Wie kriege ich einen halbwegs vernünftigen Mann dazu, mir für 1,99 Euro das Stück SMS zu schicken?
Ganz einfach. Wir haben da ein Portal mit spezieller Software. Da sucht man sich ein Foto aus, stellt es in eine Dating-Seite und erfindet eine Story dazu. So etwas wie: Mandy, 19, ist gerade mit dem Abi fertig und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Wenn man dann Emails von Männern bekommt, bittet man sie um ihre Handynummer und beginnt eine Konversation. Manche schreiben einem auch gleich eine SMS. Wir brauchen dazu natürlich kein Handy, sondern machen das mit Eingabemaske und Tastatur.
Das machen die dann, obwohl sie die Gebühren kennen?
Ja! Sie werden vorab informiert, dass sie jede von ihnen gesendete SMS 1,99 Euro kostet. Steht auch ganz deutlich in den AGBs der Webseiten. Das ist ihnen aber egal. Die meisten hören dann einfach wieder auf, wenn sie ihre nächste Telefonrechnung sehen. Aber manchen ist es das auch wert, die sehen halt das Foto und wollen diese Frau kennen lernen. Eines der Mädels hat seit drei Jahren einen Stammkunden, der hat schon über 7000 SMS geschickt – und in der ersten Zeit haben die SMS noch drei Euro gekostet.
Manchmal passiert es auch, dass sich ein Kunde nach langer Zeit wieder meldet und schreibt: „Tut mir leid, dass ich so lange nichts von mir hab hören lassen, ich musste erst meine Telefonschulden abstottern.“ Die machen das schon sehenden Auges.
Was für Dating-Seiten benutzt ihr zum Knüpfen von Kontakten?
Ungefähr zehn Single-Börsen. Große Partnersuchdienste wie Neu.de sind zwar für uns gesperrt, aber die kleineren Flirtseiten reichen vollkommen.
Geht es da nicht die ganze Zeit um „Zieh mal dein Höschen aus“?
Nein, gar nicht. Es geht tatsächlich um Partnerschaft. Die Kontakte stammen ja auch von diversen Partnersuch-Seiten. Klar kann man die Männer auch über Sexseiten kontaktieren, aber da geht es um nichts Längerfristiges. Das bringt einem nicht viel ein. Man muss schon eine Bindung aufbauen und was Spannendes zu erzählen haben.
Zum Beispiel?
Oh, da gibt es die ganze Bandbreite. Das blonde Partygirl geht immer. Manche der Mädels bedienen aber auch besondere Nischen wie Fetisch oder Gothic, das kann man sich ganz frei aussuchen. Eine erzählt, dass sie als Pathologin auf so einer Leichenfarm arbeitet, wo überall Tote in verschiedenen Verwesungsstadien herumliegen. Das finden ihre Stammkunden total interessant. Es ist wie schauspielern, und eine psychologische Seite hat es auch.
Wie reagiere ich, wenn mich die Männer endlich mal in Realität treffen wollen?
Da muss man kreativ sein und sich etwas ausdenken, warum das nicht geht. Man könnte im Ausland arbeiten oder einen eifersüchtigen Freund haben. Wenn sie herausfinden, dass sie dich wirklich nicht treffen können, hören sie normalerweise auf zu schreiben. Nicht immer. An einem deutschen Flughafen, dessen Namen ich jetzt nicht nennen möchte, gibt es einen Flugbegleiter, der felsenfest davon überzeugt ist, dass er seinen Flirt öfter mal vorbeilaufen sieht. Die hat erzählt, sie arbeitet dort auch als Flugbegleiterin, möchte aber ihre Identität geheim halten.
Was für Frauen arbeiten bei Ihnen?
Die meisten sind Studentinnen und finanzieren sich damit nebenher. Das Schöne an dem Job ist ja, dass man ihn überall machen kann – die gehen dann zwischen den Vorlesungen mal in den Computerraum, loggen sich ein und beantworten ein paar SMS. Es gibt aber auch welche, die davon ihren Lebensunterhalt bestreiten. Bei mir arbeiten gerade über zwanzig Frauen.
Was verdient man denn damit?
Für jede eingegangene SMS bekommt die Texterin bei uns 30 Cent. Damit sind wir gut dabei, bei anderen Agenturen bleibt oft viel weniger hängen.
Können Männer das nicht auch machen?
Doch, Männer haben es hier auch schon versucht, aber das funktioniert meistens nicht so gut. Heterosexuelle Männer tun sich anscheinend schwer, mit anderen Männern zu flirten, die finden nicht den richtigen Draht. Natürlich gibt es auch Schwule und Lesben in der Branche, oder zumindest welche, die in diese Rollen schlüpfen.
Ist der Job nicht ziemlich illegal?
Nein. Wir spammen die Männer nicht mit Werbung zu, die geben dir ihre Handynummer ja freiwillig und erfahren, was es kostet. Selbstverständlich ist das alles auf unserem Server dokumentiert. Es gibt natürlich Fälle, wo die Leute sich weigern, ihre Telefonrechnung zu bezahlen. Wir haben aber alles, was geschrieben wurde, gespeichert und sind damit auf der rechtlich völlig sicheren Seite. Das kann man ausdrucken und damit belegen, dass die Nummern freiwillig ausgetauscht wurden. Niemand wird zum Flirten gezwungen! Man kann jederzeit aufhören, zu schreiben.
Aber mal ehrlich, im Grunde lügen Sie einsamen Männern für Geld was vor. Schlechtes Gewissen?
Nie. Erstens spielen wir mit offenen Karten. Die haben die Gebühren-Information. Zweitens kriegen sie auch was dafür: Unterhaltung, Trost, Spaß... von einem echten Menschen, der individuelle Antworten schreibt. Dafür braucht man sich nicht zu schämen.
Interview: Eva Bader
Text: eva-bader - Illustration: Gabriel Holzner