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"Jesus war sicher kein origineller Denker."
Mit seinem Buch „Das katholische Abenteuer“ hat Matthias Matussek vor einigen Wochen ein Plädoyer für den Katholizismus veröffentlicht und kam damit fast sofort auf die Bestsellerlisten - obwohl immer mehr Menschen aus der Kirche austreten. Wir haben jemanden gefragt, der noch genau zwischen beiden Varianten steht: Friedrich, 25 Jahre, aus Halle/Saale, der sich am 21. August katholisch taufen lassen wird.
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jetzt.de: Matthias Matussek spricht sich für den Katholizismus aus. Glaubst du, dass katholisch-Sein gerade wieder cool wird?
Friedrich: Als der neue Papst gewählt wurde und vor allem zum Weltjugendtag 2005 gab es diese These, aber ich finde nicht, dass sie sich seitdem bestätigt hat.
Glaubst du an Gott?
Ich kann nicht sagen, dass ich in dieser Hinsicht absolute Gewissheit habe. Aber ich vermisse diese Gewissheit auch nicht. Das Thema hat mich in den letzten Jahren einfach niemals losgelassen und ich bin sicher, dass man mit dem Glauben glücklicher sein kann als ohne. Das kann man wohl eine Sehnsucht nach Gott nennen. Aber es ist merkwürdig, an eine so unwahrscheinliche und wenig belegte Sache zu glauben wie die Auferstehung Christi. Und ohne Auferstehung wäre Jesus irrelevant, denn er war sicher kein origineller Denker.
Wie äußert sich der Glaube, den du dennoch hast, genau?
Ich bete gelegentlich, beispielsweise das Vater Unser oder die Komplet, das Nachtgebet der Kirche. Und vor allem habe ich manchmal das Bedürfnis, theologischen Fragen auf den Grund zu gehen oder die Messe zu besuchen. Aber insgesamt soll der Glauben ein Teil meines Lebens sein, der einfach da und selbstverständlich ist.
Wieso hast du dich entschieden, dich nun, mit 25, katholisch taufen zu lassen?
Mein Großvater war evangelischer Pfarrer, darum war ich als Kind manchmal im Gottesdienst. Außerdem war ich im evangelischen Kindergarten und in der Schule hat mir der Ethikunterricht nicht gefallen, deswegen bin ich in den Religionsunterricht gegangen. Die Kirche war also schon immer Teil meines Lebens und mit der Taufe werde ich dann eben ein Teil der Kirche. Ich hatte keine Krise oder brauchte irgendeinen Halt, es schien mir nur folgerichtig, das jetzt zu tun.
Was sagen deine Familie und deine Freunde dazu?
Meine Familie ist evangelisch, die fanden es schon etwas befremdlich. Mein sonstiges Umfeld hier ist eher atheistisch geprägt. Aber niemand kritisiert mich wegen dieser Entscheidung. Die hauptsächliche Reaktion nenne ich gerne „wohlwollendes Desinteresse“. Allerdings finde ich dieses Wohlwollen immer etwas unangemessen, weil sie auf der Ansicht beruht, die Kirche sei an sich etwas Gutes, weil dort Nächstenliebe gepredigt wird.
Hältst du diese Annahme für falsch?
Das nicht, aber sie ist ja unvollständig. Ein Freund von mir zum Beispiel, der zum ersten Mal in seinem Leben in einer Messe war, war danach total schockiert, weil ihm die archaischen Elemente eines Gottesdienstes nicht bewusst waren. Wenn ich mich taufen lassen will und mich deswegen mit der Kirche beschäftige, weiß ich ja, dass sie dort einen Mann anbeten, der geopfert wurde, oder dass sie sein Blut trinken. Die Menschen, die jetzt so wohlwollend auf meine Entscheidung reagiert haben, tun das, ohne etwas darüber zu wissen.
Was muss man tun, wenn man sich als Erwachsener taufen lassen will?
Ich habe im Internet recherchiert, wer hier in Halle dafür zuständig ist und dem Pfarrer eine Mail geschrieben. Der hat dann einen Termin mit mir ausgemacht, um, wie er sagte, erstmal in Ruhe über alles zu reden. Seitdem gehe ich regelmäßig zu ihm und er gibt mir eine Einführung in theologische Themen, das nennt sich Katechumenat. Es ist kirchenpolitisch zu gewollt, dass man sich intensiv damit beschäftigt und sich die Entscheidung gut überlegt.
