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"Manchmal wünschte ich mir, keine Band zu haben"
jetzt.de: Schön, dass du dich direkt auf die Couch legst. Dann kann die Therapiestunde ja beginnen.
Adam: Interviews sind doch eh nichts anderes als Gratis-Sitzungen bei Hobby-Psychiatern. Zumindest wird man ständig gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Das ist beim Song-Schreiben nicht anders.
Stimmt, auch dabei kehrt man häufig sein Innerstes nach außen. Aber du kannst natürlich selbst beeinflussen, wie tief du gehen willst. Aber wenn ich ehrlich bin: Manchmal würde ich mir sogar wünschen, die Band nicht zu haben, weil ich diese Auseinandersetzungen mit mir selbst wahnsinnig anstrengend finde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Meinst du, das würde dich glücklicher machen?
Nein, vermutlich nicht.
Denkst du beim Schreiben denn bereits über den Ursprung der Song-Inhalte nach oder wirst du dir der Bedeutung deiner Texte erst im Nachhinein bewusst, wenn du in Interviews darüber sprechen musst?
Es kommt durchaus vor, dass ich erst Monate später begreife, was ich im Moment des Schreibens eigentlich zum Ausdruck bringen wollte. Manchmal braucht es eben erst eine gewisse Distanz, um bestimmte Dinge begreifen zu können.
Verändert sich die Bedeutung eines Songs auch manchmal mit der Zeit?
Die Bedeutung eines Songs verändert sich nicht, aber die Perspektive. Die Projektionen, die man in einen Song hineingeschrieben hat, erscheinen manchmal in einem anderen Licht.
http://www.youtube.com/watch?v=4dXpmbZDnRk
Im Stück „Destroy“ gibt es die Zeile „Change is always good“. Offensichtlich ist das ein Satz, den ihr in der Produktionsphase des Albums sehr verinnerlicht habt, denn ihr seid die Platte ganz anders angegangen als den Vorgänger „Work“.
Ja, das stimmt. „Work“ haben wir sehr traditionell aufgenommen, haben acht Monate lang durchgängig geprobt, bevor wir für die Aufnahmen ins Studio gegangen sind. Dieses Mal wollten wir bewusst aus dieser Routine ausbrechen und die neue Platte anders angehen.
Warum? Hattet ihr Angst davor, durch das Verfallen in Routine den Spaß an der Sache zu verlieren?
Ja, ein bisschen war das so. Uns gibt es mittlerweile ja auch schon zehn Jahre, und wir mussten etwas tun, um den Grundstein dafür zu legen, dass wir auch noch die nächsten zehn Jahre weitermachen können. Wir mussten uns eine neue Grundlage schaffen, um uns unsere Kreativität zu erhalten.
Du hast es gerade angesprochen: Die Shout Out Louds gibt es seit nunmehr zehn Jahren. Macht dieser Umstand das Miteinander einfacher oder schwieriger?
Beides. Wir sind fünf Leute in der Band und eigentlich müssen alle jederzeit dieselbe Energie aufbringen. Es gibt aber immer einen, der einen schlechten Tag oder miese Laune hat. Gleichzeitig stecken wir alle in unseren Rollen fest und das macht Veränderung schwer.
Aber ihr bekommt es hin.
Klar. Der Umstand, dass wir bereits vor der Bandgründung allesamt gute Freunde waren, hilft uns sehr, stets behutsam miteinander umzugehen. Wir führen eben keine reine Geschäftsbeziehung, sondern sind in erster Linie Freunde. Und diese Freundschaft versuchen wir zu bewahren.
Das ist sicherlich nicht immer ganz einfach.
Nein, aber es funktioniert. Dennoch muss man Opfer bringen und zu Gunsten der Kreativität einen Teil seiner Freundschaft herschenken.
Wie meinst du das?
