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"Irgendwann heißt es: ganz oder gar nicht"

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"Generation-D" ist ein Ideen- und Startup-Wettbewerb für Studenten. Es geht um Projekte aus dem Bereich "Social Entrepreneurship", also Geschäftsideen mit einem gesellschaftlichen Mehrwert. Teams, die mit ihren Ideen überzeugen können, erhalten unter anderem eine finanzielle Unterstützung. Im vergangenen Jahr  gehörten Medizinstudent Johannes Bittner, 27, aus Dresden, und Paul Müller, 22, eingeschrieben für Wirtschaftsingenieurwesen an der TU München, zu den Gewinnern des Gründerwettbewerbs. Was ist aus ihren Projekten geworden? Wie vertragen sich Gründen und Studieren? Ein Interview.

jetzt.de: Was verbirgt sich hinter euren Projekten "Consumerpool" und "Was hab' ich"?  
Paul: Mit "Consumerpool" haben wir eine Plattform aufgebaut, bei der wir Strom- und Gaskunden zusammenbringen, die dann gemeinsam nachhaltige Energie einkaufen gehen. So eine Art Einkaufsgemeinschaft, die sich übers Internet findet. Für einen Pool an Konsumenten lassen sich bessere Konditionen mit den Energieversorgern aushandeln. So soll jeder zu einem guten Preis bei der Energiewende mitmachen können.
 Johannes: Das Ziel von "Was hab' ich" ist, dem Patienten, der sich ja häufig im Internet informiert, eine individuelle und verständliche Gesundheitsinformation zu bieten, indem wir die Befunde, die ein Arzt aufschreibt, kostenlos in verständliches Deutsch übersetzen. Dahinter steht inzwischen ein Netzwerk aus 500 Medizinern, vor allem Medizinstudenten. Die engagieren sich ehrenamtlich in dem Projekt und übersetzen die Befunde. Für sie hat das gleichzeitig auch einen Mehrwert, weil sie sich neues Fachwissen aneignen können und lernen, mit Patienten verständlich zu kommunizieren.
  
Ihr stemmt eure Projekte aber wahrscheinlich nicht ganz alleine, oder?
Paul: Bei Consumerpool sind wir zu dritt: Julius Kuhn-Régnier, unser Gründer, der in Passau BWL studiert. Dazu wir beiden Mitgründer: Jonas Haut, der in Freiburg Chemie studiert. Und ich.
Johannes: Wir sind auch zu dritt, außer mir sind noch Ansgar Jonietz und Anja Kersten dabei. Ansgar ist Informatiker und Softwareentwickler, Anja ist wie ich Medizinerin, hat aber gerade schon ihr Medizinexamen abgeschlossen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Johannes (rechts) und das Team von "Was hab' ich"

Ihr habt vor einem Jahr an dem Start-Up-Wettbewerb teilgenommen. Was ist seitdem passiert?
Johannes: Na, die Gründung! Messbar passiert ist: Wir haben uns von 250 auf 500 ehrenamtliche Helfer verdoppelt und unser erstes kleines Büro erweitern können, wir sitzen jetzt in zwei Räumen und haben drei Hilfskräfte eingestellt. Das spiegelt eigentlich ganz gut den Projektfortschritt wieder. Aktuell versuchen wir uns bundesweit gut aufzustellen und mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen. Und jetzt stehen wir natürlich vor der großen Herausforderung, die Finanzierung sicherzustellen. Unsere eigentliche Dienstleistung, die Befundübersetzung, ist ja kostenlos.

Habt ihr denn viele Kosten, wenn ihr vor allem mit ehrenamtlichen Helfern arbeitet?
Johannes: Vor allem Personalkosten: Wir drei Gründer arbeiten Vollzeit und müssen unsere Kühlschränke vollkriegen, wir zahlen uns deshalb ein studentenorientieres Gehalt. Unsere drei Hilfskräfte wollen natürlich bezahlt werden, die Infrastruktur, die Telefonkosten unserer ehrenamtlichen Helfer...

Und wie wollt ihr das in Zukunft finanzieren?
Johannes: Zum einen klassisches Fundraising. Wir wollen uns einen Förderkreis aufbauen und Spenden sammeln. Wir haben externe Sponsoren, die uns unterstützen. Zum anderen wollen wir Kliniken die Möglichkeit bieten, in unserem Medizinernetzwerk Stellenanzeigen zu schalten. In Zeiten des Ärztemangels ist so ein großes Mediziner-Netzwerk ja interessant für Kliniken.

