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„Mittlerweile sagen wir halt 'krass' statt 'geil'"

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Immer noch oder wieder 21? Jan St. Werner (l.) und Andi Toma von "Mouse on Mars"

jetzt.de: Jan, warum feiert ihr eigentlich 21-jähriges Jubiläum?
Jan St. Werner: Das Zwanzigjährige haben wir verpasst. Und 21 ist eh viel interessanter: ein Schritt in die Zukunft. Es geht weiter hinein ins 21. Jahrhundert.

Woran erinnert ihr euch, wenn ihr auf eure Bandgeschichte zurückblickt?
Hm, gute Frage. Ganz ehrlich: Ich glaube, wir haben es nicht so mit Erinnern. Das ist eine der Fähigkeiten, die uns vom Herrgott am wenigsten zugesprochen wurden. Das liegt aber auch daran, dass wir tatsächlich immer noch sauviel Aktuelles um die Ohren haben. Da bleibt nicht wirklich Zeit, um sich ans Lagerfeuer zu setzen und mit der Gitarre die alten Songs noch mal zu spielen.

Also versteht ihr „21 again“ nicht als Rückschau oder Zwischenbilanz?
Nein, absolut nicht. Wir versuchen nach wie vor, dieses Mouse on Mars-Raumschiff immer tiefer in den Kosmos hinein zu steuern. „21 again“ hatte einen ganz einfachen Aufhänger, nämlich den Track mit Eric D. Clark, der auch auf der Compilation ist. Der hat auf unsere letzte Platte nicht mehr drauf gepasst. Wir wollten ihn trotzdem veröffentlichen und haben gemerkt, dass wir noch mehrere solche Kollaborations-Stücke rumliegen hatten. Da dachten wir: Lass uns das doch mit 21 Leuten machen!

Klingt mehr nach Aufbruchstimmung als nach einer Band, die seit mehr als 20 Jahren im Geschäft ist. Müsst ihr für eure Arbeit berufsjugendlich bleiben?
Auf jeden Fall. Wir sind aufgewachsen mit dem Wort „Geil“, mittlerweile sagen wir halt „Krass“ (lacht). Aber so alt sind wir nun auch nicht. Und selbst wenn: Wir haben gerade ein Video mit Klaus Lemke gedreht, der Typ ist über 70 und immer noch dermaßen radikal, das findest du bei vielen jungen Leuten nicht. Wenn du dich halbwegs vernünftig ernährst und in einem freien kulturellen Umfeld bewegst, kannst du auch mit 100 noch extrem krassen Kram machen.

Eure Geburtstags-Compilation besteht ausschließlich aus Tracks, die ihr mit befreundeten Musikern aufgenommen habt. Wie wichtig ist euch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern?
Es macht einfach Spaß. Wir selbst wissen ja inzwischen ganz gut, wie wir unseren Sound hinbekommen. Da ist es natürlich spannend, mit anderen Leuten zu arbeiten. Mouse on Mars war immer auch ein Experiment: Ist das noch eine Band oder wollen wir nur herausfinden, was der Rechner alles kann? Ist es Clubmusik oder Collage? Diese Extreme zusammenzubringen, hat uns von Anfang an motiviert. Die Kollaborationen sind auch wieder so ein Test, wie weit man mit der Idee von einer Band gehen kann.

Verfolgt ihr denn auch junge Künstler?
Wenn Musik kommt, die interessant ist, hören wir uns die an. Wir kriegen auch wahnsinnig viel Musik zugesteckt. Aber wir verfolgen nicht alles gezielt.

Ihr gehört zu den wenigen deutschen Bands, die international Erfolg haben. War das jemals euer Ziel?
Na ja, wir wurden eigentlich erst zur Band, weil uns ein englisches Label rausgebracht hat. Unsere Musik kam sozusagen aus England. Von der Idee her sind wir seit der ersten Platte globalisiert und irgendwie hat sich das gehalten. Es gab Anfang der Neunziger auch kein deutsches Label, das mit uns arbeiten wollte.

Wieso nicht?
Die hätten alle gewollt, dass wir unsere Stücke „richtiger“ spielen oder irgendwas weglassen und uns zu etwas bekennen, das wir nicht waren. Das hätte nicht funktioniert.

Vergleicht man eure frühen Alben mit dem, was ihr jetzt macht, hat man den Eindruck, dass eure Musik noch komplexer und kompromissloser wird. Woher kommt das?
Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass die Technik mit uns gewachsen ist. Wenn wir früher fünf Sekunden Sample-Zeit hatten, fanden wir das schon grandios. Mittlerweile kannst du ja fünf Jahre sampeln, wenn du willst. Wir verstehen auch immer besser, was da technisch vor sich geht, wenn wir an einem Sound arbeiten. Auch, weil wir viel mit Programmierern zusammenarbeiten und eigene Apps entwickeln. Unser Studioalltag ist einfach ein ganz anderer geworden.

Inwiefern?
Vor 20 Jahren musstest du echt lange schrauben, damit ein Synthie interessant klingt. Heute gibt’s Software, die von Leuten programmiert wird, die so ähnlich denken wie wir. Dadurch bekommst du im Handumdrehen einen Sound, der uns früher Stunden oder Tage gekostet hätte. Man könnte darüber verzweifeln, wenn man denkt: Ach, dieses Abarbeiten an Sounds, das hat doch so viel gebracht. Das war ja auch irgendwo der Reiz. Aber genau darüber jammern wir nicht. Wenn man schon mit so fantastischen Syntheseformen arbeiten kann, was lässt sich erst alles damit machen? Oft hören wir so einem Sound einfach nur zu. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt: Eigentlich sind wir Musikhörer, wir wollen uns von Sounds überraschen lassen. Und dieses Abenteuer Hören ist noch kein bisschen vorbei, es ist eher noch extremer geworden.

Es fiel euch nicht schwer, das Musikmachen für euch selbst spannend zu halten?
Nein, im Gegenteil. Heute kannst du ja immer und überall aufnehmen. Wir haben uns zum Beispiel immer schon gewünscht, dass man verlustfrei Feldaufnahmen machen kann. Also Aufnahmen im Freien, die astrein klingen. Das hat die Technik irgendwann möglich gemacht und so sind wir in eine Welt hinein gewachsen, die wir uns eigentlich immer gewünscht haben. Dieser Übergang von der handgebastelten Musik mit Kassetten hin zu MIDI und dann zur komplett digitalen Realität: Irgendwie ist das auch ein Stück weit Mouse on Mars. Wir sind wahrscheinlich eine ganz gute Blaupause für das, was technisch alles passiert ist.

Wie würdest du Mouse on Mars heute beschreiben?
Wie einen Film von Jacques Tati. Ein französischer Filmemacher, sehr spezieller Charakter. Der war eher ein Pantomime, ein Beobachter und Imitator des Alltäglichen, Profanen. Im Grunde sind wir auch solche Beobachter, die das interpretieren, was sie um sich herum aufsammeln. Unser Sound ist wie ein Fenster, das wir aufmachen. Und dann gucken wir, was da den ganzen Tag so vorbei zischt.

Die Compilation „21 again“ erscheint am Freitag. Das „21 again Festival“ findet am Freitag und Samstag im Theater Hebbel am Ufer in Berlin statt.

Text: josef-wirnshofer - Foto: Szary Car

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