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Pippi Langstrumpf in Ghana
Du hast mal gesagt, das Schöne an Musik sei, dass man sie einfach machen kann, ohne viel darüber reden oder fachsimpeln zu müssen. In Interviews wirst du nun aber dazu gezwungen. Bist du bereits genervt?
Es kommt immer darauf an. Schwierig wird es, wenn die Leute mit mir nicht über Musik reden wollen, weil sie es vielleicht interessanter finden, dass ich in verschiedenen Kulturen groß geworden bin. Letztlich hat natürlich Beides mit mir zu tun. Die Musik verschmilzt mit meiner Identität und umgekehrt.
Lernst du durch die permanente Auseinandersetzung mit dir in solchen Gesprächen auch manchmal neue Seiten an dir kennen?
Na klar! Das ist bei Auftritten aber genauso, denn das Publikum reflektiert einen schließlich auch. Das liebe ich daran – diese Transformation, diese Bewegung. Das ist eine permanente Herausforderung, die es spannend hält. Ich hasse Routine. Sollte die einsetzen, würde ich sofort in Rente gehen.
Du kommst aus Hamburg, und im vergangenen Jahr ist für dich als Künstlerin viel passiert. Inwieweit hat dir die typisch-hanseatische Unaufgeregtheit geholfen, bei all dem Trouble auf dem Boden zu bleiben?
Die hanseatische Unaufgeregtheit habe ich vor allem durch meine dreijährige Ausbildung zur Tanz-Pädagogin beigebracht bekommen. Dort habe ich gelernt, auf dem Boden zu bleiben, weil man jeden Tag mit seinem Körper zu tun hat und dadurch stets mit der Realität seines Daseins konfrontiert wird. Jeden Tag habe ich in den Spiegel gesehen und gewusst: Das bin ich! Äußerlich und innerlich. Das hat mir Ruhe und Stabilität gegeben.
Bringst du etwas von deinem Wissen aus der Ausbildung auch bei deinen Bühnenshows unter?
Natürlich. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Der kreative Aspekt des Tanzes fließt genauso in meine Show mit ein wie der disziplinäre. Niemand aus meiner Band geht ins Bett, bevor das Pensum nicht geschafft ist. Ich nehme das Ganze nämlich sehr ernst. Ich tue das nicht, weil ich nichts Besseres zu tun habe, sondern weil ich das wirklich liebe.
Wie viel von der Zerrissenheit zwischen den beiden Kontinenten Afrika und Europa liegt in deinen Songs?
Ich verspüre überhaupt keine Zerrissenheit wegen meines deutsch-afrikanischen Ursprungs, sondern das genaue Gegenteil: Ich habe mich immer schon überall sehr wohl gefühlt. Ich sehe mich als Kosmopolit, und aus diesem Umstand ziehe ich viel mehr Kraft als aus dem Gedanken an meine Herkunft.
Du scheinst keine Freundin von Konformität zu sein, stimmt der Eindruck?
Ich kann nur das machen, was ich bin. Und konform war ich nie. Ich bin immer aus der Reihe getanzt. Gar nicht mal bewusst, aber das war mein Background, da ich eben in Afrika und Deutschland groß geworden bin, viel umziehen musste und dadurch viel erlebt habe. Das hat mich geprägt und geformt, aber nicht gerade konventionell gemacht.
Verunsichert das manchmal Leute, auf die du triffst?
Kann schon sein, aber das hat mir bisher noch nie jemand ins Gesicht gesagt. So etwas passiert wohl eher hinterm Rücken.
http://www.youtube.com/watch?v=UdU9hOKz4g8
Dem Klischee nach sind Künstler und kreative Menschen häufig ein wenig zerstreut und chaotisch. Du hingegen bist ein sehr ordentlicher Mensch. Ist das ein weiteres Beispiel für deine Nonkonformität oder lediglich der Beweis, dass Klischees eben bloß Klischees sind?
Wohl eher Letzteres. Im Alter von 13 bis 19 habe ich mich sehr stark ausgelebt, mir meine Hörner an nahezu allen erdenklichen Musikstilen abgestoßen und alles entdeckt, was ich entdecken wollte. Als Y’akoto hatte ich nun Lust, etwas Simples, Reduziertes und Aufgeräumtes zu machen; nicht viele Wörter zu verschwenden, sondern die Dinge auf den Punkt zu bringen. Und dazu ist eine gewisse Strukturliebe durchaus förderlich. Ich hasse es aber auch, wenn meine Wohnung unordentlich ist.
Auf die Frage, ob dich eine Figur aus deiner Kindheit geprägt hat, hast du mal Mary Poppins genannt. Die konnte ja auch mit einem Fingerschnipp das Zimmer aufräumen.
Ja! Cool, oder? Aber ich mochte auch ihre Eleganz. Sie hatte Klasse. Und hat immer viel gesungen. Sie war zwar das strenge Kindermädchen, aber trotzdem wahnsinnig kreativ. Ich mochte aber auch Figuren wie Ronja Räubertochter oder Pippi Langstrumpf.
War das denn nicht die Zeit, als du in Ghana warst?
Ja, war es. Aber meine Mutter hat stets dafür gesorgt, dass ich solche Sachen zu sehen bekomme. Mein Opa hat die Sendungen in Hamburg aufgenommen und nach Ghana schicken lassen.
In Ghana wird es aber doch sicherlich auch Kindergeschichten geben, oder? Hast du die auch mitbekommen?
Natürlich. Aber wir haben eine sehr interessante Familiengeschichte, die fand ich meist noch spannender. Die Mitglieder meiner Familia hatten immer schon einen starken Drang, sich für Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen. Meine Großmutter war beispielsweise die Tochter eines Häuptlings, der gegen die englische Kolonisation gekämpft hat. Und mein Opa hat sich als Journalist für Präsident Kwame Nkrumah eingesetzt, der Ghana 1956 in die Unabhängigkeit geführt hat.
„Melancholie macht Spaß“, hast du mal gesagt. Worin liegt der Spaß-Aspekt in der Melancholie?
Man beschäftigt sich in melancholischen Momenten sehr stark mit sich selbst, und das mag ich sehr. Das ist wie eine Auszeit mit sich selbst. Hinzu kommt: Ich bin niemand, der seine Freundinnen stundenlang mit seinem Herzschmerz vollquatscht. Ich bin auch kein großer Freund der Entwicklung, sich permanent zur Schau stellen zu müssen und alle drei Minuten irgendwelche Belanglosigkeiten auf Facebook zu posten. Melancholie hält die eigene Energie wieder im Privaten. Und das finde ich schön.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
„Babyblues“ von Y’akoto erscheint am 23. März bei Warner.