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„MUH will alle umarmen“

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Stefan Dettl (29), Nicole Kling (32), Josef Winkler (38) und Michael Gollong (32) stellten fest, dass ihnen auf dem deutschen Magazinmarkt etwas fehlt: Eine Zeitschrift, die Bayern würdig vertritt – fernab von Landlustschmarrn und Oktoberfest. Kurzerhand beschlossen sie, einfach selbst eine herauszubringen. MUH, das Magazin für bayerische Aspekte, steht ab 25.3 am Kiosk. Wir haben zwei der vier Magazinmacher getroffen und mal mit ihnen darüber gesprochen.      


Zuallererst zum Namen: Wieso denn eigentlich MUH?  
Nicole: Ich war mit der Band LaBrassBanda bei einem Konzert in London dabei, das war Ende 2009. Danach saß ich mit Stefan Dettl beim Bier zusammen, und ging’s dann um Bayern daheim und was da alles los ist und dass man da eigentlich darüber schreiben müsste. Und dass es das überhaupt wäre: Ein bayerisches Magazin, und zwar fernab von Landlustschmarrn und Oktoberfest-Getue. Wieso war da vorher noch keiner drauf gekommen? Und der Name war auch schon da an dem Abend. „Es muss MUH heißen!“, hat Stefan gesagt.  
Josef: Der Name weckt ja ganz viele willkommene Assoziationen – vom legendären Münchner Kleinkunstbiotop „Muh“ bis hin zum Ruf der Kuh. Der war so gut, dass nie noch einmal drüber diskutiert wurde. Und man muss sagen: Wenn der Dettl nicht so ein euphorischer Typ wäre, der einfach möchte, dass was passiert und der das am nächsten Tag wieder ins Gespräch gebracht hat, wäre die MUH vielleicht als mitternächtliche Schnapsidee gleich wieder in Vergessenheit geraten. Aber so bin ich dann auch mit ins Spiel gekommen.  

Und was genau zwischen Oktoberfest und Landlust ist es denn konkret, das euch an Bayern so am Herzen liegt?  
Josef: Das ist es ja: Nichts, was eindeutig zu verorten wäre. Ich komm halt hier her, hab vor ein paar Jahren irgendwie auch wieder verlernt, Hochdeutsch zu reden. Und trotzdem hab ich keine Lederhose oder viel Ahnung von bayerischem Lokalproporz oder den ganz speziellen Eigenarten der Oberpfälzer oder so. Ein Anliegen ist es sicher, Bayern aus so einer Klischeefalle zu holen, in der es bei vielen Leuten – auch bei den Bayern selber - steckt. Es soll in dem Heft weder um Preußen-Bashing gehen noch um Bayerntümelei, sondern um eine realistische Betrachtung des Landes und seiner Kultur und Menschen. Mit seinen hellen und dunklen Seiten. Ich bin ja ein regelrechter Bayern2-Junkie, und die Vorstellung, ein ähnlich breit gefächertes Programm auf Papier zu bringen, war eine der Ausgangsideen für MUH.  

Vor der ersten Ausgabe, die am 25.3 erscheint, habt ihr an Autoren und Interessierte die sogenannte „Nullnummer“ herausgeschickt, eine noch nicht komplettes Heft, das aber schon einen Eindruck vom fertigen geben soll – laut eurem Vorwort ein Demo „wie bei einer Band, die ihre ersten Lieder zum Herzeigen auf eine CD brennt“. Das ist schon eher ungewöhnlich, oder?  
Josef: ... und einem unfassbaren Gewurschtel geschuldet. Uns war nicht klar, wie viel Arbeit so ein Heft bedeutet. Wir waren anfangs sehr naiv, dann kam ein Realitäts-Schock nach dem anderen und der Erscheinungstermin hat sich immer wieder verschoben, in der Zwischenzeit wurde ich dann auch noch Vater. Um alles, was wir schon hatten, dann einfach mal handfest zu machen, haben wir dann Ende des letzten Jahres diese Demo-Nummer gedruckt. Das war auch psychologisch wichtig.   Nicole: Vor allem potentielle Anzeigenkunden sollten sich vorstellen können, was sie erwartet. Niemand bucht ja Anzeigen in einem völlig neuen Heft, das er noch nie gesehen hat und das in einem unabhängigen Verlag erscheint.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Ihr kommt alle aus dem Bereich Journalismus und Marketing – die beste Vorraussetzung, ein eigenes Magazin zu machen. Aber wieso habt ihr euch dafür entschiedenen, gleich einen unabhängigen Verlag zu gründen?  
Josef: Ehrlich gesagt sind wir gar nicht auf die Idee gekommen, das jemandem anzubieten. Das war vielleicht kaufmännisch naiv. Aber das Schöne ist, dass wir auf diese Weise zwar arm sind, aber völlig unabhängig und kein Verlag im Rücken steht, der uns am Ende noch irgendein verfremdetes Konzept überstülpt.  
Nicole: Drum haben wir zusammengeschmissen und eine GmbH gegründet.  

Ihr hättet euch vieles erleichtert, wenn ihr ein Blog gemacht hättet – war die Entscheidung für ein unabhängiges Printmagazin, das sich regionalen Aspekten verschreibt, auch eine Kampfansage in Zeiten von Medienkrise und globalisiertem Einheitsbrei?  
Josef: Nein. Uns ist erst später aufgegangen, was wir da inmitten des großen Print-Sterbens gerade für ein riskantes Ding machen. Da jetzt eine ausgefeilte Pro-Print-Ideologie davor zu schieben, wäre gelogen.   Nicole: Es war klar, dass wir ein Heft machen wollen. Wir sind viel zu gewöhnt an Print. Ich finde, ein tolles Heft kann man nicht durch ein Blog ersetzen. Man braucht doch was zum Blättern.  

