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"Kitsch ist ein Betriebsunfall"

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jetzt.de: Du hast mal gesagt, du würdest Liedtexte eigentlich nur schreiben, um etwas zur Musik singen zu können. Viel nachdenken würdest du dabei nicht. Trotzdem gibt es nun seit Jahren dieses typische Sven-Regener-Deutsch, eine fast eigene Sprache. Gibt’s vielleicht doch einen Plan dahinter?
Sven Regener: Ich wünschte, es wäre so! Dann hätte ich es leichter. Wir haben ja immer zuerst die Musik, die machen wir zusammen, und ich muss dann die richtigen Worte finden. Mit Plänen kommt man da nicht weit, die würden einen bloß durchschaubar machen.  

Du setzt auf Schönheit durch Planlosigkeit?
Es ist auf jeden Fall gut, unbefangen und ohne vorgeformte Absichten an die Sache heranzugehen. Jedes Lied ist neu und anders. Die Musik ist immer sehr inspirierend. Das Lied ist ja immer schon fertig, nur eben ohne Text. Aber man weiß, dass da etwas ist, dass da eine Geschichte drinsteckt. Die muss man dann eben finden.  

Viele sehen in dir vor allem einen großen Schreiber. Was macht dir mehr Spaß: das Schreiben oder das Abliefern des Geschriebenen, also der Auftritt?
Am liebsten singe ich und spiele Trompete. Es ist ja wirklich so, dass ich die Texte mache, damit ich was zu singen habe, das ist nicht kokett gemeint. Und heißt ja auch nicht, dass es irgendein Mist sein muss! Oder sein darf. Im Gegenteil! Da ist man sich selbst ein kritischer Kunde.  

Woran erkennt man einen schönen Liedtext?
Er muss gut klingen. Man muss ihn außerdem singen und singen und singen können und er darf dabei nie langweilig werden. Mehr noch: Er muss jedes Mal wieder Spaß machen. Dann ist er gelungen! Doof sind auf jeden Fall belehrende Texte, so was ist unsympathisch und natürlich auch immer flach.  

Und wie wichtig ist es dir, dass ein Text gut ankommt?
Ich gehe nur nach dem, was mir selbst gefällt. Als Band machen wir es ja mit der Musik auch so. Anders geht es nicht. Man kann in der Kunst nicht nach dem gehen, was die anderen sagen. Zumal ja auch die alte Weisheit gilt: Der eine sagt so, der andere sagt so. Nach wem soll man sich da richten?  

Wie lange sitzt du an einem Text?
Ein paar Wochen sind es schon im Durchschnitt. Ich muss oft sehr lange warten, bis eine wirklich gute Idee um die Ecke kommt. Manchmal geht es auch Ratzfatz, und so kommen dann solche Durchschnittswerte zusammen.  

Kennst du Schreibblockaden?
Eigentlich beginnt jeder neue Song mit einer Schreibblockade. Deshalb dauert das ja auch so lange. Aber Zeitnot kenne ich eigentlich nicht. Wir setzen uns unsere Deadlines ja selber, da sind die flexibel! Uns vergisst ja niemand, bloß weil es mit der neuen Platte mal ein halbes Jahr länger dauert.

Was ist dein Trick, wenn du keine Ideen hast?
Da kann man nichts machen, nur warten. Manchmal versucht man natürlich, irgendwas zusammenzuschustern, aber das wird dann doof und dann wirft man es weg und dadurch dauert alles nur noch länger. Also lieber gar nicht erst damit anfangen!  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sven Regener (3. v. l.) und Element of Crime. Hier kannst du das Video zur Single "Lieblingsfarben und Tiere" sehen.

Wenn man die neue Platte hört, kann man dich für einen schweren Romantiker halten: „Rette mich vor mir selber, Hauptsache Liebe, und Hauptsache du“ oder „Über dir, über mir: dieselben Sterne“. Täuscht der Eindruck?
Romantik ist dann, wenn man im ganz normalen Leben das Poetische sucht. Und findet. Mal so allgemein und ein bisschen langweilig gesprochen. Ich würde mich aber da nicht als speziell Besessenen sehen. Wir haben ein Album „Romantik“ genannt und ich rufe das manchmal, durchaus ironisch gemeint, mit ravergleich himmelwärts gereckten Armen bei den Konzerten. Und sei es nur, um zu vermeiden, dass es zu andächtig wird. 

Aber als Romantiker würdest du dich schon bezeichnen?
Ja. Aber nicht mehr als meine Nachbarn auch. Oder, wie Cyman, ein Künstler aus den 80er Jahren, mal zu mir sagte, und er hatte Recht damit: „Die Leute sind doch alle irgendwie Freaks!“  

Kannst du Romantik in einem Satz definieren?
Nein, so einfach geht das leider nicht.  

Stichwort Kitsch: Wann ist der erlaubt?
Ach, Kitsch ist halt so was wie ein Betriebsunfall im Rock'n'Roll, aber wenn man nichts riskiert, dann kann man auch nichts Großes schaffen. Deshalb sollte man vor Kitsch keine Angst haben.  

Wann fandest du zum letzten Mal etwas sehr romantisch?
Das war neulich erst. Aber das würde ich niemals öffentlich erzählen!  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Lieblingsfarben und Tiere“ von Element of Crime erscheint am Freitag.

Text: erik-brandt-hoege - Foto: Charlotte Goltermann

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