Wenn man dich so reden hört: Wie ein Medizinstudent klingst du nicht. Hat das Jahr im Start-Up dich zu einem Businessmenschen gemacht?  
Johannes: Gerade fühle ich mich auch nicht so richtig als Medizinstudent, dadurch dass ich pausiere und auch keine Berührung mit der Uni habe. Aber das kommt bestimmt wieder. Es liegt aber wohl nicht allein am vergangenen Jahr. Ich hab' sehr früh schon angefangen zu gründen. Ich komme ursprünglich aus Rheinland-Pfalz und habe, als ich dort gelebt habe, ein soziales Netzwerk aufgebaut.

Ein Rheinland-Pfalz-Facebook?
Johannes: Genau, so ungefähr. Das war 2006, noch vor Studi-VZ-Zeiten. Von der Erfahrung profitiere ich jetzt sehr. Aus der Zeit kenne ich auch Ansgar, der damals auch schon mitgearbeitet hat.

Paul, wie ist das Jahr seit dem Wettbewerb bei dir verlaufen? Pausierst du gerade auch mit deinem Studium?  
Paul: Nee, wir haben einen anderen Weg gewählt und das Gründen neben dem Studium laufen lassen. Im Moment haben wir unsere Aktivitäten im Projekt wieder reduziert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Paul (rechts) und das Team von "Consumerpool"

Warum?
Paul: Bei uns im Team war das Problem von Anfang an, dass wir keinen Informatiker dabei haben. Das heißt, wir mussten die ganzen Programmierarbeiten, die bei einer Plattform wie der unseren anfallen, von externen Programmierern machen lassen. Das war aus verschiedenen Gründen sehr kompliziert und ist in Kombination mit der Tatsache, dass wir alle gleichzeitig studieren und auch noch an verschiedenen Orten, zu viel gewesen. So standen wir Ende Januar an dem Punkt, dass wir zwar gesehen haben, dass unser Konzept funktioniert, wir aber Vollzeit an dem Projekt arbeiten müssten, um "Consumerpool" weiterzuentwickeln. Unser Plan ist, dass wir deshalb im  September gemeinsam nach Berlin gehen und uns dann völlig dem Projekt widmen. Ein halbes, ein ganzes Jahr. Und dann schauen, wo uns das hinführt.
Johannes: Irgendwann muss man auf jeden Fall diese Entscheidung treffen: Ganz oder gar nicht.

"Ganz" bedeutet bei euch?  
Johannes: Es ist schon weitaus mehr als ein Fulltime-Job. Wir verbringen wirklich sehr viel Zeit im Büro. In einer normalen Woche sind es um die 60 Stunden.

Paul, hattest du vorher schon Erfahrung als Gründer so wie Johannes?  
Paul: Nee, das war meine erste echte Gründungserfahrung.

Haltet ihr das Studium denn für einen guten Zeitpunkt zum Gründen?  
Paul: Es kann natürlich schwierig sein, wenn man neben dem Studium arbeiten muss. Im Nachhinein würde ich sagen: 1 oder 1 ½ Jahre vor dem Studienabschluss ist sogar die ideale Zeit zum Gründen. Beziehungsweise um ein Projekt anlaufen zu lassen. Zu schauen, ob eine Idee funktioniert. Während dieser Zeit wird man dann fertig mit dem Studium und kann nach dem Abschluss direkt durchstarten. Man hat dann beides, kann sein Studium vernünftig abschließen und gründen.  

Gründen und mal eben nebenbei seinen Abschluss vernünftig machen? Ist das denn realistisch?  
Paul: Das kommt natürlich auf den Studiengang an, ob das möglich ist.

Findest du auch, Johannes, dass das Studium eine gute Zeit ist, um ein Unternehmen zu gründen?  
Johannes: Ich glaube, der richtige Zeitpunkt zum Gründen ist dann, wenn man eine gute Idee hat. Und alles andere ist dann die Frage, wie sehr man sich einer Sache widmen will, wie sehr man daran glaubt. Ich pausiere ja auch nicht ohne Grund. Natürlich wäre ich froh, bald meinen Abschluss machen zu können. Das geht im Moment nicht. Und wenn man ehrlich ist, kann das Gründen auch bedeuten, dass das Studium am Ende unter Umständen auf der Strecke bleibt, wenn man erfolgreich ist. Glücklicherweise ist die Teamkonstellation bei uns so, dass ich meine Chancen sehr hoch einschätze, dass ich meinen Abschluss noch machen kann. Und in nicht allzu ferner Zukunft. Wären wir nur Studenten im Gründerteam, wäre das aber wahrscheinlich fast nicht zu händeln.

