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Ollie in Strapse
Anna Groß, 34, organisiert seit ein paar Jahren den Skateboardcontest "Suck My Trucks" in Berlin. Der ist rein für Frauen und eine Reaktion darauf, dass in der Skate-Szene Frauen "marginalisiert werden oder gar nicht vorkommen", wie Anna und ihre Kolleginnen sagen. Während des Contests haben sie eine Ausstellung zum Thema Sexismus im Skateboarding organisiert. In der vergangenen Woche ist daraus eine sehr lesenswerte Website entstanden.
jetzt.de: Wenn man sich die geballten Beispiele auf eurer Seite anschaut, ist man ziemlich schockiert: Drastischer geht Sexismus ja kaum.
Anna: Gut, dass du das wahrnimmst – damit hätten wir schonmal ein Ziel erreicht. (lacht)
Warum ist der Chauvinismus ausgerechnet in der jungen Skateboardszene so stark?
Ich glaube, weil es eine Sportart ist, die das Individuum sehr stark herausstellt. Es geht da viel um bestimmte Posen, um Wettbewerb: Wer kann den geileren Trick, wer hat den besseren Style, wer sieht dabei am coolsten aus? Dazu kommt, dass Männlichkeit oft mit Stärke und Weiblichkeit mit Schwäche gleichgesetzt wird. Wenn zum Beispiel jemand sagt: "Du traust dich diesen Trick nicht? Du Mädchen." Das ist im Hip-Hop, beim Snowboarden oder Surfen ähnlich.
Ein paar erfolgreiche Skaterinnen gibt es aber ja doch.
Stimmt, aber das sind dann sehr wenige, die sich mit dem Kopf durch die Wand gekämpft haben. Viele davon haben sich auch der Szene angepasst und machen zum Beispiel für ein Fotoshooting absichtlich Tricks in Strapse.
Selbstironie gegen den Sexismus?
Vielleicht. Das Magazin-Cover, von dem ich da spreche, war jedenfalls die Idee der Skaterin. Nur, am Ende verstärkt das leider auch wieder die Klischees. Und die allermeisten Skaterinnen wollen einfach nur fahren, ohne sich ständig durchboxen oder rechtfertigen oder ironisch präsentieren zu müssen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ollie in Strapse: Ein Cover des deutschen Skatemagazins "Limited".
Wieso betrifft dieses Phänomen kaum die Breitensportarten, zum Beispiel Fußball?
Auch viele andere Sportarten werden ja mit Sex beworben – aber da haben sich schon mehr Frauen etabliert. Bei den Actionsportarten sind die Männer noch größtenteils unter sich. Außerdem bringt man die vor allem mit Teenagern in Verbindung, die nun mal viel über Sex reden und solche Sachen eher lustig finden. Am Ende verkauft sich Sex natürlich auch verdammt gut, wir leben schließlich im Kapitalismus. Wenn von 20 Leuten drei das Skatewachs in Brustform lustig finden und kaufen, hat es sich für die Hersteller gelohnt.
Wie wollt ihr das ändern?
Das große Problem ist: Wenn Frauen ständig marginalisiert werden, gibt es auch keine Vorbilder, die andere pushen, besser zu werden. Dadurch wird wiederum das Klischee bestätigt, wir seien "nicht gut genug", um häufiger in Magazinen und Filmen vorzukommen. Was ja immer das Argument ist, wenn wir fragen, warum in kaum einem Video eine Frau als Fahrerin vorkommt: "Wir würden sie ja filmen, wenn es gute Frauen gäbe." Dabei wird es die nie geben, wenn du die besten Skaterinnen, die es jetzt gerade gibt, nie zeigst!
Bei den X-Games, den "Olympischen Spielen des Actionsports", gibt es zum Beispiel gar keinen Frauenwettbewerb.
Ja, bei Contests zeigt sich das besonders drastisch. Selbst wenn es mal einen Frauenwettbewerb gibt, dann nur als kleine Randveranstaltung mit mickrigen Mitleidspreisen. Ich selbst bin erst als später Teenager zum Skaten gekommen und deshalb nie so gut geworden, dass ich selbst an Contests teilnehmen würde – aber genau das ist ja eines der Probleme: Warum habe ich als kleines Mädchen nur den Jungs zugeschaut? Weil meine Freundinnen sich nicht getraut haben! Erst später war ich mutig genug, das anzufangen. Und habe seit 20 Jahren einen Riesenspaß dabei. Deshalb hab ich irgendwann angefangen, Anfängerinnen darin zu bestärken, das zu probieren. Ich gebe jetzt Skateboard-Workshops für Mädchen.
Eine Auswahl an Bildern, die Anna und ihre Kolleginnen gesammelt haben:
Bildergalerie kann leider nicht angezeigt werden.
Und ihr habt einen reinen Frauencontest gegründet.
Weshalb wir immer wieder auch den Vorwurf hören, wir zögen uns von alleine zurück und igelten uns ein. Aber man braucht erstmal einen Schutzraum, um größer zu werden. Kleine Netzwerke, in denen sich weibliche Skater verbinden. Wir haben gute Kontakte zu weiblichen Skaternetzwerken in der Schweiz und den Niederlanden. Es gibt also Lichtblicke.
Hat der Contest wenigstens Aufmerksamkeit bekommen?
Leider kaum. Wenn wir Sponsoren für Kooperationen und Support anfragten, lief das immer nach dem gleichen Schema: "Geil, ein Contest, wir sind dabei! – Was, nur für Frauen? Dann nicht." Der Wettbewerb wäre gescheitert, wenn am Ende nicht der Cassiopeia-Club, der neben der Skatehalle in Friedrichshain liegt, die Preisgelder gespendet hätte.
Klingt frustrierend.
Und fühlt sich tatsächlich an wie ein Kampf gegen Windmühlen. Weil wir unter den wenigen sind, die den Mund aufmachen, sind wir nun auch nicht gerade die Beliebtesten in der Szene. Wir gelten oft als die Meckerliesen.
Was motiviert dich?
Wir bekommen sehr viel Solidarität von Frauen, auch wenn sie sich gar nicht fürs Skaten interessieren. Wenn ich ein Magazin aufschlage und mich ärgere, dass mal wieder die einzige Frau darin eine Dame im Bikini ist, muss ich mich wenigstens nicht mehr alleine ärgern. Und es gab noch nie so viele motivierte Mädchen wie jetzt! Das Klischee, dass Frauen und Skateboarden nicht zusammenpassen, stimmt einfach überhaupt nicht – und die nicht ganz doofen Leute in der Szene wissen das auch und supporten uns.
Text: jan-stremmel - Fotos: Tess Koeplin, oh