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"Letzten Endes bin ich einfach ein schwarzer Mann." Ein Black Kid im Interview
Ihr habt im vergangenen Dezember sechsmal hintereinander in der europäischen Pophauptstadt London gespielt, obwohl Ihr gar keinen Plattenvertrag habt. Wie hat sich das angefühlt? Es war anstrengend und äußerst befriedigend zugleich, und auch ein bisschen surreal. Davor hatten wir nur in Städten wie Jacksonville oder Athens gespielt – und einmal in New York beim CMJ Music Marathon. Dass wir dann so schnell in London gelandet sind, hat sich so angefühlt, als ob wir etliche Stufen übersprungen hätten. Das klingt so, als ob Dir gerade alles ein bisschen zu schnell geht. Ja, sicher, wir haben die Band ja erst vor knapp zwei Jahren gegründet. Wenn man das Tempo regulieren könnte, in dem man bekannt wird, wenn es eine Art Drehknopf dafür geben würde, dann wären wir jetzt wahrscheinlich auf Stufe 10. Ich würde Stufe 6 bevorzugen oder 5. Aber wir können die Leute ja nicht bitten, hey, macht mal langsam. Wir müssen jetzt versuchen, mit dem Tempo mitzuhalten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Herr Youngblood und das EP-Cover Wie bewertet Ihr Euch denn selbst als Liveband? Würdet Ihr manchmal gerne ein paar Tage mehr im Proberaum verbringen, um Eure Songs zu üben? Wenn Du uns beim CMJ gesehen hast, hättest Du festgestellt, dass wir nicht besonders tight waren. Wir hatten einige gute Shows, aber auch einige fragwürdige. Aber seitdem proben wir ununterbrochen. Ich glaube, dass wir stetig Fortschritte machen. In ein paar Monaten werden wir dann da angekommen sein, wo wir hinwollen. Aber wir werden definitiv immer besser. Reden wir doch mal über Euren Hit „I’m Not Gonna Teach Your Boyfriend How To Dance With You“? Gibt es eine besondere Geschichte dazu? Der Song handelt von einem Problem, das ich immer wieder habe, wenn ich in meiner Heimatstadt in eine Disco gehe. Ich beginne, mit einem Mädchen zu tanzen. Die Chemie ist großartig und wir haben eine wirklich großartige Zeit. Und dann kommt irgendwann raus, dass sie einen Freund hat, der scheiße tanzt, mit dem sie aber dann zusammen nach Hause geht, während ich einsam zurückbleibe. Ich bin beim Mitsingen immer etwas verwirrt wegen der Textzeile „You are the girl I’ve been dreaming of ever since I was a little girl“. Wie ein Mädchen siehst Du nicht gerade aus. Keine Ahnung, ich mag einfach Mehrdeutigkeiten. Das ist ein bisschen wie bei Morrissey, er hätte so was bei den Smiths singen können. Ich denke zum Beispiel an den Song „Sheila Take A Bow“, wo er mit den Geschlechtern jongliert. Ich habe mir diesen Ausdruck irgendwie in letzter Zeit angewöhnt. Immer wenn ich mir etwas ganz besonders und seit langer Zeit wünsche, sage ich, hey, das wollte ich schon immer machen, seitdem ich ein kleines Mädchen bin. Das ist einfach ein weirder und schrulliger Ausdruck. Ich habe ihn in den Song eingebaut und wusste, dass das die Leute irritieren wird. Es gibt in dem Song ja insgesamt nur zwei Textzeilen. Die sollten also schon einigermaßen kreativ sein. Hier live: „I’m Not Gonna Teach Your Boyfriend How To Dance With You“
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Ihr habt generell sehr kreative Songtitel. Ich bin ein Fan von cleveren Songtiteln. Morrissey oder die Pet Shop Boys haben großartige Songtitel, aber auch die Magnetic Fields, Hefner oder Divine Comedy. Manchmal habe ich einen Songtitel schon ewig lange Zeit, bevor ich überhaupt eine Melodie oder Textzeile habe. Es macht mir Spaß, Songtitel zu erfinden. Ich habe in meinem Textbuch eine ganze Liste voraussichtlicher Songtitel. Manchmal schreibe ich einen Song, zu dem es keinen Titel gibt, und dann suche ich mir in meinem Buch einen aus. Reden wir über Euren Bandnamen. Ich habe in einem Internetforum eine Diskussion darüber verfolgt, ob Ihr berechtigt seid, den Namen Black Kids zu verwenden, obwohl nicht alle Bandmitglieder schwarz sind. Sie gipfelte in Mutmaßungen darüber, was für eine Art von Mischling Du bist, ob Du jetzt halb schwarz und halb philippinisch bist oder nicht. Bist Du überrascht, dass Euer Bandname solch bizarre Rassendebatten auslöst? Nein, eigentlich