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"Man sieht das Publikum nicht mehr, weil es hinter Mobilfunk-Flaggen versteckt ist."

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Alison, als ich dieses Interview vorbereitete und die Google News der letzten Tage durchsuchte, stieß ich unter anderem auf zwei Themenkomplexe: die angeblich geplante Hochzeit zwischen Jamie und Kate Moss und einen BH von Dir, der bei Ebay versteigert wurde, aber angeblich doch nicht Dir gehörte. Nervt das nicht, wenn eine Band über solche Dinge wahrgenommen wird?
Ich glaube, Jamie betrifft das noch ein Stück mehr als mich, wir wissen alle wieso. Ich führe ein Leben, das für die Regenbogenpresse recht uninteressant sein dürfte. Vor allem aber versuche ich, das alles einfach nicht zu lesen. Es lässt sich nicht ändern, wie das Wetter oder der Verkehr. Es ist eine schäbige Behandlung, die niemand auf der Welt verdient, auch nicht wir und unsere Freunde. Ich glaube aber, dass die meisten Leute, die uns mögen, das wissen und ähnlich denken. Vor allem in England ist es schlimm. Dort würden dich die Leute ohne weiteres umbringen, wenn dabei eine schöne Schlagzeile herausspringen würde. Willkommen in Großbritannien, dem Land, das sich nicht um Deine Privatsphäre schert.  

...was man auch als Statement zur Komplettüberwachung des öffentlichen Raums durch Kameras verstehen könnte.
Klar, CCTV ist ein anderer Teil des selben Problems. Was soll das? Man wird die ganze Zeit gefilmt und fotografiert. Und wer sagt einem, dass diese Bilder nicht irgendwann in die Öffentlichkeit kommen? Wenn man berühmt ist, ist man in England Freiwild.  

Habt Ihr jemals überlegt, das Hauptquartier der Band in die Staaten zu verlegen?
Nein, what the fuck? Ich werde diesen Menschen keinen Einfluss auf mein Leben gestatten. Aber wir genießen vielleicht auch deshalb Touren durch Amerika. Da ist alles etwas entspannter. Da wird man in Ruhe gelassen und erfährt gleichzeitig eine enorme Gastfreundschaft. Und weil das Land so groß ist, kommt man in einen Rhythmus, der in Europa unmöglich ist, weil man da selten länger als drei, vier Tage in einem Land unterwegs ist. Ein amerikanischer Highway, nachts um halb zwei Pause in irgendeinem Waffle House – das ist 'ne Erfahrung. 

 Zur Veröffentlichung von „Midnight Boom“ beschwertest Du dich über Eure finanzielle Lage. Die Platte verkaufte sich gut, die Tour lief hervorragend. Ist es ein wenig besser geworden?
Wir brauchten alleine für die Aufnahmen von „Midnight Boom“ eineinhalb Jahre. Wir haben für die Platte drei Mal so viel bezahlt, wie sie einspielte. Das war diesmal zum Glück nicht so. Wir gingen zwar in das gleiche Studio, kamen aber gut durch. Ohne Hindernisse. Es war ein guter, fruchtbarer Aufnahmeprozess. Und was das Geld angeht: Man muss einfach arbeiten. Viele Shows spielen. Und man muss Geschäftsfelder erschließen, die man früher abgelehnt hätte. Man muss erkennen, dass in einer Rock'n'Roll-Band zu spielen mehr bedeutet, als ordentlich Party zu machen und mit jeder Platte ein, zwei Mal zu touren. 

 Ihr habt mit einer großen Jeansmarke zusammengearbeitet. Solche Dinge?
Wir spielen viele Shows, die etwas mit Mode zu tun haben. Das ist total in Ordnung, weil es mich selbst interessiert und weil die Branche uns unterstützte, als sich sonst niemand um uns kümmerte. Dafür bin ich sehr dankbar. Man muss aber auch Dinge tun, die man vor zehn Jahren so nicht gemacht hätte. Das ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist und finanziert schlichtweg unsere Plattenaufnahmen und damit unsere Leben. Aber in der Tat nimmt der Einfluss von Marken auf die Musikwelt bizarre Züge an. In England heißt jeder Laden irgendwas mit „Carling“. Sogar die legendäre Brixton Academy wurde umbenannt! Und auf Festivals sieht man das Publikum nicht mehr, weil es hinter lauter Werbeaufstellern und Mobilfunk-Flaggen versteckt ist. Das ist eine Entwicklung der letzten fünf Jahre und hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass Konzertveranstalter ebenfalls auf zusätzliche Einnahmequellen angewiesen sind. Junge Bands werden das ganz normal finden und ich möchte da niemanden verurteilen, aber manchmal beunruhigt es mich schon.  

http://www.youtube.com/watch?v=0S9vgTMUkhE

Muss man Kompromisse eingehen?
Natürlich. Aber man muss vor allem darauf achten, dass man die Kontrolle behält. Und das tun wir. Vor allem, wenn es darum geht, live zu spielen, macht es mir Spaß, auch wenn das ein Konzert ist, das von einer großen Jeansmarke präsentiert wird. Ich würde aber vermutlich nicht eine Tour spielen, die unter der Schirmherrschaft von BP steht oder so.  

