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Iranische Opposition ist im Netz
In dem Buch „Wir sind der Iran”, schrieb Nasrin Alavi, dass du einer der ersten warst, die einen Weblog auf Farsi geschrieben haben. Dort hast du auch eine kurze Anleitung gegeben, wie man dabei vorgeht. Fühlst du dich manchmal als Idol? Ich habe die letzten sieben Jahre damit verbracht, Technologie und Funktionsweise des Internet, E-Mail, Blogs oder Podcasts im Iran bekannt und gebräuchlich zu machen. Bevor ich im Dezember 2000 nach Kanada emigrierte, schrieb ich eine Kolumne über die Möglichkeiten des Internet für die Reformzeitung „Asr-e Azadegan“. Während des erstes Jahres in Kanada habe ich dann oft zehn Stunden am Tag damit verbracht, anderen bei den technischen Problemen mit ihren Blogs zu helfen und zusammen mit einem Freund eine Liste aller persischen Blogger erstellt, die automatisch aktualisiert wird. Ich bekomme immer noch E-Mails von Leuten, die mir schreiben, sie hätten durch meine Kolumne die Möglichkeiten des Internet entdeckt. Ist dein eigenes Blog von Iran aus überhaupt erreichbar? Die eigentliche URL (www.hoder.com) wird geblockt, aber ich habe andere Domains gekauft und viele Leute können den Blog dadurch erreichen. Es ist nur sehr kompliziert, die Leser über die neuen Domains zu informieren. Wenn sie zu bekannt werden, würde die Regierung sie wieder filtern und wenn sie nicht bekannt genug sind, werden sie auch nicht genutzt. Ich sehe das als eine Art von virtuellem Partisanenkrieg. Trotzdem habe ich neben den durchschnittlich 6000 bis 7000 Lesern, die den Blog täglich besuchen auch über 11.000 Abonnenten via E-Mail, was ich selbst kaum glauben kann. E-Mail ist, glaube ich, wohl der beste Weg um Zensur im Internet zu umgehen. Es wäre ein Albtraum diese Abo-Liste zu verlieren. Wann warst du das letzte Mal in Iran? Und welche Art von Reaktionen hast du dort auf deine Arbeit bekommen? Ich war letzten Juni während des Präsidentschaftswahlkampfes dort. Das war eine der spannendsten Zeiten in meinem Leben. Alle Kandidaten gaben sich damals reformorientiert und bemühten sich verzweifelt um die Aufmerksamkeit der jungen Leute. Sogar Amahdi-Nedschad, der konservativste unter ihnen, redete ständig von seiner weltoffenen Einstellung. Die positivste Reaktion war der Besuch im Wahlkampfhauptquartier einiger wirklich reformorientierter Politiker. Ich war sehr überrascht, da sie mich bereits erkannten und so nett und freundlich waren. Ich durfte Fotos und Videos aufnehmen und durch das ganze Gebäude laufen. Sie vertrauten mir, ohne mich davor einmal gesehen zu haben. All das wegen der Arbeit mit dem Blog, das war ein wunderbares Gefühl. Der iranische Präsident Mahmud Amadi-Nedschad schockierte in den letzten Wochen die Welt mit Drohungen gegen Israel und der Behauptung, „der Holocaust sei ein Märchen.“ Wie kann man auf diese verbalen Ausfälle angemessen reagieren? Ich schlage den westlichen Medien vor, ihn zu ignorieren. Ich kenne niemanden in Iran, der seine Reden ernst nimmt, dahinter steckt nur heiße Luft. Das begann schon in der Zeit, als er noch Bürgermeister von Teheran war. Er übertreibt und lügt, wenn es um seine Erfolge geht. In Iran ist ein Video im Umlauf: Dort beschreibt er, wie er sich während einer Rede vor der UNO von einem Ring aus Licht beschützt sah und alle Anwesenden vollkommen von seiner Vorstellung vereinnahmt waren. Er ist total von sich selbst vereinnahmt und sucht verzweifelt nach Anerkennung. Das sollte man bei der Berichterstattung berücksichtigen. Die