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"Nach Russland will gerade niemand"

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Gemeinsam mit dem Partner auf einem goldgelben Strand Eis am Stiel zu genießen – das höchste aller Gefühle. Doch nicht für jeden ist Erholung am Strand selbstverständlich, nicht jeder kann im Urlaub seine Gefühle öffentlich zur Schau stellen. Viele Schwule und Lesben stehen schon bei der Wahl des Urlaubszieles vor schwierigen Abwägungen. Kann man als Tourismusbüro eine Wohlfühlgarantie versprechen, wenn man als Reisender mit Diskriminierung rechnen muss? jetzt.de hat sich mit Ilhan Alakara, der in München das schwul-lesbische Reisebüro „Rosa Reisen“ betreibt, über das Schwulsein im Urlaub unterhalten.

jetzt.de: In Russland gelten homosexuellenfeindliche Gesetze, in Australien wurde letztes Jahr die Legalisierung der Homo-Ehe durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts gekippt und in Indien wird gleichgeschlechtlicher Sex wieder unter Strafe gestellt. Gibt es Reiseziele, von denen Sie abraten? 
Ilhan Alakara: Wir boykottieren nicht pauschal ganze Staaten. Homosexualität gibt es letztlich überall. Wenn wir in ein bestimmtes Land keine Reisen anbieten, leiden auch die Schwulen vor Ort darunter. Da stehen wir im Dilemma zwischen der Unterstützung eines homophoben Staates durch Tourismus und der Tatsache, dass wir Schwulen und Lesben vor Ort Kontakt zu Gleichgesinnten ermöglichen wollen. Das gilt auch, wenn Homosexualität juristisch verfolgt wird. Ich war selbst in Dubai und habe dort unerwartet eine Schwulen- und Lesbenszene entdeckt. Wir möchten es jedem Menschen ermöglichen, seine Reiseziele umzusetzen.

Und im Fall von Russland, wo Gesetze "homosexuelle Propaganda" unter Strafe stellen?
Nach Russland will gerade niemand. Durch das neue Gesetz sind wir als Reisebüro da sehr vorsichtig bei Empfehlungen. Ich habe keine Kunden, die in letzter Zeit dort waren, um die Stimmung zu beurteilen.

Nach welchen Kriterien suchen sie Reiseziele aus? Haben Homosexuelle spezielle Bedürfnisse?  
Grundsätzlich vermitteln wir Reisen in alle Regionen. Wir arbeiten mit jedem Hotel zusammen, das sich Schwulen und Lesben gegenüber offen zeigt. Wenn ein Kunde zu uns kommt, richten wir uns zuerst nach seinen Bedürfnissen. Die sind meist die gleichen wie bei heterosexuellen Männern: Sonne, Strand, Meer. Danach ist entscheidend, ob man Kontakt zu anderen Schwulen sucht. Die klassischen Ziele sind dann Mykonos, Ibiza oder Gran Canaria. Ein "schwuler Strand" ist für die meisten ausschlaggebend.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Meine Kunden wollen als Mensch in ein anderes Land reisen - nicht als Homosexueller."

Sind jetzt, im Winter, nicht eher wärmere Reiseziele wie die arabischen Staaten, die Homosexualität weitgehend unter Strafe stellen, beliebt?
Ja, in Ländern wie beispielsweise Ägypten, Tunesien und Marokko werden homosexuelle Touristen aber geduldet. Wir weisen unsere Kunden darauf hin, dass sie ihre Verhaltensweisen dort anpassen müssen. Die Verantwortung bleibt letztlich bei den Reisenden.

Wie ist es für Schwule in ein solches Land zu reisen?
Die meisten Schwulen wissen sich anzupassen. Sie tragen ihre sexuelle Ausrichtung nicht nach außen, wenn es gefährlich für sie ist. Diese Leute wollen als Mensch in ein anderes Land reisen – nicht als Homosexueller. Die Angst, entlarvt zu werden bleibt natürlich. Zu einer Geldstrafe oder Verhaftung ist es unter meinen Kunden noch nicht gekommen.

Gibt es eine steigende Akzeptanz für homosexuelle Touristen?
Mir fällt leider eher auf, dass immer mehr Anti-Schwulen-Gesetzte erlassen werden. Früher wurde Schwulsein in vielen Gegenden lediglich tabuisiert. In Afrika stellt gerade ein Land nach dem anderen Gesetze auf, die Homosexualität unter Strafe stellen. Meiner Meinung nach sind dort die Staaten, nicht die Gesellschaft, dafür verantwortlich. Die Regierungen versuchen ein Feindbild zu erschaffen, um das Volk an sich zu binden. Aber natürlich gehen gleichzeitig viele Länder dazu über, gleichgeschlechtliche Ehen zu legalisieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ilhan Alakara betreibt das schwul-lesbische Reisebüro "Rosa Reisen". Früher waren Homo-Hotels teurer als solche für Heteros. Das hat sich geändert.

Gibt es einen Unterschied bei den Reisen von Jugendlichen und Erwachsenen?
Im Grunde ist das auch immer eine Frage des Budgets. Aber viele junge Leute tendieren zu Städte- und Rucksackreisen. Spanien ist zurzeit sehr beliebt. Aber der klassische Partyurlaub bleibt ein „Muss-Angebot“. 

Reisen viele ins Ausland, um dort zu heiraten?
Wir vermitteln vor allem Flitterwochen. Komplette Hochzeitsreisen werden nicht von uns organisiert. In Florida, aber auch auf den Seychellen oder auf Mauritius gibt es einige Fünf-Sterne-Hotels, die Trauungen für Schwule und Lesben anbieten. Ein Freund von mit hat neulich in San Francisco geheiratet – ich war Trauzeuge. Wenn man dort eine Ehe schließt, wird sie auch hier als eingetragene Lebenspartnerschaft akzeptiert. Aber das sind eher Einzelfälle.

Wie unterscheidet sich Ihr lesbisches Angebot von dem für Schwule?
Es gibt nur sehr wenige Angebote, die speziell auf Lesben geeicht sind. Das liegt auch etwas am Verhalten vieler lesbischen Frauen. Die sind meistens sehr zurückgezogen und fühlen sich von Wellnessangeboten angezogen. Nicht so wie die schwulen "Party People".

Ihr Slogan lautet "Schwules Reisen zu Heteropreisen". Wie ist das zu verstehen?
Ich bin seit 15 Jahren im Geschäft. Damals war es so, dass man für ein schwules Hotel einen höheren Preis zahlen musste als für ein gewöhnliches. Ich wollte dem entgegenwirken. Mittlerweile kann ich aber auf ein schwules Publikum spezialisierte Unterkünfte anbieten, die billiger sind als die meisten anderen. Den Spruch könnte ich also langsam abändern. Jetzt kämpfen wir mehr mit der Konkurrenz aus dem Internet.

Text: julian-schmitzberger - Bild: sïanaïs / photocase.com; privat

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