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„Nur ein kleiner City-Hack"
jetzt.de: Das soll jetzt nicht wie ein Vorwurf klingen, aber ihr wohnt seit sechs Monaten in Kopenhagen, und Euer Dänisch reicht nicht einmal aus, um Straßennamen unfallfrei zu lesen?
Andrew: Wir studieren beide am Copenhagen Institute of Interaction Design. Das ist eine ganz kleine Schule für Kommunikationsdesign, im Jahrgang sind wir nur 20 Studenten. Weil das Studium sehr intensiv ist, haben wir leider keine Zeit, die Sprache zu lernen. Wir sind insgesamt nur ein Jahr lang hier, und höchstens an den Wochenenden können wir etwas machen, das nichts mit der Hochschule zu tun hat.
Momo: Kurz vor Studienstart haben wir uns alle über eine Facebook-Gruppe kennengelernt, um gute Vorsätze auszutauschen und so. Einer dieser Vorsätze war, unbedingt Dänisch zu lernen. Vor allem, weil der dänische Staat jedem, der länger bleibt, um zu arbeiten oder zu lernen, einen kostenlosen Sprachkurs spendiert.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Andrew und Momo.
Wie kommt man in Dänemark ohne Dänisch zurecht?
Momo: Sehr gut sogar, jeder hier spricht ganz hervorragend Englisch. Doch neulich war ich beim Obsthändler, und während er meine Erdbeeren in eine Tüte packte, erzählte er mir etwas. Da musste ich ihm zu verstehen geben, dass „Danke" und „Auf Wiedersehen" fast meine einzigen dänischen Vokabeln sind. Ich wäre fast im Boden versunken vor Scham.
Andrew: Dänisch macht es einem aber auch nicht leicht. Nehmen wir den Straßennamen Møntergade, der wird in etwa „Mun-ta-gay" ausgesprochen. Dänisch hat – für uns – neue Vokale, das å und das ø und das æ. Gleichzeitig sind da viele stille Buchstaben, es werden viele Silben komplett verschluckt. Der Rhythmus und die Aussprache sind sehr gewöhnungsbedürftig. Insgesamt ist es eine große Diskrepanz zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache.
Als gebürtiger Franzose müsstest Du diese Diskrepanz doch eigentlich kennen.
Andrew: (lacht) Ja, das stimmt, Französisch ist da nicht anders. Ich habe auch jahrelang in Südafrika gewohnt, und vier Jahre in Südkorea, in Seoul, verbracht. Das war lustig.
Momo: Selbst in der eigenen Sprache gibt es immer wieder Wörter, die man nicht richtig aussprechen kann, was eigentlich noch peinlicher ist. Ich bin in New York aufgewachsen, aber als ich für zwei Monate in Schottland gewohnt habe, habe ich mich nicht getraut, den Namen der Straße auszusprechen, in der meine Wohnung war, ich habe immer bloß gesagt: Ich wohne in diesem einen Haus da in dieser einen Straße.
Und deswegen habt ihr euch als angehende Kommunikationsdesigner überlegt, wie ihr das Problem der unaussprechlichen dänischen Straßennamen ein für alle mal lösen könnt?
Momo: „What The Phonics", so heißt das Projekt, war eine Seminar-Aufgabe. Andrew und ich haben uns an einem Sonntag überlegt, was wir machen wollen: Nämlich einen Weg finden, um uns und anderen Nicht-Dänen die vermeintlich unaussprechlichen Straßennamen zu erleichtern.
Andrew: Am nächsten Tag haben wir die Idee skizziert und vorgestellt, die nächsten zwei Tage haben wir damit verbracht, die Beleuchtung herzustellen und ein kleines Computerprogramm zu schreiben. Dann haben wir noch eine Muttersprachlerin gebeten, ein paar ausgewählte Straßennamen für uns einzusprechen. Einen Tag später haben wir unseren Prototypen dann an verschiedenen Schildern angebracht.
http://vimeo.com/45747333
Wie sieht der Prototyp aus?
Momo: Es funktioniert ein bisschen wie Karaoke. Man hört über einen Kopfhörer eine Stimme, die jede Silbe sehr deutlich betont. Währendessen werden die jeweils ausgesprochenen Abschnitte des Straßennamens beleuchtet. So dass man weiß, dass „-gade" wie „-gay" ausgesprochen wird.
Andrew: Das Anbringen war dann eher so eine Guerilla-Aktion, aber die Resonanz war schon wirklich sehr beeindruckend. Man kann das ja auch im Video sehen. Wir mussten die Leute erst einmal darauf aufmerksam machen, aber die Idee kam an, denn fast alle hatten die gleichen Probleme wie wir, egal wie sehr sie um eine landestypische Aussprache bemüht waren.
Und jetzt geht ihr in Massenproduktion und macht noch eine App fürs Smartphone?
Andrew: Na ja, erst einmal wollen wir schauen, dass wir daraus ein Stand-Alone-Gerät machen, nur den Sprecher und die Lichter. Ein billiges Produkt. Der Prototyp ist ja immer an einen Laptop angeschlossen gewesen. Danach wollen wir vielleicht auch versuchen, die Idee weiter zu verbreiten. Das Feedback ist bis jetzt sehr positiv, auch wenn sich die Stadt Kopenhagen noch nicht gemeldet hat.
Momo: Ja, das war doch nur ein kleiner City-Hack. Ich bin zwar eine eher analoge Person, aber eine Smartphone-App wäre tatsächlich nicht schlecht.
Und es gibt sicherlich genug Länder, in denen die Touristen eure Erfindung begrüßen würden.
Andrew: Ja, da ist doch dieses eine walisische Dorf, das keiner aussprechen kann. Wie heißt es noch gleich? (Anm.d.Red.: Das Dorf heißt "Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch")