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Keine Angst vor Großpop. The Killers veröffentlichen "Day & Age"

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Am nächsten Abend im Berliner Kesselhaus ist dann alles so, wie es sein sollte. Brandon Flowers, der Rockstar. Er trägt diese Lederjacke mit Federschmuck, die auch im Video zu "Human" zu sehen ist. Er ist nicht nur von seinen traditionell eher egalen Bandkollegen umgeben, sondern auch von einem Wald aus Plastikpalmen, um die irgendjemand Lichterketten gewickelt hat. Ein leuchtendes "K" schmückt die Bühne, das Schlagzeugpodest ist mit bunten Holzbrettern verschalt. Das alles ist natürlich irgendwie viel zu viel, aber auf eine Art und Weise, die gut zu den Killers passt. Gut zu ihrer Heimatstadt Las Vegas, und auch gut zum neuen Album "Day & Age". Das ist zwar nicht auf eine so extreme Weise Pop wie das vorab ausgekoppelte "Human", aber dennoch ein ganz schön breit angelegter Appell für den großflächigen Einsatz von Synthesizern, für Pathos, für große Popmelodien. Kurz: Musik, die endlich das Selbstbewusstsein transportiert, mit dem Flowers früher so oft nervte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im Gepräch am Vortag ist er dagegen eigentümlich ruhig. Er denkt viel nach, macht Pausen, sucht nach den richtigen Worten und sagt im Zweifelsfall lieber nichts. Vom Großkotz Flowers, der Fehden mit Bands wie The Bravery oder Fall Out Boy anzettelte, ist wenig übrig geblieben. Stattdessen teilt er Lob aus - etwa für Polarkreis 18, aber auch für Kanye West. Der, so Flowers, sei ein größerer Star als die Killers. "Aber wir verkaufen mehr Platten", schiebt er schnell nach. jetzt.de: Mit "Human" bewegt Ihr Euch in eine Richtung, die mit Eurem älterem Material nicht mehr arg viel zu tun hat. Hast Du nie Angst gehabt, dass die vielen Synthies den Song erschlagen könnten? Brandon Flowers: Nein. Es kann sein, dass manche ein bisschen brauchen, bis sie den Song verstehen. Aber das Großartige an "Human" ist, dass es auch als Country-Nummer funktioniert, nur mit einer Gitarre. Es ist sicher der beste Song, den wir bisher geschrieben haben. So ein Stück hält auch ein großes Arrangement aus. (Flowers steht auf und geht durch das Hotelzimmer. Er fängt an zu singen: "I did my best to notice / when the call came down the line.") Hörst Du es? Es ist ein Klassiker, und das war uns im Übrigen sofort klar. Die Sache ist doch die: Du kannst Dir so extreme Musik nur erlauben, wenn Substanz dahinter steckt. Wenn das alles eine Luftpumpennummer wäre, würde auch das ausgetüftelste Arrangement nichts helfen. Die Single "Human":

Du warst immer ein Freund großer Worte. Gehen die jetzt beim dritten Album leichter von den Lippen? Immerhin hat der Erfolg Euch ja Recht gegeben. Ohne Selbstbewusstsein kann man kein gutes Album aufnehmen. Und ich glaube, dass die unglaubliche Resonanz auf "Hot Fuss" und "Sam's Town" tatsächlich den Grundstein für dieses Album legte. "Day & Age" ist mutig, ambitioniert, voller Abenteuer und auch auf eine ganz eigene Art und Weise witzig. Das schaffst du nur, wenn du vorher schon so viel erreicht hast, wie wir. Wo knüpft "Day And Age" an den Vorgänger an? "Dustline Fairytales" ist ein Song, der sicher auch gut auf "Sam's Town" gepasst hätte. Welche Geschichte erzählt er? Er handelt von meinen Eltern. Davon, wie sie sich in einem Trailerpark kennenlernten. Aber gleichzeitig ist er eine Verbeugung vor all dem, was sie repräsentieren. Ihre Liebe, ihre Hingabe, ihre Kraft. Das sind Werte, die heute einfach passé sind. Es ist alles so anders geworden. Scheidungen sind etwas ganz Alltägliches geworden. Ich habe den Eindruck, dass sich die gesamte Gesellschaft in eine falsche Richtung bewegt, dass wir da etwas verlieren. Kindern, die mit nur einem Elternteil aufwachsen, fehlt einfach so vieles! Du kommst aus Las Vegas, einer Stadt, die eher für Glücksspiel und Glamour steht als für solche Werte. Das stimmt. Ich genieße das auch, und wir thematisieren diesen Aspekt durchaus in unseren Texten. Ich laufe gerne durch Downtown oder über den Sunset Strip. Aber Las Vegas ist auch eine sehr weite und damit sehr ruhige Stadt. Metropolen wie London sind anders. Es ist alles so eng, so hektisch. Die Leute sind eingepfercht! Welche deutsche Stadt magst du? Ich denke, Köln hat immer am meisten Eindruck hinterlassen. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als wir auf der ersten Tour mit unserem Van auf die Stadt zufuhren. Schon eine Stunde, bevor wir überhaupt da waren, sahen wir diesen Dom am Horizont. Das war für mich etwas, das genauso besonders war wie der erste Besuch der Freiheitsstatue. Warst Du vor Deiner Laufbahn mit den Killers oft auf Reisen? Nur ein bisschen und nur innerhalb der USA. Ich habe aber immer den Eindruck, dass die Europäer das alles nicht ganz verstehen: Wenn ich von Las Vegas nach Texas fliege, ist das schon eine große Reise. Oft genug denken die Europäer, dass Amerikaner immer nur faul rumsitzen, nicht neugierig und interessiert sind an dem, was woanders auf der Welt passiert. Wie groß unser Land ist, wird gerne vergessen. Das ärgert mich. Nun sind Amerikaner seit der Präsidentschafswahl wieder etwas beliebter. Ja, das passierte über Nacht. Eigenartig, aber ein sehr guter Nebeneffekt der Obama-Wahl. Haben die Killers sich vor der Wahl irgendwie dazu geäußert? Nein, wir haben uns für keinen der beiden Kandidaten ausgesprochen. Wir denken, dass muss jeder für sich selber entscheiden. Das bedeutet nicht, dass etwas gegen Wahlempfehlungen spricht. Vermutlich kann man damit auch eine Menge bewegen. Aber man braucht halt eine sehr feste Überzeugung, dass einer der Kandidaten der Richtige ist. Niemand in unsere Band besitzt diese Überzeugung, denke ich. Wir sind keine Politiker.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Day & Age" von The Killers erscheint an diesem Freitag bei Universal

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