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Lieferando der Prostitution

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jetzt.de: Pia, wie hast du deinen Eltern erklärt, dass du eine Plattform für sexuelle Dienstleistungen gründest?
Pia Poppenreiter: Meine Eltern sind sehr offen, aber ich erinnere mich noch genau an das Skype-Telefonat, weil ich mir schon Gedanken gemacht, habe, wie sie wohl reagieren. Ich habe meine beiden Eltern vor den Schirm geholt und ihnen einfach gesagt, wie es ist. Erst hat mein Papa gelacht, dann auch meine Mama. Sie haben gesagt, wenn ich das machen will, finden sie es gut. Und jetzt sind sie auch ganz stolz. Es klingt erst krass, aber wenn man das ein paar Tage wirken lässt...  

...ist es nicht mehr krass?
Doch, wahrscheinlich schon. Am Anfang, wenn mich jemand auf einer Party gefragt hat, was ich beruflich mache, wollte ich die Leute immer vorbereiten. Ich hatte sogar ein kleines Intro parat.  

Was hast du dann gesagt?
Also, ich bin keine Prostituierte und habe nie als solche gearbeitet, ich hatte noch nie was mit der Szene zu tun. Erst dann habe ich gesagt, was ich mache. Mittlerweile sage ich einfach: ‚Ich bin Mitgründerin von Peppr, einem Portal für sexuelle Dienstleistungen.’ Da sind manche erst mal schockiert und starren mich an, aber dann sagen viele, dass sie es für eine gute Sache halten. Ich finde es nach einem halben Jahr ehrlich gesagt nicht mehr so krass. Wir haben die Chance, den Beruf der Sexarbeiter von seinem schmuddeligen Image zu befreien.  

Und so eine Plattform gab es wirklich noch nicht?
Als Web-App oder App nicht, und neutral und stilvoll, wie wir das machen, auch nicht. Es gibt natürlich diverse Internetportale, aber wir wollten weg von diesem Schäbigen, wir wollten eine Buchungsplattform, die wertfrei ist. Wir haben auch keine Werbung drauf.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Pia Poppenreiter (ja, das ist ihr echter Name!), 26, kommt aus Wels in Oberösterreich und hat BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik studiert. Links im Bild: Florian Hackenberger, technischer Leiter von Peppr.it.

Habt ihr euch für eine Web-App (die im Browser angezeigt wird) entschieden, weil ihr Angst hattet, eine native App würde gleich aus den App Stores gelöscht werden?
Das Risiko wollten wir wirklich nicht unbedingt eingehen. Aber es liegt vor allem daran, dass wir noch nicht die Kapazitäten für die Programmierung einer nativen App haben.  

Wie seid ihr eigentlich auf die Idee mit Peppr gekommen?
Die Geschichte klingt abgedroschen, aber es ist die Wahrheit: Ich bin mit Freunden in eine Bar gegangen, über die Oranienburger Straße, die ist in Berlin bekannt für den Straßenstrich. Es war Herbst, es war kalt, ich hatte einen Rock an. Und dann habe ich die Frauen dort stehen sehen. Ich weiß nicht, warum mich das so bewegt hat, aber ich habe mich gefragt: ‚Warum müssen die da stehen? Mir ist schon so kalt und dabei bin ich nur kurz auf der Straße.’ Ich wollte zu dem Zeitpunkt etwas Eigenes gründen, ich habe überall nach Ideen gesucht. Und die hat mich nicht mehr losgelassen. Als BWLerin und mit der Feinfühligkeit als Wirtschaftsethikerin habe ich mich bereit gefühlt, das zu versuchen. Ich habe mich mit der Szene auseinandergesetzt, mit vielen Leuten gesprochen.  

Wie hast du Kontakt zu ihnen aufgenommen?
Ich bin einfach in die Oranienburger Straße gegangen und habe die Frauen dort angesprochen. Manche wollten nicht mit mir reden, aber manche schon. Im Gespräch habe ich aber gemerkt, dass da gar kein Bedarf ist für so eine App.  

Warum das?
Die Frauen vom Straßenstrich nehmen in der Regel keine Buchungen im Voraus an, sondern die Kunden, wie sie zeitlich kommen. Sonst sagt jemand zu ihnen, er oder sie komme in zwei Stunden wieder, und dann kommt er oder sie nicht. Dann bin ich ins Bordell gegangen. Ich durfte mich für ein paar Stunden an die Bar setzen und habe mit den Leuten dort gesprochen, die waren sehr offen. Ich wollte ein Gefühl für die Szene entwickeln.  

Was hast du dort erlebt?
Ich fand es sehr bewegend, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich wurde auch angesprochen, weil ein paar Kunden dachten, ich würde auch meine Dienste anbieten. Ich habe gelernt, dass man aus einem Glas Champagner am besten mit einem Strohhalm die Kohlensäure heraus rührt, weil man dann mehr davon trinken kann. Und ich habe erfahren, warum Männer und Frauen sexuelle Dienste in Anspruch nehmen. Die einen haben einen Fetisch, den sie sich zu Hause nicht erzählen trauen, zum Beispiel in Richtung SM. Andere suchen einfach Nähe, viele wollen nur kuscheln, aber sie sind extrem schüchtern und trauen sich niemanden anzusprechen.  