War bei euch zuerst eine Idee da? Oder habt ihr euch durch den Wettbewerb motiviert, ein Konzept für Social Entrepreneurship zu entwickeln?  
Johannes: Wir haben schon seit Anfang Januar 2011 an "Was hab' ich" gearbeitet, also schon ein paar Monate, bevor wir von dem Wettbewerb erfahren haben. Anja hatte die Idee zur Befundübersetzung gehabt, nachdem eine Freundin mit einem Befund ihrer Mutter auf sie zugekommen war. Die Mutter der Freundin hatte eine Nachuntersuchung nach einer Krebserkrankung gehabt und ihren Befund nicht so richtig verstanden.  
Paul: Bei uns war es ganz ähnlich. Gründungsideen entstehen glaube ich immer aus alltäglichen Situationen. Der Julius aus meinem Team hatte für seinen Vater den Stromanbieter gewechselt und dabei festgestellt, dass man als Kunde kaum durchblickt, worauf man achten muss. Sein Vater hat jedenfalls rumerzählt unter seinen Freunden, dass Julius ihm geholfen hatte. Die haben daraufhin ebenfalls den Julius um Hilfe gebeten, den Stromanbieter zu wechseln. Daraus ist die Idee entstanden, zunächst einmal eine Stromberatung aufzubauen, einen seriösen Anbieter zu vernünftigen Preisen zu finden. Wir haben dann noch an der Grundidee weitergefeilt, wie man einen sinnvollen Mehrwert für die Kunden und die Gesellschaft entwickeln könnte.   

Wie viel bürokratischer Aufwand steckt denn eigentlich in so einer Gründung?  
Johannes: Die Gründung an sich ist gar nicht so schlimm bürokratisch. Aber an allen Ecken und Enden sammeln sich tausende Kleinigkeiten an: eine Buchführung machen, Hilfskräfte müssen angemeldet werden, Verträge abgeschlossen, man muss sich einen Steuerberater suchen. Man arbeitet oft mehr an Nebenprojekten als an dem, was man eigentlich machen will.  
Paul: Bei uns war es durch die Zusammenarbeit mit den Energieversorgern rechtlich viel Aufwand. Wir mussten Verträge aufsetzen, AGBs ausarbeiten. Da ist bei uns sehr viel Zeit reingeflossen.  

Würdet ihr sagen, dass man fürs Gründen bestimmte Charaktereigenschaftlen mitbringen sollte?
Paul: Man sollte auf jeden Fall Lust darauf haben, etwas Eigenes aufzubauen.  
Johannes: Ich glaube, es gehört Mut dazu. Ein bisschen Selbstbewusstsein schadet nicht. Und wenn sich in einem Team die unterschiedlichen Stärken der Mitglieder ergänzen, dann sind das schon mal gute Zutaten.

 
60-Stunden-Wochen, studentenorientierte Gehälter, gefährdete Studienabschlüsse und das Risiko zu scheiten: Würdet ihr heute trotzdem noch mal gründen?    
Johannes: Definitiv. Auch mit der gleichen Idee, vielleicht würde ich aber mit der gewonnenen Erfahrung im Detail manches anders machen.  
Paul: Ja. ich stehe ja noch am Anfang meines Studiums. Für uns ging es auch sehr darum, aus dem Projekt zu lernen. Jetzt weiß ich, worauf wir achten müssen, wenn wir im Herbst das Projekt weiterführen oder mal bei einem anderen Projekt. 

Gibt es denn da schon konkret eine Idee?
Paul: Ach, eine grundlegende Geschäftsidee hat man doch relativ schnell, finde ich.   
Johannes:  Ideen kommen tatsächlich ständig. Wenn man so durch den Alltag läuft, denkt man ja häufig, das könnte man doch so und so anders und besser machen. Der Punkt ist, dass man dann auch sagen muss: Ach, lass uns das mal probieren. Vielleicht ist das die wichtigste Eigenschaft, die man als Gründer mitbringen sollte: eine Macher-Mentalität.

Die Süddeutsche Zeitung ist Medienpartner des Wettbewerbs "Generation-D". In diesem Jahr kann man sich mit Idee oder Start-Up noch bis zum 29. Juli 2012 bewerben. Mehr Informationen zum Wettbewerb findest du in der Ausschreibung. 

Text: juliane-frisse - Fotos: Generation-D, Amac Garbe/ein-satz-zentrale.de, o.H.

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