Habt Ihr Probleme damit, dass Marken Eure Musik ohne Erlaubnis verwenden? Eigentlich nicht. Meistens lässt sich so etwas aber auch schnell regeln. Ein paar Anrufe der Anwälte, und das hört auf. Jack (White, die Red.) hatte da aber einmal richtigen Ärger. Die Army oder die Navy, ich weiß es nicht mehr genau, ließ in irgendeinem Rekrutierungs-Spot im Hintergrund einen White-Stripes-Song laufen. Genau, als der Krieg im Irak begann. Das ist natürlich völlig absurd und steht gegen alles, was Jack White denkt und verkörpert. Er ist echt ausgeflippt und hat die auch sofort verklagt. 

 „Blood Pressures“ entstand in einem kleinen Städtchen am Lake Michigan. Ein Rückzugsort von all dem?
Auf eine gewisse Art und Weise. Es ist aber eher ein Ort ohne Hoffnung, der von der Gegenwart abgekoppelt ist. Man findet dort Plätze wie ein Hotel mit 600 Zimmern, das seit den 70er-Jahren leer steht. Im Prinzip sieht die ganze Hauptstraße so aus. Dazu kommen ein paar Bars und heruntergekommene Wohngebiete. Das war's. Es leben vor allem Schwarze dort. Alle ziemlich arm. Und mittendrin ist eben dieses Studio, von dem aber niemand weiß.  

Übten die Ruinen einen Reiz auf Dich aus?
Ja, schon. Ich habe mir dieses Hotel einmal näher angeschaut. Es war aber ziemlich ekelhaft, total feucht und auch überhaupt nicht mehr sicher. Jamie hat eine verlassene Kirche entdeckt und ist da eingestiegen. Er schickte mir Fotos, das war wie in einem Film. Sie fanden sogar alte Instrumente. Und das würde man in vielen Gebäuden tun. Es ist ein wenig wie in Detroit.  

… das nicht weit weg vom Lake Michigan ist.
Vier Stunden. Vor allem ist das die größte Tragödie der USA. Ein wirklich beispielloser Verfall. Wenn man mit dem Auto durch die Innenstadt fährt, muss man fast weinen. Das versteht man vermutlich nicht, wenn man die alte, gesunde Stadt nicht kannte. Es ist wirklich schlimm und ein Armutszeugnis für die amerikanische Gesellschaft, eine Stadt so verkommen zu lassen. Und das ist nur ein Symbol für einen großen Teil des Mittleren Westens. 

In einigen der Songs klingst Du melancholischer als früher. „Last Goodbye“ wäre da zu nennen. Machte es Spaß, mal mit der Stimme zu arbeiten, sie woanders stattfinden zu lassen?
Es ist schwierig, darauf eine Antwort zu finden. Wir gehen unsere Musik nie mit irgendeinem Konzept an. Es ist nicht so, dass es da einen Masterplan gibt, dass ich mal anders singen wollte oder so. Es könnte aber sein, dass „Last Goodbye“ so klingt, wie es klingt, weil ich zuletzt so viel in Nashville rumhing. Es soll ein Country-Song sein. Patsy Cline, Nancy Sinatra. An die musste ich denken. Den Kram kann ich mir den ganzen Tag lang anhören, nur passt es leider nicht zu dem, was wir sonst machen. Es ist dann Jamies Aufgabe, aus so etwas einen Kills-Song zu formen. Er ist der Music Man.  

Wie läuft das ab?
Das dauert. Wir können nicht jammen, wie eine klassische Rockband und so den richtigen Klang herausfinden, weil wir mit einer Drummachine arbeiten. Kills-Songs sind also einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Wir brauchen mindestens drei bis vier Versuche, bis wir bei dem Sound landen, der dann wirklich den Song charakterisiert. Ich bin ganz froh, dass der Großteil dieser Arbeit an Jamie hängenbleibt (lacht).  

Warum?
Ich langweilige mich rasch. Ich schreibe lieber zehn Songs an einem Tag, als dass ich nur an einem arbeite. Da bin ich das Gegenteil von Jamie. Der kann sich zwei Wochen lang mit einem Stück beschäftigen. Ich mag eher die Macht des Moments. Ich hab' Angst, dass man die Sachen ruiniert, wenn man sich zu lange damit beschäftigt. Das merkt man auch im Studio. Zum 15. Mal eine Stelle einzusingen ist das Schlimmste, was es gibt.        


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"Blood Pressures" von The Kills ist bei Domino Records erschienen.                          

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