Richtlinien der iranischen Außenpolitik werden jedoch von Ayatollah Ali Khamenei festgelegt, es wird sich also voraussichtlich nichts ändern, so lange Khamenei die Radikalrethorik von Ahmadi-Nedschad nicht öffentlich unterstützt. Wieso kommt es dann zu diesen verbalen Ausfällen? Diese Kommentare sollen nur von den Problemen im Iran ablenken. Er hat, vor allem was die Außenpolitik angeht, keinerlei politische Erfahrung und wurde vor allem durch den radikalen Ayatollah Messbah Yazdi dazu gedrängt, als Kandidat anzutreten. Die Wahl gewann er vor allem durch seinen Wirtschaftspopulismus. Mit Versprechen wie „die Einnahmen durch das Öl werden auf den Esstischen der Bevölkerung landen.“ Ein weiterer Grund besteht darin, dass er ein relativ junger Kandidat war, der nicht dem Kreis der Kleriker zuzurechnen war. Glaubst du, dass Weblogs die Fähigkeit besitzen, ein politisches System zu verändern, das so autoritär ist, wie es momentan im Iran der Fall ist? Ich glaube schon, aber wohl nicht direkt. Der Journalist Masoud Behnoud schrieb einmal: „Wenn Blogs bereits zu Zeiten der islamischen Revolution und des Iran-Irak Kriegs vorhanden gewesen wären, hätten sich die Dinge anders entwickelt.“ Ich denke, die momentan größte Leistung von Weblogs im Iran, ist es, einen öffentliche Raum geschaffen zu haben. Blogs sind dieser Raum, in welchem eine vergleichsweise gleichberechtigte, offene und Debatte möglich ist, die nicht der Kontrolle der Regierung unterliegt. All dies passiert zwischen Menschen, mit einem gewissen Einfluss, die für andere Leute eine Referenzgruppe darstellen könnten. Die iranische Regierung erließ im Herbst letzten Jahres neue Gesetze, welche den Umgang mit so genannten Cyber-Dissidenten regeln. Deshalb begannen viele Blogger, ihre Einträge unter Pseudonym zu veröffentlichen. Denkst du, dass das ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigt? Nicht unbedingt. Das Glaubwürdigkeitsproblem ist nur dann wichtig, wenn Blogs die Aufgabe haben sollen, Journalismus im engeren Sinne zu bieten. Das ist aber relativ selten der Fall. Hauptsächlich sind sie ein Forum, um bei der Meinungsbildung zu helfen und Geschichten zu erzählen. Kannst du das erklären? Nehmen wir Zeitoon: Wenn diese anonyme Bloggerin von ihrer Begegnung mit älteren Frauen in einem Teheraner Schwimmbad erzählt, ist es für die Leser nicht wichtig, wer sie ist. Wenn es um einen Vorfall mit politischem Hintergrund geht, der ihr passierte, hingegen schon. Ich glaube jedoch, dass es in der Virtualität eher um Vertrauen als um Identität geht. Die Vertrauensbildung kann sich alleine durch das Lesen eines Blogs vollziehen. Der Philosoph Jürgen Habermas stellte die Frage: „Existiert ein Sprengsatz in den Köpfen all dieser jungen Leute, vor allem in den Köpfen all dieser gut ausgebildeten jungen Frauen, vor dem das Ayatollah Regime mehr Angst haben muss, als vor allem anderen?“ Glaubst du, die Fundamentalisten fürchten sich? Dem stimme ich vollkommen zu. Der Wandel im Wertesystem der jungen Generation ist sehr vielversprechend. Sie sind sehr viel toleranter und selbstbewusster als ihre Eltern, vor allem die jungen Frauen. Trotzdem haben die vielen Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit, die beschränkten Freiheiten und das schlechte Wirtschaftsklima zu einem weit verbreiteten Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Apathie geführt, vor allem unter den jungen Männern. Die Frauen sind motivierter, vor allem aus dem Grund, dass sie immer noch für ihre Gleichberechtigung zu kämpfen haben.