte – gibt es das eurer Ansicht nach noch in den Jugendkulturen von heute? Rocko Schamoni: Ich glaube nicht, weil diese Selbsterfindungsmethoden abhanden gekommen sind. Wir hatten damals einen Informationsnachsprung, der uns dazu gezwungen hat, viele Sachen komplett neu zu erschaffen. Durch das Internet braucht man das heute nicht mehr. Wir wussten nun mal nicht, welche Schnürsenkelfarben wir in unseren Springerstiefeln tragen durften, wie eng die Hosen sein mussten und wie man die Bondagebänder anbringt. Viele von unseren Eigenkreationen waren sicherlich auch unpraktisch und hässlich – aber es waren unsere. Die Riten von damals haben sich aber oft gar nicht so stark verändert – bloß, dass die Jugendlichen heute vielleicht öfter in HipHop-Klamotten an kleinstädtischen Busbahnhöfen abhängen als im selbstkreierten Punk-Outfit. Ist HipHop also vielleicht der Punk von heute? Rocko Schamoni: Das ist eine sehr schwierige Frage, weil HipHop sich in den letzten zehn Jahren so wahnsinnig stark verändert hat. In meiner Heimatstadt Lütjenburg sind die ersten Punks 1984 plötzlich Breakdancer geworden und wir haben uns gefragt: Was ist das denn? Wie laufen die denn rum? Und wieso drehen die sich auf dem Rücken? Da hat man schon mal eine leise Vorahnung davon bekommen. Aber wirklich wichtig wurde HipHop ja erst in den Endachtzigern und frühen Neunzigern, als Bands wie Public Enemy oder Boogie Down Productions auf einmal ganz wichtige Messages und schwarze politische Inhalte ins Land getragen haben. Sind diese Inhalte denn damals auch in Lütjenburg angekommen? Rocko Schamoni: Ja, aber erst in den 90ern, als wir alle schon längst in Hamburg gelandet waren. Seitdem HipHop vor zehn Jahren komplett auf Samt und Seide umgestiegen ist, spielt er für mich keine große Rolle mehr und ist in meinen Augen mittlerweile genauso verkommen wie Hardrock. HipHop ist leider eine große Spielwiese für Idioten geworden. Festzustellen bleibt jedoch, dass HipHop in seiner explosivsten Stunde und dem Moment seiner größten Kraft für die amerikanische schwarze Jugend so wichtig gewesen ist wie Punkrock für England 1976. Aber von dieser Energie des Punkrocks ist 1983 viel mehr in Lütjenburg angekommen, als von der schwarzen, explosiven Kraft aus den amerikanischen Ghettos dann später in ganz Deutschland. Der Punkrock war eine eindeutig politische Haltung, die sich bezogen hat auf alles, was du getragen und gemacht hast: Man hat seine eigene Band gegründet, seine eigenen Klamotten kreiert, seine eigene Meinung gehabt – das war ganz wichtig. Als HipHop in Deutschland groß wurde, ging es relativ schnell nur noch darum, wer die fettesten Sneaker und teuersten Jogginganzüge getragen hat. Aber gerade in Hamburg sind HipHop und Punk doch eine ganze Zeit lang Hand in Hand gegangen. Rocko Schamoni: Klar, diese Verschmelzung gab es durch die Beginner damals. Und natürlich sind auch solche Bands wie Fünf Sterne Deluxe totale Grenzgänger gewesen, vielleicht nicht unbedingt politisch, aber dennoch mit dieser Samt und Seide-Attitüde so gar nichts zu tun hatten. Da habe ich auch noch diese Energie gespürt, die ich in meiner eigenen Jugendbewegung hatte. Trotzdem habe ich HipHop in Deutschland niemals auch nur als halb so politisch empfunden wie Punkrock. Szene aus "Dorfpunks"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wenn Leute heute von Punk sprechen, meinen sie damit oftmals nichts anderes als Widerstand, Rebellion und Abgrenzung. Was hat dich denn am Punk seinerzeit so fasziniert, Rocko? Rocko Schamoni: Die Widerborstigkeit. Nicht mitmachen, sich verwehren, dissidentisch sein. Weder dem Mainstream noch der Gesellschaft zu gehorchen, sich nicht runtermachen zu lassen, keine fremden Meinungen zu übernehmen. Nichts von dem zu kaufen, von dem einem gesagt wird, dass man es kaufen soll. Nicht so auszusehen, wie einem gesagt wird, dass man aussehen soll und sich stattdessen komplett selbst zu erfinden. Die Kontrolle über sich selbst und die eigene Welt zu haben. Das ist das Entscheidende gewesen. Rocko, du hast in einem Interview mal gesagt, dass es für dich bei einem historischem Film am wichtigsten sei, den Sound der Zeit zu treffen und dass dir die Bilder im Grunde genommen völlig egal seien. Rocko Schamoni: Das ist grundsätzlich bei Filmen so. Die Bilder spielen für mich überhaupt keine Rolle, es geht mir nur um die Musik. Das meintest du doch wohl nicht ernst. Rocko Schamoni: Klar. Kuck dir doch mal einen Fellini-Film an. Was darin wichtig ist, ist die Musik von Nino Rota, nicht Fellini. Dann siehst du dir vielleicht bloß bevorzugt Filme an, in denen die Musik eine tragende Rolle spielt. Rocko Schamoni: Ja, ich mach die Augen zu und höre mir den Film an (lacht). Lars, was sagst denn du zu solchen Statements? Ich gehe mal davon aus, dass du als Regisseur den Bildern etwas mehr Bedeutung beimisst. Lars Jessen: Ja, wir sind auch zerstritten deswegen und tun jetzt nur so, als ob wir uns noch leiden können (lacht). Nein, natürlich waren mir auch die Bilder wichtig. Ich bin eben nie Mitglied der Punk-Szene gewesen, habe aber durch die Arbeit an dem Film viel besser verstanden, was Punk ursprünglich mal gewesen ist und durch Rocko auch einen unfassbar großen Fundus an Musik kennengelernt. Das Lieblingslied des ganzen Teams war zum Beispiel von einer schwulen Punkband namens Cretins. Das Lied heißt „Samen im Darm“. "Dorfpunks" läuft nächste Woche in den Kinos an.

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