 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wie funktioniert deine App eigentlich?
Wenn ich für heute Abend ein Date suche und Lust auf Sex habe, gehe ich auf unsere Webseite, gebe meine Postleitzahl ein, wähle aus, ob ich einen männlichen oder weiblichen Begleiter suche, und klicke mich durch Fotos, Profile, Extras wie Girlfriend-Sex oder Paarservice und den Preis. Wenn ich jemanden gefunden habe, den ich treffen will, gebe ich Zeit und Ort ein und schicke eine Buchungsanfrage. Was dann offline passiert, liegt nicht in unserer Verantwortung.  

Könnt ihr euch da ganz entziehen?
Das müssen wir. Lieferando oder Lieferheld werden ja auch nicht verantwortlich gemacht, wenn sich jemand eine Lebensmittelvergiftung holt. Wir würden Prostitution gern sicherer machen, aber wir vermitteln nur. Unsere Verantwortung kann darüber nicht hinausgehen. Wir wollen eine Plattform anbieten, auf der die Sexarbeiter selbstbestimmt ihre Buchungen abwickeln können – und keinen Zuhälter mehr brauchen.  

Seid ihr dann quasi die Zuhälter?
Nein, weil alles, was nach der Buchung passiert, also auch die Bezahlung, nicht über die App läuft.  

Aber ihr verdient irgendwie dabei, oder?
Wir verlangen eine kleine Buchungsgebühr vom Kunden, fünf oder zehn Euro, je nachdem, in welcher Preiskategorie man bucht. Wird die Buchungsanfrage angenommen, wird von der Kreditkarte des Kunden der Betrag abgebucht. Den teilen wir mit den Sexarbeitern oder der Agentur.  

Wie viele Buchungen habt ihr am Tag?
Das ist geheim. Davon leben können wir noch nicht. Wir glauben an die Idee, die ist erst mal im Vordergrund. Aber natürlich möchten wir irgendwann alle davon leben.  

Mir fällt auf, dass du immer „Sexarbeiter“ sagst.
Sexarbeiter ist ein neutrales Wort, wir wollen mit unserem Auftreten keinen verletzen.  

Welche Vorteile haben die Sexarbeiter durch eure Plattform noch?
Wir verlangen keinen einzigen Euro von ihnen. Normalerweise zahlen sie extrem viel Geld für Annoncen. Sie können sich mit unserer App ein Profil in hochwertigem Design anlegen und ihre Buchungen verwalten. Durch die Buchungsgebühr haben die Anfragen mehr Verbindlichkeit. Die Sexarbeiter bekommen jeden Tag 20 bis 30 Anrufe. Von denen kommen vielleicht zwei Kunden, viele wollen nur reden oder machen einen Termin aus und kommen dann nicht.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wie wählt ihr aus, wer in der App erscheint?
Im Moment haben wir viele Frauen und Männer von Escort-Agenturen darauf, deswegen sind auch die Preise recht ähnlich. Vor allem wollen wir aber freiberufliche Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, also Independents, für Peppr gewinnen, damit sie selbstständig und selbstbestimmt ihre Buchungen verwalten können. Wir sind mit allen persönlich in Kontakt und prüfen jeden, der auf unserer Seite erscheint. Wir sehen uns die Fotos und das Profil an, führen ein kurzes Gespräch mit ihr oder ihm, fragen, ob sie oder er sich auch selbstbestimmt angemeldet hat. Wir haben viele Anfragen, aber wir lassen uns Zeit, die Profile zu verifizieren und die Leute kennenzulernen. Interessanterweise haben wir gerade mehr Anfragen von Männern als von Frauen.

Wie kommt das?
Wir können uns das nicht erklären, von den Sexarbeitern haben wir aber gehört, dass die Männer sich an so was Technisches schneller herantrauen.

Wie ist das Feedback von den Sexarbeitern?
Die finden es cool, dass und wie wir dieses Projekt umsetzen, vor allem, weil wir milieufremd sind und einen anderen Blick auf die Branche mitbringen. Und sie freuen sich, dass es eine Plattform mit Niveau ist. Wir haben viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter kennengelernt, mit manchen gehen wir Kaffeetrinken und Mittagessen. Wir kriegen auch extrem viel Zuspruch von den Berufsverbänden und Non-Profit-Organisationen, die sich für Sexworker einsetzen. Wir haben noch nie in der Szene gearbeitet, wir brauchen dieses Feedback.  

Im vergangenen Dezember hat Alice Schwarzers Buch „Prostitution – Ein deutscher Skandal“ eine Debatte in Deutschland ausgelöst, im Januar darauf hast du dein Start-up gegründet. Wie hast du diese Diskussion erlebt?
Das alles haben wir natürlich verfolgt, aber wir wollen uns nicht politisch äußern. Wir wollen nicht als Spielball benutzt werden.    


Text: kathrin-hollmer - Fotos: Peppr.it

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