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"Mit virtuellen Waffen ist noch nie ein Mensch getötet worden"
jetzt.de: Du hast eine Petition für Computerspiele eingereicht. Vermutlich spielst du ziemlich viel? Peter Schleußer: Wenn du einen der Innenminister - gegen deren Beschluss sich meine Petition in erster Linie richtet - fragst, ab wann man viel spielt, wird der wahrscheinlich sagen: ab einer Stunde täglich. Wenn du jetzt einen richtigen Computerfreak fragst, kommt der vermutlich zu einer ganz anderen Einschätzung. Und du? Sagen wir mal so: Ich spiele häufiger. Und zwar genreübergreifend. Sehr gerne Rollenspiele. Ich spiele auch Guild Wars und immer mal wieder Egoshooter und gerne auch Militärsimulationen. Hast du das Gefühl, dass die dich aggressiver machen? Im Gegenteil. Ich geb dir ein Beispiel: Der Film "Der Soldat James Ryan" wird doch auch als Anti-Kriegsfilm geführt, obwohl die erste halbe Stunde nichts anderes als reines Gemetzel ist. Und gerade bei Militärsimulationen habe ich noch mehr das Gefühl, dass da eine Anti-Kriegswirkung erzielt wird. Man denkt sich: ein gutes Spiel, aber im realen Leben bin ich froh, dass ich nie bei einem echten Kampfeinsatz dabei sein mußte. Solche Spiele sind nicht so verherrlichend wie so mancher Spielfilm.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Über Computerspiele wird anders debattiert als zum Beispiel über Filme. Woran liegt das?
Zum einen gibt es Spiele noch nicht so lang, da kennen viele sich nicht richtig aus. Zum anderen sind Spiele interaktiv. Deshalb glauben Politiker, die hätten eine größere Wirkung.
Du glaubst das aber nicht.
Ganz und gar nicht. Als ich noch mehr Zeit hatte, habe ich selber mal in einem Clan gespielt und unser Motto war immer: 'Wir spielen lieber Krieg, als einen zu führen.'
Es gibt Politiker, die Egoshooter auch für Amokläufe verantwortlich machen. Wie reagierst du auf solche Vorwürfe?
Empört. Es gibt einfach kein Computerspiel, in dem du mit einer Waffe in der Hand auf wehrlose Menschen schießt. Niemand lernt einen Amoklauf, weil er Computer spielt. Den Umgang mit Waffen lernt man eher im Schützenverein, wenn man auf irgendwelche Pappfiguren schießt. Mit virtuellen Waffen ist noch nie ein Mensch getötet worden. Wenn man etwas zur Prävention von Amokläufen tun will, sollte man das Waffenrecht verschärfen. Denn nach dem Amoklauf von Winnenden habe ich mir schon die Frage gestellt: Wie konnte der an eine scharfe Waffe kommen? Da kann der noch so viel Counterstrike gespielt haben - ohne eine scharfe Waffe hätte der nie jemanden getötet.
Deshalb hast du die Petition gestartet?
Genau. Das Thema regt mich schon sehr auf. Jugendschutz ist gut und richtig. Aber irgendwann sollte man in diesem Land doch das Recht haben, die Spiele zu spielen, die man möchte und sollte wie ein mündiger Bürger behandelt werden und nicht wie ein Kleinkind von der Politik gegängelt werden.
Wie kam es dann zu der Petition?
Der Text der Petition stammt zum größten Teil von einer Aktion der Zeitschrift Gamestar und ist eine Reaktion auf die Innenministerkonferenz. Die Idee war, dass man diesen Text dem Parlamentarier seines Wahlkreises zuschickt. Ich dachte mir: Warum so umständlich - und habe eine Online-Petition daraus gemacht.
Du hast mittlerweile über 50.000 Mitzeichner gewonnen. Nicht schlecht.
Man sollte ja eigentlich meinen, dass man informiert wird, wenn die eigene Petition online gestellt wird - dass man vielleicht eine E-Mail bekommt. War aber nicht so. Ein Journalist hat mich darüber informiert, dass die Petition im Netz steht. Erst ein paar Tage später hatte ich einen Brief in meinem Briefkasten. Da stand die Petition schon bei 30.000 Mitzeichnern.
Wie geht es jetzt weiter?
Mein Ziel war es, die 50.000 Mitzeichner zu erreichen. Dann bekommt man zehn Minuten Redezeit im Deutschen Bundestag, um das eigene Anliegen vorzutragen.
Dann fährst du jetzt also nach Berlin. Glückwunsch. Was wirst du sagen?
Die Rede habe ich noch nicht geschrieben, aber mein Hauptargument ist, dass man unter dem Deckmantel des Jugendschutzes nicht jegliche Erwachsenen-Unterhaltung verbieten kann. Genau wie die Jugend ein Recht auf Jugendschutz hat, haben Erwachsene ein Recht auf Erwachsenen-Unterhaltung. Ich glaube, es muss einen Punkt geben, wo wir als mündige Bürger selber entscheiden können.
Mehr zum Thema auf jetzt.de:
Mit dem Amoklauf in Winnenden befassen sich mehrere Texte, Interviews und Kommentare, die du hier in der Übersicht findest. Außerdem auf jetzt.de: Ein Interview mit Matthias Dittmayer, der sich gegen die Berichterstattung über Computerspiele wehrt.
Text: dirk-vongehlen - Foto: privat