Ihr habt zwar eine Homepage, seid aber nicht auf Facebook oder Twitter – wieso?  
Nicole: Doch wir sind jetzt auch auf Facebook! Ganz neu! Und Twitter kommt auch bald.   Josef: Aber auch nur, ehrlich gesagt, um Werbung für’s Magazin zu machen, erst mal ohne eigene Inhalte. Wir sind online halt ein bisschen langsam, weil wir keine Kapazitäten haben, da groß aufzufahren. Das gedruckte Magazin hat Priorität. Das Internet kannst du in der Form nicht in einen Friseursalon legen - und auch nicht auf den Gartentisch daheim.  
Hat MUH eine definierte Zielgruppe – das Heft hat ja erstmal einen sehr hippen Anstrich, drinnen gibt es dann aber zum Beispiel auch den „Future Sepp“: einen Comic, gezeichnet von einem 10-Jährigen. 
 Nicole: Wir haben zum Beispiel schon einen Abonnenten aus Kaliningrad und einen aus Marseilles. Das sind sicherlich Exilbayern, die das Heft aufschlagen wollen und ein „Schön, da komme ich her“-Gefühl erwarten. So soll es sein.  
Josef: Mir war es auch wichtig, dass neben der modernen Aufmachung auch so ein komischer altmodischer Illustriertenansatz drin ist, mit Kinderseiten und Witzeseite und solchen Sachen. Und daneben dann Plattenbesprechungen und Interviews und Fotostrecken und zig Facetten des bayerischen Lebens, durchaus auch unbequemes Politisches. Wir wollen weder speziell die Hipster bedienen noch lauter alttraditionelles Zeug aufbereiten, sondern – wie soll man sagen: entspannt modern im Hier und Jetzt sein, mit Anbindung an die Geschichte. Ich würd mir wünschen, dass die MUH von einer 60jährigen Bäuerin genauso gelesen wird wie von einem 15 jährigen Pubertierenden, der eine neue Band aus der Gegend gut findet. Und die kleine Schwester führt mit ihren Freunden den MUH-Kindersketch auf. Das Heft soll durch die Familie gereicht werden. Eigentlich ist es so: MUH will alle umarmen. Alle Guten.  

Ein Magazin zu entwickeln aus dem Nichts ist ein Fulltime-Projekt. Wie verdient ihr derzeit euer Geld? 
Josef: Wir waren alle drei beim Münchner Ableger vom Springer Verlag. Nicole im Marketing, Michael als Art Direktor und ich als Redakteur beim „Musikexpress“. Als wir mit MUH schwanger gingen, stand der Verlagsumzug nach Berlin an. Für mich war ziemlich früh klar, dass ich nicht nach Berlin mitgehe, ganz unabhängig von MUH. 
Nicole: Ich musste mich auch fragen: Gehe ich nach Berlin mit in einen solide bezahlten Job oder bleib ich hier und verschreibe mich einem eventuellen Luftschloss namens MUH - bei dem ich mich dann zwar Verlagsgeschäftsführerin schimpfen kann, aber erst mal keinen Cent verdiene.  
Josef: Ich schreibe weiterhin für den „Musikexpress“ und bin vielleicht so was wie das Münchner Außenbüro der Redaktion. Aber in letzter Zeit konnte ich immer weniger machen, weil MUH immer mehr Zeit und Energie gebraucht hat. Manchmal denk ich mir schon: Spinn ich eigentlich? Wie unverantwortlich! Ich bin Ende 30, habe gerade ein Kind bekommen und mach hier so ein wirtschaftliches Kamikaze!  

Wie motiviert ihr euch?  
Josef: Ab Herbst wurde immer klarer, was sich da tut: Da kam ein immer größerer Pool von richtig tollen Autoren, Fotografen und Künstlern zusammen, die großartige Sachen abliefern und sagen: Da brauch ich jetzt erst mal nix dafür. Weil sie das Projekt so schön finden und ihm aus der Taufe helfen wollen. Egal, wem man mit der MUH-Idee kommt, ich bin bisher fast nur auf Offenheit gestoßen und Leute, die der MUH einen Vorschuss von ihrem Talent geschenkt haben. Das gibt einem ein enorm warmes, herzliches Gefühl. Und das allein hat es ab einem gewissen Punkt unmöglich gemacht, die MUH einfach wieder auszuknipsen. Ich will, dass alle unserer Autoren und Mitarbeiter wissen, wie unglaublich schön ich das alles finde und wie dankbar wir sind. Und dass wir alles tun dafür, dass aus MUH was wird.   Nicole: Das Gute ist auch: Durch unsere räumliche Trennung haben wir die persönlichen Kapitulationsmomente, die’s in all den Monaten natürlich auch gab, kaum gemeinsam erlebt. Ich sitze im Chiemgau, die beiden Jungs in München. Uns ist vielleicht allein zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen, aber weil wir die Krisen der jeweils anderen immer nicht direkt miterlebt haben, konnte sie uns auch nicht so herunterziehen. Es gab immer einen gewissen Zugzwang, den anderen nicht hängen zu lassen.  

Wo und wie oft wird MUH ab dem 25.3 erhältlich sein?  
Nicole: Alle drei Monate neu an ungefähr 2.300 Verkaufstellen in Bayern und an Bahnhofskiosken und Flughäfen in ganz Deutschland. Und natürlich als Abo!   



Text: mercedes-lauenstein - Foto: Juri Gottschall

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