nicht. Uns war klar, dass wir damit Diskussionen entfachen, aber gerade das hat uns ja so gut an dem Namen gefallen. Er besteht aus zwei völlig harmlosen Wörtern, die in der Kombination dann aber kontrovers klingen. Manche Leute können sich so richtig darüber aufregen. Der Name ist fast eine Art Lackmustest, weil er Leute aussondert, mit denen wir sowieso nichts zu tun haben wollen. Letzten Endes bin ich einfach ein schwarzer Mann und kann meine Band Black Kids nennen. Und wer ein Problem damit hat, für den gilt: Fuck Off! Habt Ihr innerhalb der Band lange über den Namen diskutiert? Ja, wir haben lange über den Namen gesprochen. Als er plötzlich auftauchte, dachten wir uns, wow, er klingt großartig, aber wir waren uns nicht sicher, ob wir uns wirklich wohl damit fühlen. Wir mussten ja auch an die weißen Bandmitglieder denken. Aber nach einer Weile Zeit war uns dann klar, dass dieser Name die einzige Option für uns ist. Jetzt denken wir gar nicht mehr darüber nach. Der Name hat auch gar nicht wirklich was mit der Musik zu tun. Und auch die Leute werden sich dran gewöhnen. Gibt es denn eine große Indieszene in Jacksonville oder klingen die meisten Bands eher nach Limp Bizkit, die auch von dort kommen? Es gibt schon eine Indieszene, aber die meisten Bands, die man hier trifft, machen eher Pop-Punk, Hardcore oder Southern Rock. Lynyrd Skynyrd kommen aus Jacksonville oder Molly Hatchett. Und gerade deshalb klingen wir wohl auch, wie wir klingen. Wir wollten uns einfach von allen anderen Bands unterscheiden. Wollt Ihr denn in Jacksonville bleiben oder denkt Ihr darüber nach, in eine „coole“ Popstadt wie London oder New York zu ziehen? Ich habe kein besonders großes Bedürfnis, die erste Gelegenheit zu ergreifen, um aus Jacksonville zu fliehen. Aber angesichts der Geschwindigkeit, in der sich die Dinge verändern, sieht es sowieso nicht so aus, als ob wir demnächst besonders viel Zeit in Jacksonville verbringen würden. Jacksonville ist kein schlechter Ort – wenn Du ihn immer wieder verlassen und anschließend zurückkehren kannst. Man kann sehr gut entspannen und zur Ruhe kommen. Nach solchen Tourstrapazen werde ich mich wohl immer wieder freuen, in Jacksonville einen Zufluchtsort zu haben.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Woher kommt eigentlich das Disco-Feeling, das Eure Songs irgendwie verbreiten? Ich denke, dafür ist meine Liebe zu New Order oder zu den Pet Shop Boys verantwortlich. Ich habe vorher in einer Band gespielt, bei der es nur darum ging, New Order möglichst variantenreich zu kopieren. Aber der Dance-Vibe kommt sicher auch von Michael Jackson zu seiner „Off the Wall“-Phase und von Daft Punk oder Prince. Geprägt hat mich aber auch der Sound, den ich als Kind gehört habe: R&B aus den Achtzigern und Neunzigern von New Edition oder Bobby Brown. Ich liebe diesen ganzen Kram immer noch. Und dann kommt noch der ganze britische Pop dazu. Ich bin großer Fan von den Smiths und von Pulp. Ich kriege es immer mit der Angst zu tun, wenn ich darüber nachdenke, was unsere Einflüsse sind, weil es so viele sind. Ihr vertreibt Eure EP umsonst übers Internet. Man muss Euch einfach nur eine Email schreiben und bekommt dann eine Zip-Datei mit den Songs zugeschickt. Warum seid Ihr da weniger zögerlich als andere Bands? Naja, wenn Du in einer völlig unbekannten Band spielst, die aus dem Nirgendwo kommt, ist es wahrscheinlich von Vorteil, wenn Du Deine Songs umsonst hergibst. Alle Bands, die das nicht tun, sind einfach nur dumm. Sie werden unbekannt bleiben. Ich habe jahrelang wie ein Besessener Platten gekauft, bis es mich finanziell fast ruiniert hat. Anschließend habe ich damit begonnen, die Platten einfach im Netz runterzuladen. Es wäre sehr heuchlerisch von mir, wenn ich meine Musik jetzt unter Verschluss halten würde. Und momentan ist es sehr praktisch, dank des Internets sind wir da, wo wir jetzt sind. Natürlich wollen wir in Zukunft mal einen richtigen Tonträger veröffentlichen, aber wir haben dann eben auch die Verantwortung, ihn zu einem irgendwie begehrenswerten Objekt zu machen, durch das Artwork oder irgendwelche Extras. Die Debüt-EP der Black Kids gibt es hier auf ihrer Homepage.