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"Meist läuft der Akt geräuschlos ab"

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Vor mehr als sieben Jahren wurde in Deutschland das Prostitutionsgesetz verabschiedet, um die strafrechtliche Situation von Prostituierten zu verbessern. Eine Ausweitung auf andere Rechtsgebiete wurde jedoch bisher versäumt. So versuchen erbitterte Bordellgegner bereits seit Jahren, über das Baurecht gegen Wohnungsbordelle vorzugehen. Stephanie Klee ist Sprecherin des Bundesverbandes Sexuelle Dienstleistungen e.V. Mit ihr haben wir darüber gesprochen, wie laut Sex wirklich ist. jetzt.de: Frau Klee, worum geht es genau bei dem Streit um die Wohnungsbordelle? Stephanie Klee: Ausgangspunkt ist, dass verschiedene Bauämter Schließverfügungen gegen Wohnungsbordelle in Wohngebieten erlassen haben, die jahrelang ruhig, diskret und frei von Gewalt geführt wurden. Dabei haben sie sich auf Gerichtsurteile berufen, die sagen, dass alle bordellartigen Betriebe sogenannte „milieubedingte Begleiterscheinungen“ aufweisen. jetzt.de: Was sind „milieubedingten Begleiterscheinungen“? Stephanie: Jegliche Form von Kriminalität, aber auch grölende Kunden, Belästigungen oder das Herumliegen von Kondomen im Treppenhaus. Gerade Wohnungsbordelle definieren sich jedoch über ihren privaten Charakter und legen großen Wert darauf, möglichst unauffällig zu bleiben. Dort gibt es weder Alkohol noch laute Musik oder sonstige Störungen. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, bei der herausgekommen ist, dass 99 Prozent der Wohnungsbordelle in Berlin so unauffällig sind, dass sie von außen nicht zu erkennen sind. jetzt.de: Bei diesem Streit geht es ja um Bodellbetriebe, die in Wohnhäusern geführt werden. Da bleiben akustische Störungen doch nicht aus, oder? Stephanie: Das ist ein Klischee. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie vor Ihrem inneren Auge ein Bordell erscheint, in dem in jedem Zimmer aus Leibeskräften gebrüllt, geschrien und gestöhnt wird. Mit der Realität hat das jedoch nichts zu tun, denn meist läuft der Akt selbst vollkommen geräuschlos ab. Es ist, das muss man wirklich so sagen, enttäuschend langweilig.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine Prostituierte in einem Berliner Bordell. jetzt.de: Ich frage deshalb, weil viele den Geschlechtsverkehr der Nachbarn durchaus mitbekommen. Außerdem kann ein Kunde doch auch verlangen, dass gestöhnt wird, oder nicht? Stephanie: Ja, aber doch nicht so laut, dass der Nachbar das durch die Wände hört! Ich habe selbst mehr als zwanzig Jahre als Prostituierte gearbeitet und spreche aus Erfahrung. Aber seien Sie weiterhin aufmerksam und lauschen Sie, wo Sie jemanden stöhnen hören. Es könnte ein Wohnungsbordell sein (lacht). jetzt.de: Sie haben wegen dieses Streits mit vielen Politikern gesprochen. Waren die aufgeschlossen oder hatten die Skrupel, mit Prostitution in Verbindung zu kommen? Stephanie: Wenn ich alleine auf die Politiker zugegangen bin und ihnen Anonymität zugesichert habe, sind die Meisten durchaus bereit gewesen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Aber alle hatten Angst, damit an die Öffentlichkeit zu treten, um nicht der Frage ausgesetzt zu werden: „Warum engagierst du dich für Prostitution?“ Die Männer haben befürchtet, als Freier angegriffen zu werden und die Frauen hatten hinsichtlich ihres eigenen Wertesystems Bedenken. jetzt.de: Verstehen Sie solche Bedenken? Stephanie: Jeder hat das Recht, gegen Prostitution zu sein, wenn sich das nicht mit den eigenen moralischen Vorstellungen deckt. Aber von Politikern und Beamten im Öffentlichen Dienst verlange ich einfach, dass sie entsprechend der Gesetze ihre Arbeit tun und nicht zum Nachteil von Prostituierten und Bordellen ihre eigene persönliche Meinung durchsetzen. Das verurteile ich wirklich stark. jetzt.de: Am 6. Mai gab es nun einen Prozess im Verwaltungsgericht von Berlin, bei dem das Wohnungsbordell „Salon Prestige“ für zulässig erklärt wurde, weil die angesprochenen „milieubedingten Begleiterscheinungen“ nicht nachgewiesen werden konnten. Wie wichtig ist dieses Urteil für die Branche? Stephanie: Immens wichtig! Die Betreiberin hatte Tränen in den Augen. Uns ist allen ein Stein vom Herzen gefallen. Das ist ein Urteil, das wegweisend für alle laufenden Verfahren in Deutschland herangezogen werden wird.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: ddp

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