Wenn du dich in der Produktionsphase einer Platte befindest, redest du nur wenig über Beziehungsprobleme oder persönliche Befindlichkeiten. Da geht es nur noch um Klangfarben und Sounds. Hinzu kommt: Wir sind als Musiker mit voller Leidenschaft dabei und streiten uns daher häufig. Ich würde fast sagen, während wir aufnehmen, werden wir weniger enge Freunde, und wenn wir auf Tour sind, wachsen wir wieder zusammen. Aber vielleicht muss das so sein.
Sind die Streits, die du eben angesprochen hast, denn schlimmer, weil ihr befreundet seid oder deshalb gerade nicht?
Es ist insofern schlimmer, weil jeder natürlich genau weiß, welche Knöpfe er drücken muss, um die anderen zur Weißglut zu treiben. Gleichzeitig ist es aber auch einfacher, weil wir wissen, dass wir am nächsten Tag immer noch Freunde sein werden – egal wie heftig der Streit auch war. Wenn wir nicht so gut befreundet wären, würden wir uns nach so einem Streit vielleicht wochenlang nicht anrufen, weil es natürlich leichter fällt, etwas aufzugeben, wenn es nichts bedeutet.
In dem Stück „Burn“ kommt die wenig charmante Textzeile vor: „Your face looks so much older than I can remember from last night.“ Hast du dich schon mal in einer Situation befunden, in der du dich am Morgen erschreckt hast, wer da im Bett neben dir liegt?
Tut man das nicht immer (lacht)? Ich muss gestehen: Ich bin wirklich wahnsinnig schlecht darin, diese „Der Morgen danach“-Situationen souverän zu meistern. Allerdings bezieht sich diese Zeile gar nicht so sehr auf das Alter, sondern eher darauf, dass man morgens selbst mit einem anderen Gefühl aufwacht als mit dem, mit dem man nachts eingeschlafen ist. Die Energie und Leidenschaft, die man sechs Stunden vorher noch hatte, sind verflogen.
Der Alkohol hat sie vermutlich mitgenommen.
Ja, und den Kater hat er da gelassen (lacht).
Wie ist das denn überhaupt mit Groupies bei euch? Nutzt ihr euren Rockstar-Status aus?
Zur Zeit ist jeder in der Band in festen Händen, aktuell passiert da also nichts. Vor ein paar Jahren war das freilich noch anders. Aber wir sind natürlich Gentlemen und eine Gentlewoman und schweigen uns über Details selbstverständlich aus.
Gab es damals denn einen Unterschied bezüglich der Angebote hinsichtlich der männlichen und weiblichen Bandmitglieder?
Nein, ich glaube nicht. Wir sind schließlich alle berühmt (lacht).
Einige von euch führen Fernbeziehungen. Wie ist deine Meinung dazu? Bist du ein Fürsprecher von Fernbeziehungen, weil man die gemeinsame Zeit dann mehr genießt oder eher dagegen, weil die räumliche Distanz auch schnell zu einer emotionalen Entfremdung führt?
Mit meiner Freundin bin ich zwei Jahre lang zwischen Schweden und Australien hin- und hergependelt – weiter kann man kaum voneinander entfernt sein. Mittlerweile wohnen wir aber in Stockholm zusammen und ich bin wahnsinnig froh darüber. Auch, weil wir jetzt nicht mehr Unmengen an Geld für Flugtickets ausgeben müssen und ich fliegen hasse.
Also siehst du keine positiven Aspekte an einer Fernbeziehung?
Doch! Wenn man eine Fernbeziehung führt oder geführt hat, macht es das Touren einfacher, weil man die damit verbundene räumliche Trennung kennt. Außerdem lernt man, einander zu vertrauen und seine Eifersucht in den Griff zu bekommen – ansonsten funktioniert eine Fernbeziehung nämlich nicht. Ein weiterer Vorteil, wenn man eine Fernbeziehung mit einer Frau in Australien führt: Man kann dem schwedischen Winter entfliehen.
„Optica“ von den Shout Out Louds erscheint am 22. Februar bei Universal.
Text: daniel-schieferdecker - Foto: Frode & Marcus