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Pokertischlein deck dich
Wann hast du Pokern zum ersten Mal als potenzielle Berufsmöglichkeit in Erwägung gezogen? Sandra Naujoks: Das war kein bewusster Prozess. Wenn du ein Hobby hast und es sehr erfolgreich praktizierst, dann verselbstständigt sich das irgendwann. Plötzlich sitzt man nur noch am Pokertisch und kann seinem normalen Job gar nicht mehr nachgehen, weil man ständig bei Turnieren ist. Wirklich klar geworden ist mir das aber erst beim Abschließen meines ersten Sponsoren-Deals. In Deutschland hat das Interesse an Pokern in den letzten Jahren massiv zugenommen. Woran liegt das? Das hat vor allem damit zu tun, dass Pokern durch die regelmäßige Berichterstattung im DSF oder den Poker-Abenden bei Stefan Raab mehr Öffentlichkeit bekommen hat. Vom Poker-Boom im europäischen Ausland oder Amerika sind wir in Deutschland aber noch Lichtjahre entfernt. Da stehen dem Spiel vor allem die rechtlichen Auflagen im Weg, da Poker vom Gesetzgeber nach wie vor als Glücksspiel eingestuft wird und daher nur in Kasinos angeboten werden darf. Solange das Poker-Monopol also weiterhin bei den staatlichen Kasinos liegt, wird ein möglicher Boom in Deutschland rigoros ausgebremst.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Du sagst von dir selbst, keine Rampensau zu sein, dennoch reißt das Medieninteresse seit deinem Gewinn der European Poker Tour in Dortmund und dem Preisgeld von 917.000 € nicht mehr ab. Nervt dich der Rummel manchmal?
Nerven ist das falsche Wort. Aber durch die vielen Turniere bin ich an dreihundert Tagen im Jahr unterwegs. Und die wenige Zeit, die mir da bleibt, investiere ich momentan vornehmlich in Gespräche mit Journalisten. Für die Presse ist es eben immer ein gefundenes Fressen, wenn sich eine Frau in einer Männerdomäne durchsetzt. Aber für mich ist das ok. Ich bin sehr froh darüber, ein weiblicher Botschafter dieses Spiels zu sein und Lobby-Arbeit leisten zu können. Das erfüllt mich mit Stolz.
Warum gibt es denn überhaupt so wenige Frauen beim Poker?
Auf professioneller Ebene erfordert das Spiel sehr viel Zeit, weil man ständig auf irgendwelchen Turnieren auf der ganzen Welt unterwegs ist. Und wenn man als Frau einen Kinderwunsch hegt, ist das in dieser Intensität einfach nicht mehr machbar.
Es liegt also nicht daran, dass Poker per se ein Männerspiel ist?
Das Spiel selbst verlangt einem schon eher männliche Eigenschaften ab. Es ist ein Einzelkämpfer-Spiel. Mann gegen Mann sozusagen. Das ist dasselbe, als ob man mit jemandem vor die Tür geht und seine Diskrepanzen dort austrägt. Und diese Konfrontation liegt Männern eben mehr. Viele Frauen sind wahrscheinlich auch nicht tough genug, um bei dem Spiel wirklich souverän auftreten zu können.
Vermutlich hast du recht, dennoch sind das sehr stereotypisierte Argumente, die du da ins Feld führst. Was ist denn mit Gleichberechtigung und Emanzipation?
Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Aber wenn man zu einem Turnier kommt, bei dem fünfhundert Männer und vier Frauen sitzen, dann muss man damit umgehen können. Zudem haben viele Männer untereinander auch irgendwelche Ego-Battles am Laufen und müssen sich im übertragenen Sinne ständig beweisen, wer denn jetzt den Größeren hat. Obwohl es kein körperbetontes Spiel ist, ist es sehr aggressiv. Jeder versucht, der Rambo am Tisch zu sein. Da muss man ständig aufpassen, nicht unter die Räder zu kommen. Gerade als Frau.
Dennoch hast du mal gesagt, dass Frauen von ihrer Veranlagung her eigentlich die besseren Poker-Spieler seien.
Das muss sich nicht widersprechen. Ich glaube ganz ehrlich, dass Männer Schwierigkeiten damit haben, Frauen zu lesen. Frauen sind für Männer immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, während eine Frau einen Mann im Gegenzug oft ziemlich schnell durchschauen kann – und das kann man sich als Poker-Spielerin natürlich zunutze machen.
Auf der anderen Seite gesellt sich zu dem psychologischen Aspekt beim Pokern aber auch viel Logik und Mathematik. Bereiche also, die eher männlich konnotiert sind.
Klar. Und die Frage nach den Vorteilen bestimmter männlicher und weiblicher Eigenschaften kann man sicherlich noch ewig weiter stricken. Aber eins ist klar: Poker wird nie ein Frauensport werden. Doch wer als Frau die Herausforderung sucht und keine Scheu hat, ist beim Poker sicherlich gut aufgehoben.
Wie wichtig ist denn überhaupt Können beim Pokern?
Zu 75 Prozent kannst du mit deinen individuellen Fähigkeiten Einfluss auf das Spiel nehmen. Die restlichen 25 Prozent sind Glück. Die meisten Hände kommen ja auch gar nicht zum Showdown, weil man seine Gegner durch Geschicklichkeit und Strategie bereits rausgedrückt hat, ohne seine Karten überhaupt zeigen zu müssen. In Pokerkreisen redet man auch nicht davon, seine Karten zu spielen, sondern seine Gegner.
Welche Eigenschaften sind denn für einen Pokerspieler essenziell?
Disziplin und Geduld sind am wichtigsten, weil man an einem Turniertag auch mal gut und gerne dreizehn Stunden lang hochkonzentriert am Tisch sitzen muss. Außerdem muss man seine Körpersprache unter Kontrolle haben, um seinem Kontrahenten keine verräterischen Signale zu übermitteln. Gleichzeitig muss man jedoch versuchen, die Signale des Gegners zu lesen. Ich selbst bin ein sehr introvertierter Spieler, zeige keine Regungen am Tisch und habe mich zu jeder Zeit unter Kontrolle. Ich stelle mein Ego komplett zurück. Viele Männer können das nicht – und scheitern deshalb an mir.
Du engagierst dich auch für soziale Projekte und würdest gerne irgendwann eine Spendenorganisation gründen, an die sämtliche Pokerspieler der Welt zwei Prozent ihrer Gewinne abgeben sollen.
Das ist auf jeden Fall ein großer Traum von mir. Zwei Prozent sind für jeden Einzelnen nicht so wahnsinnig viel, aber wenn man all diese Gewinne zusammen addiert, kommt eine stattliche Summe heraus, mit der man viel bewegen kann. Sicherlich braucht es seine Zeit, so etwas aufzubauen, aber wir stehen mit dieser Idee bereits in den Startlöchern und hoffen, dass es sich ganz schnell zu einem Selbstläufer entwickelt. Denn wenn erstmal ein paar große Namen dabei sind, kommen die anderen ganz von selbst.
Text: daniel-schieferdecker - Bild: art-x-view