Wie läuft die Erwachsenentaufe ab?
Ich werde im Rahmen der Gemeindemesse getauft. Ich wollte niemanden zwingen, dabei zu sein, aber meine Familie und meine Freunde kommen, das freut mich sehr. Ich habe den einzigen katholischen Teil meiner Familie im Süden aufgetrieben und einer von ihnen ist mein Pate, geht mit mir nach vorn und ich werde getauft. Zur Zeremonie gehört auch die Teufelswidersagung. Die gibt es in drei Versionen. Ich habe mich für die Hardcore-Version entschieden, in der ich drei Mal gefragt werde „Widersagst du dem Satan?“ und ich antworte „Ich widersage“ – weil es genau diese Szene auch in „Der Pate“ gibt! (lacht)
Was findest du gut an der katholischen Kirche, vor allem im Vergleich zur evangelischen, die deine Kindheit geprägt hat?
Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, die protestantische Kirche wirkt dagegen fast etwas provinziell. Als ich neulich in Genf mitten in einem Gottesdienst in die Kirche kam, wusste ich sofort, an welcher Stelle sie sind, obwohl ich kaum Französisch spreche, weil die Liturgie und das Wechselspiel zwischen Pfarrer und Gemeinde überall gleich sind. Diesen weltumspannenden Aspekt finde ich dem Glauben angemessen, weil er unabhängig von Zeit und Ort ist. Außerdem finde ich, dass das Papsttum schon einen ästhetischen Reiz hat, der Mann in Weiß, das ganze rituelle Drumherum. Und der Mut zur Magie in der katholischen Kirche gefällt mir. Die Protestanten sind sehr rational, bei den Katholiken gibt es mehr mystische Elemente und ich finde es nicht richtig, dem Glauben dieses Mystische wegzunehmen und ihn völlig auf die Vernunft und unsere Zeit zuzuschneiden.
Und was sind deine Kritikpunkte?
Die üblichen: Kein Frauenordinat, die Sexualmoral, die Missbrauchsfälle. Aber ich möchte eben Teil einer kirchlichen Institution sein und wenn ich in eine Institution würde eintreten wollen, in der alles gut läuft, müsste ich eine eigene Kirche gründen oder mich einer winzigen Splittergruppe anschließen.
Die konservative politische Meinung ist ja, dass man den christlichen Glauben in Deutschland wieder stärken müsse, um die abendländische Tradition hochzuhalten. Hat dein Kirchenbeitritt auch damit zu tun?
Ich fühle mich nicht als Teil eines Kulturkampfes und ich fühle mich auch in keiner Weise von Atheisten oder Moslems herausgefordert. Meine Entscheidung hat also damit gar nichts zu tun.
Glaubst du, der katholischen Kirche ginge es besser, wenn es keine Kindertaufe mehr gäbe und sie sich aus Mitgliedern zusammensetzen würde, die im Erwachsenenalter freiwillig eingetreten sind?
Nein, eher im Gegenteil. Entweder man ist Christ aus Schicksal, weil man als Kind getauft wurde, oder es ist eine persönliche Entscheidung, die mit vielen Hürden verbunden ist. Bei mir ist es so ein Mittelding, weil mir die Kirche ja seit Kindertagen nie ganz fremd war. Aber wer ganz ohne Berührung damit aufwächst, für den ist der Weg zur Kirche extrem lang und es ist schwer, einen Zugang zu finden.
Kennst du noch andere erwachsene Täuflinge?
Es gab eine landesweite Katechumenen-Feier, bei der ich andere Täuflinge kennengelernt habe.
Hast du etwas über ihre Motivation für die Taufe erfahren?
Bei der Feier musste jeder seine Beweggründe für die Taufe vorbringen. Dabei ist mir aufgefallen, dass diese bei vielen extrem emotional gefärbt sind und das bei mir gar nicht der Fall ist. Ich respektiere die Kirche und die Religion, bin aber nicht religiös empfindsam. Der einzige emotionale Zugang, der sich mir manchmal auftut, ist so eine Art Naturerlebnis. Ich bin draußen, es ist schön und ich denke: Das muss ja schon irgendwie Schöpfung sein.
Text: nadja-schlueter - Fotos: dpa / privat